Anna Maria Nunzi war am Verzweifeln. Sie litt an einem entzündeten Zahn, an Ohrenschmerzen und an einer Blaseninfektion. «Ich verwendete starke Medikamente gegen die Entzündungen», berichtet die 54-jährige Radiojournalistin aus Rüschlikon ZH. «Aber sobald ich die Mittel nicht mehr nahm, kamen die Beschwerden zurück.» In einer Zeitschrift las sie einen Artikel über tibetische Medizin. Sie liess sich von der Ärztin Dönckie Emchi behandeln, die in Zürich eine Praxis führt. Seither fühlt sich Nunzi wie neugeboren: «Meine Beschwerden sind weg, und ich bin wieder voll Energie.»
Nur wenige tibetische Ärzte mit Uniabschluss
In der Schweiz gibt es nur wenige Ärzte, die traditionelle tibetische Medizin an einer Universität erlernt haben. Dönckie Emchi ist eine von ihnen. Sie studierte sechs Jahre lang in Lhasa. Allerdings ist ihr Doktortitel in der Schweiz nicht anerkannt. Deshalb darf sie keine Bluttests machen oder Medikamente verschreiben.
Doch diese stehen bei der tibetischen Medizin nicht im Zentrum. Vielmehr geht es um die Überzeugung, dass schädliche «Geistesgifte» wie Gier oder Hass krank machen. Daraus entstehe ein Übermass an Hitze oder Kälte. Die chinesische Medizin gründet auf ähnlichen Annahmen.
Puls verrät Zustand der inneren Organe
In der Sprechstunde fragt die tibetische Ärztin ihre Patienten nicht nur nach den Beschwerden, sondern auch, wie ihr Lebensstil aussieht. Dann fühlt sie intensiv den Puls. Dadurch könne sie den Zustand aller inneren Organe erkennen, sagt Dönckie Emchi.
Je nach Ergebnis der Diagnose behandeln tibetische Ärzte Krankheiten unter anderem mit Kräutermedikamenten, Massage oder Schröpfen. Auch Lebensmittel spielen bei der Therapie eine wichtige Rolle. Emchi riet Anna Maria Nunzi, warme Speisen zu essen, damit sie mehr Wärmeenergie bekommt.
Schweizer Mediziner befürworten die tibetische Heilkunst. Hausärztin Bettina Kneip aus Niederrohrdorf AG zum Beispiel lobt, diese Medizin sei eine ganzheitliche Heilmethode. Bei akuten, schweren Krankheiten habe sie wenig zu bieten, könne aber die Schulmedizin unterstützen.
Doch einen guten Therapeuten zu finden, ist nicht einfach. Solche, die wie Dönckie Emchi in Tibet studiert haben, oder auch ausgebildete Naturheilpraktiker sind rar. Im «erfahrungsmedizinischen Register» sind gerade mal drei tibetische Therapeuten eingetragen. Manche Heiler haben nur einige Kurse besucht. So bietet die «Akademie für traditionelle tibetische Medizin» Kurse an, die wenige Tage dauern. Markus Senn, Geschäftsführer des Schweizer Verbands der anerkannten Naturheilpraktiker, kritisiert: «Viele Therapeuten haben eine Patchwork-Ausbildung. Doch es gibt keinen ausgewiesenen Fachverband, der die Ausbildung kontrolliert.» Senn empfiehlt, sich von Therapeuten behandeln zu lassen, die eine Ausbildung als Naturheilpraktiker vorweisen können.
«Ausbildung qualitativ sehr unterschiedlich»
Brigitte Ingold von den «Freunden tibetischer Medizin» entgegnet, es sei nichts Verwerfliches daran, wenn Therapeuten nur einzelne Kurse besuchten, sie würden sich ja nicht Naturheilpraktiker nennen. Barbara Rothfuchs, Präsidentin der Akademie für traditionelle tibetische Medizin, räumt ein, die Ausbildung der Therapeuten sei «qualitativ sehr unterschiedlich». Deshalb arbeite der Schweizerische Verband für traditionelle tibetische Medizin daran, dass die Heilmethode auf Bundesebene anerkannt und die Ausbildung gesetzlich geregelt wird.
Tipps: So finden Sie gute tibetische Therapeuten
- Fragen Sie Therapeuten nach ihrer Ausbildung.
- Lassen Sie sich nicht bei Heilern behandeln, die nur einzelne Kurse besucht haben.
Die beste Gewähr für eine gute Behandlung bieten Ärzte, die in Tibet Medizin studiert haben. Dazu gehören:
- Tendhon Amipa, Glarus, Tel. 055 640 96 40
- Dönckie Emchi, Zürich, Tel. 079 887 05 80
- Palden Langdun, Zürich, Tel. 043 399 98 89
- Tsering Tsultrim, Rorschach, Tel. 076 519 29 51
- Therapeuten mit einer Ausbildung als Naturheilpraktiker verfügen über ein solides medizinisches Grundwissen.
- Auf der Internetseite Emindex.ch finden Sie Therapeuten, die im erfahrungsmedizinischen Register eingetragen sind. Diese Thera- peuten dürfen mit Zusatzversicherungen abrechnen.
- Fragen Sie Ihre Krankenkasse, ob sie die Behandlung bei einem bestimmten Therapeuten bezahlt.