Sebastian war 17 Jahre alt, als er zum ersten Mal Zauberpilze ass. Er schnetzelte die getrockneten Pilze in einen Bohnensalat. Sie wirkten schnell: «Ich nahm bunte Farbschleier wahr und musste ohne Grund lachen», berichtet er. «Ich sah, wie sich das Licht der Strassenlampen in den Regentropfen spiegelte. Das war faszinierend.»
Auch der 27-jährige Alex (Name geändert) hat jahrelang Zauberpilze konsumiert. «Einmal ass ich die Pilze in einer klaren Nacht auf einem Berg. Es sah aus, als wären die Sterne an Fäden aufgehängt – wie Lampions.» Die Zauberpilze halfen Alex auch, sich besser kennenzulernen: «Dank der Pilze konnte ich mich von einer anderen Seite wahrnehmen. Ich fand Antworten auf viele Fragen.»
Zauberpilze gehandelt – und auch gegessen: Verhaftet
Zauberpilze wie der Kahlkopf wachsen im Spätsommer und im Herbst – vor allem im Jura und in der Innerschweiz. Kahlköpfe enthalten Psilocybin, das chemisch mit LSD verwandt ist.
«Die Substanz verändert das Bewusstsein tiefgreifend. Die Grenzen zwischen dem Ich und der Umwelt werden gelockert», sagt der Forscher Felix Hasler. Er hat sich an der Psychiatrischen Uni-Klinik in Zürich jahrelang mit Zauberpilzen befasst. Mit den Pilzen lassen sich laut Hasler auch psychische Krankheiten behandeln – etwa Depressionen oder Zwangsstörungen: «Das medizinische Potenzial ist gross, aber noch zu wenig erforscht.»
Bis vor sechs Jahren waren Zauberpilze problemlos erhältlich. Dann wurden Handel und Konsum verboten. Eine Sprecherin des Heilmittelinstituts Swissmedic sagt: «Das Verbot war nötig, um den florierenden Pilzhandel zu unterbinden.» Auch das Pflücken frei wachsender Zauberpilze ist seither illegal.
Die Härte des Gesetzes hat der 38-jährige David Schlesinger aus Rüschegg-Heubach BE am eigenen Leib erfahren. Er war über ein Jahr in Untersuchungshaft. Der Grund: Handel mit Zauberpilzen. Schlesinger hatte zudem die «Kirche der heiligen Pilze» gegründet. Mit anderen Mitgliedern seiner «Kirche» nahm er regelmässig Zauberpilze ein. Jetzt will ihm die Justiz den Prozess machen.
Staatliche Stellen begründen das Verbot der Zauberpilze mit dem Gesundheitsrisiko. Sabine Dobler von der Schweizerischen Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme (SFA) sagt: «Wer Zauberpilze isst, kann beängstigende Erlebnisse haben, die schwer zu verarbeiten sind.» Die Pilze könnten auch zu Atembeschwerden oder einer erhöhten Herzfrequenz führen. «Konsumenten können einen starken Druck verspüren, die halluzinogenen Erlebnisse wieder herbeizuführen.» Eine Sprecherin des Bundesamtes für Gesundheit ergänzt: «Die Pilze können bei psychisch labilen Menschen Verwirrtheit bewirken.»
Trotzdem kritisieren unabhängige Drogenexperten das Zauberpilzverbot. Forscher Felix Hasler sagt: «Zauberpilze verursachen wenig Probleme. Sie machen nicht süchtig.» Es sei «extrem unwahrscheinlich», dass sie bei Gesunden eine psychische Krankheit auslösten. Bei seinen Versuchen seien nie Psychosen vorgekommen. Allerdings arbeitet Hasler nur mit psychisch gesunden Probanden.
Studie belegt: Zauberpilze schaden der Gesundheit nicht
Drogenfachmann Oliver Hotz, Präsident des Vereins Eve & Rave, erklärt, man könne das Risiko für einen «Horrortrip» klein halten, wenn man die Pilze in einer angenehmen Umgebung zusammen mit Freunden esse. Im Jahr 2000 kam zudem eine holländische Studie zum Schluss, dass Zauberpilze der Gesundheit nicht schaden. Es sei nicht nötig, sie zu verbieten.
Der deutsche Drogenexperte Günter Amendt sagt: «Der Staat kann das Zauberpilzverbot gar nicht durchsetzen.» In der Schweiz hatte das Verbot kaum Einfluss auf den Pilzkonsum. Das zeigte eine Umfrage bei Schülern vor dem Verbot und im Jahr 2006. Zwei von hundert Schülern haben Erfahrungen damit.
Arzt Thilo Beck von der Arbeitsgemeinschaft für einen risikoarmen Umgang mit Drogen kritisiert, das Verbot schade mehr, als es nütze: «Es ist nicht mehr möglich, Konsumenten direkt zu informieren und das Essen von Zauberpilzen in gesundheitsverträgliche Bahnen zu lenken.» Weil der Pilzhandel im Versteckten stattfindet, bestehe die Gefahr, dass Händler die Exemplare mit schädlichen Stoffen versetzen.
Für Günter Amendt sind die Zauberpilze ein Beispiel für eine verfehlte Drogenpolitik. «Es ist bedauerlich, dass man auch in der Schweiz wieder auf Verbote setzt», sagt der Fachmann. «Dabei ist längst bekannt, dass die Politik der Drogenverbote gescheitert ist.»
Suchtmediziner fordern seit Jahren auch die Freigabe einer anderen einheimischen Pflanze: Cannabis. Im April empfahlen drei Experten in der «Schweizerischen Ärztezeitung» die Annahme der Hanf-Initiative, die im November zur Abstimmung kommt. Die Initiative fordert, dass der Cannabiskonsum und der Anbau für den Eigenbedarf erlaubt werden. Nur so könne der Staat den kriminellen Schwarzmarkt ausschalten und die Qualität der konsumierten Produkte kontrollieren, schrieben die Experten in der «Ärztezeitung».
Neue Argumente für das Legalisieren kamen kürzlich von unerwarteter Seite: In der Medizinzeitschrift «The Lancet» verglichen englische Wissenschaftler die Gesundheitsrisiken von legalen und illegalen Suchtmitteln. Die Fachleute untersuchten bei 20 verschiedenen legalen und illegalen Drogen, wie gross mögliche Gesundheitsschäden und die Suchtgefahr sind.
Gefährlicher als illegale Drogen: Alkohol und Tabak
Die Forscher belegten klar: Alkohol und Tabak schädigen die Gesundheit viel stärker als etwa Cannabis und LSD. Alkoholmissbrauch führt zu Hirn- und Leberschäden sowie zu vielen Verkehrsunfällen. Und Zigarettenkonsum verursacht oft Herzinfarkt oder Lungenkrebs.
In der Schweiz sterben jedes Jahr rund 3500 Menschen wegen Alkohol und 8800 Menschen an den Folgen des Rauchens. Laut einer Studie der Uni Neuchâtel verursachen die beiden Suchtmittel zusammen in der Schweiz jährlich Kosten von 17,4 Milliarden Franken. Wie gross der wirtschaftliche Schaden der verbotenen weichen Drogen ist, kann niemand sagen. Er ist aber mit Sicherheit weit kleiner.
Die englischen Forscher fanden auch heraus, dass die Suchtgefahr bei Alkohol und Tabak viel höher ist als bei illegalen Drogen. In der «Lancet»-Rangliste der gefährlichsten Drogen erscheinen Cannabis und LSD erst an 11. und 14. Stelle – Alkohol bereits an 5. und Tabak an 9. Die englischen Forscher kritisieren, es sei unverständlich, dass Alkohol und Tabak frei verkauft werden, während weniger schädliche Substanzen wie Cannabis oder LSD verboten sind.
Drogen: So verhalten sich Eltern richtig
- Geraten Sie nicht in Panik, wenn Ihr Kind Cannabis oder Zauberpilze konsumiert. Jugendliche suchen Grenzerfahrung.
- Gelegentlicher Alkohol-, Cannabis- oder Zauberpilzkonsum schadet der Gesundheit nicht.
- Die Suchtgefahr von Cannabis, LSD und Zauberpilzen ist geringer als bei Tabak und Alkohol.
- Sprechen Sie mit Ihrem Kind, wenn Sie Anzeichen für den Suchtmittelkonsum sehen.
- In einer Krise können Sie nur helfen, wenn das Vertrauen da ist.
- Sprechen Sie keine Verbote aus, und spionieren Sie Ihr Kind nicht aus. Sonst spricht es mit Ihnen nicht mehr offen über das Thema.
- Wenn sich das Verhalten Ihres Kindes stark verändert, wenden Sie sich an eine Beratungsstelle:
Weitere Infos über Suchtmittel