Süssstoffe: «Dickmacher aus der Light-Flasche»
Künstliche Süssstoffe fördern die Lust auf Süsses und stehen im Verdacht, die Gesundheit zu schädigen. Deshalb warnen Fachleute: Kinder und Abspeckwillige, Finger weg von Light-Produkten!
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Gesundheitstipp 5/2006
10.05.2006
Gabriela Braun
Schokoflocken zum Frühstück, zum Zvieri einen Getreidestängel mit Erdbeergeschmack und zwischendurch Eistee light. Am Nachmittag auf dem Spielplatz dann noch Kaugummi, Glace und Schleckwaren. Essen die Kleinen brav ihr Gemüse, dürfen sie all die Süssigkeiten haben. Schliesslich sind sie ja alle künstlich gesüsst, also ganz ohne Zucker. Und lacht das Zahnmännchen von der Packung, sind die Schleckwaren sowieso nicht ungesund - denken viele Eltern.
Doch Experten sind überze...
Schokoflocken zum Frühstück, zum Zvieri einen Getreidestängel mit Erdbeergeschmack und zwischendurch Eistee light. Am Nachmittag auf dem Spielplatz dann noch Kaugummi, Glace und Schleckwaren. Essen die Kleinen brav ihr Gemüse, dürfen sie all die Süssigkeiten haben. Schliesslich sind sie ja alle künstlich gesüsst, also ganz ohne Zucker. Und lacht das Zahnmännchen von der Packung, sind die Schleckwaren sowieso nicht ungesund - denken viele Eltern.
Doch Experten sind überzeugt: Gerade diese Produkte können Kindern schaden. Denn Süssstoff-Konsum ist ein Teufelskreis: Nimmt ein Kind regelmässig künstlich gesüsste Produkte zu sich, gewöhnt es sich an den süssen Geschmack.
«Der Verzehr von Süssigkeiten wird so gefördert», kritisiert die Ernährungsfachfrau Carine Buhmann. «Die Kinder wollen nach und nach mehr.»
Zudem bekommen Kinder rasch zu viel: Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat tägliche Höchstmengen für Süssstoffe festgelegt. Bei Aspartam betragen sie 40 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht. Weil Kinder leichter sind, erreichen sie diese Werte viel schneller als Erwachsene.
«Kinder geraten in die Nähe dieser Werte, wenn sie jeden Tag einen Liter eines Light-Getränks konsumieren», so die Ernährungsfachfrau Carine Buhmann. Sie emp?ehlt deshalb: «Kinder sollte man keine künstlich gesüssten Getränke geben.»
Der Arzt John van Limburg Stirum ist überzeugt, dass Süssstoffe dick machen. Er ist Präsident der Fachgesellschaft für Ernährung und Orthomolekularmedizin Schweiz. «Das natürliche Hungergefühl wird durch künstliche Süssstoffe gestört», so der Arzt. Denn der süsse Geschmack regt immer auch das Ausschütten von Insulin an. Damit bereitet sich der Körper auf den Abbau der kommenden Zuckerflut vor. Folgt nun kein «echter» Zucker, sondern Süssstoff, ist das Insulin vergeblich im Blut. Es verarbeitet stattdessen einen Teil des vorhandenen Blutzuckers. «Der Blutzuckerspiegel sinkt und es entsteht ein erneutes Bedürfnis nach Süssem», erklärt van Limburg Stirum.
Zucker: So unverkrampft wie Salz verwenden
Zwar können künstliche Süssstoffe die Zähne schützen. Doch das zählt für den Experten Heinz Knieriemen zu wenig. Er befasst sich schon seit Jahren mit Zusatzstoffen in Lebensmitteln und ist Autor des Gesundheitstipp-Ratgebers «E-Nummern». Die Idee mit dem Zahnmännchen hält er für «abwegig». Es suggeriere Kindern, dass Zucker nicht gut sei, künstliche Süssstoffe aber schon. «Das gibt ein falsches Essverhalten.»
Der Ernährungsexperte fordert vielmehr einen vernünftigen Umgang mit Zucker. Man solle Zucker so unverkrampft verwenden wie Salz.
Heinz Knieriemen rät, künstliche Süssstoffe zu meiden. «Man soll sie aus der Ernährung verbannen. Sie manipulieren bloss den Geschmack und haben im Essen nichts zu suchen.» Für ihn sind die Probleme mit dem Zuckerersatz programmiert: «Obwohl sich einige Süssstoffe gern als natürlich ausgeben, sind sie Kunstprodukte mit Risiken, die noch niemand kennt», schreibt er im Buch «E-Nummern».
Doch gerade viele Abspeckwillige setzen auf künstliche Süssstoffe, denn diese haben im Gegensatz zu Zucker keine Kalorien. Der Körper nimmt sie zwar auf, die meisten von ihnen scheidet er aber unverändert wieder aus.
Doch auch der Präsident der Adipositas-Stiftung, Anlauf- und Auskunftsstelle für Übergewichtige, rät von regelmässigem Genuss von Süssstoffen und Light-Produkten ab. Wenn jemand an süsse Speisen gewöhnt sei und vorübergehend zu Süssstoffen greife, sei dies in Ordnung, so Heinrich von Grünigen. «Längerfristig ist aber das Ziel, sich an eine weniger süsse Ernährung zu gewöhnen. So kann man sein Gewicht am besten reduzieren.»
Wie schädlich künstliche Süssstoffe für die Gesundheit sein können, ist heftig umstritten. Vor allem Aspartam steht in der Kritik. Studien weisen darauf hin, dass es Kopfschmerzen und Migräne auslösen kann. Zudem soll der Stoff für Übelkeit, Benommenheit, Depressionen und Hautreaktionen verantwortlich sein.
Wer an der Stoffwechselkrankheit Phenylketonurie (PKU) leidet, muss Aspartam meiden, denn es enthält Phenylalanin. Der Körper der Kranken kann diese Aminosäure nicht verarbeiten. In der Schweiz betrifft dies immerhin rund 700 Menschen. PKU kann unbehandelt zu Geisteskrankheit führen.
Im Tierversuch war Aspartam krebserregend
Im Sommer letzten Jahres geriet die Substanz Aspartam erneut in die Schlagzeilen - wegen Krebsverdachts. Die Wissenschaftler des Krebsforschungszentrums in Bologna fütterten 1800 Ratten bis zum Tod mit unterschiedlich hohen Dosen des künstlichen Süssstoffes. Sie fanden bei Tieren, die Aspartam frassen, häu?ger Lymphdrüsenkrebs und Leukämien - und dies schon bei einer täglichen Einnahme von 20 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht. Diese Dosis erreicht ein Erwachsener, wenn er täglich etwa eineinhalb Cola light trinkt.
Doch auch Cyclamat und Saccharin sind umstritten: Diese Stoffe haben in sehr grossen Mengen bei Tieren Blasenkrebs ausgelöst. Der Hersteller durfte Saccharin wegen des Krebsverdachts in den USA lange Zeit nur mit einem Warnhinweis verkaufen. Cyclamat ist dort sogar seit 1969 verboten. Grund: Im Darm einiger weniger Menschen hat es Bakterien, die den Süssstoff teilweise in ein giftiges Abbauprodukt umwandeln.
Aspartam-Hersteller bestreiten die Risiken
Die Hersteller sehen keine Probleme. Einer der grössten Aspartam-Hersteller weltweit, die japanische Ajinomoto, schreibt dem Gesundheitstipp: «Aspartam zählt zu den am sorgfältigsten erforschten Nahrungsmittelzusätzen aller Zeiten.» Gemäss einer neuen Studie soll der Konsum von aspartamhaltigen Getränken nicht krebserregend sein. Aspartam sei für die allgemeine Bevölkerung, einschliesslich Kinder und schwangere Frauen, geeignet. Auch würden Süssstoffe die Insulinproduktion nicht anregen, dies sei durch wissenschaftlich kontrollierte Studien belegt worden.
Der Schweizer Hersteller Hermes Süssstoffe AG - Produzent von Assugrin und Hermesetas - sagt, dass es keine Indizien gebe, wonach kleine Mengen von künstlichen Süssstoffen Kinder in irgendeiner Weise gefährdeten.
Süssstoffe: Das sollten Sie wissen
- Geben Sie Ihren Kindern möglichst wenig künstlich gesüsste Lebensmittel.
- Schwangere und Stillende sollten kein Cyclamat zu sich nehmen. Es kann in den Mutterkuchen und in die Milch gelangen.
- Möchten Sie abnehmen, sind Sie mit Süssstoffen schlecht bedient. Reduzieren Sie lieber schrittweise den Zuckerkonsum.
- Natürliche Süssungsmittel wie Honig oder Ahornsirup sind kalorienreich. Eine Alternative dazu ist Stevia: Es ist pflanzlich, hat keine Kalorien und erzeugt kein Hungergefühl. Stevia ist in der Schweiz nicht zugelassen. Trotzdem kann man das Mittel in Apotheken und Drogerien kaufen.
- Süssstoffe finden sich in unzähligen Produkten, in Süssgetränken, Suppen, Müesli, Konfitüren, Kaugummi, Schokolade, Sirup, Trockenfrüchten, Milchprodukten, Desserts, Glaces oder Marinaden. Wie viel drin ist, bleibt dem Konsumenten aber verborgen.
- Süssstoffe müssen auf den Produkten deklariert werden - sei es als Gattungs- und Einzelbezeichnung oder mit der E-Nummer: Acesulfam K (E 950), Aspartam (E 951), Cyclamat (E 952), Isomalt (E 953), Saccharin (E 954), Thaumatin (E 957).
Nehmen Sie künstliche Süssstoffe zu sich? Was sind Ihre Erfahrungen damit?
Schreiben Sie uns Ihre Meinung: Redaktion Gesundheitstipp, «Süssstoffe», Postfach 277, 8024 Zürich oder redaktion@gesundheitstipp.ch
Geben Sie Ihren Kindern Süssstoffe?
Claudia Eisenring, Mutter von Cornel (7)
«Ich kaufe keine Light-Produkte oder solche mit künstlichen Süsssungsmitteln. Das ist ungesund und die Kinder kriegen Blähungen und Durchfall. Eine Ausnahme mache ich wegen der Zähne bei Kaugummis.»
Roland Brümmer, Vater von Stella (3)
«Ich mag keine Light-Produkte, da die Süsse künstlich ist und angeblich auch weniger gesund. Ab und zu erhält meine Tochter etwas Süsses, so zum Beispiel ein mit Zucker gesüsstes Rivella.»
Josefa Blum, Grossmutter von Vera (11)
«Ich halte nichts von künstlichen Süssstoffen. Als ehemalige Chemikerin weiss ich, was da alles drin ist! Ich bevorzuge normalen Zucker, aber mit Mass. Eine Ausnahme mache ich bei Kaugummis.»
Sonja Bärtschi, Mutter von Victor-Léon (3)
«Ja, ich kaufe für meinen Sohn manchmal einen Schokolade-Pudding, der künstlich gesüsst ist. Er bekommt ihn, wenn er tagsüber bereits viel Süsses gegessen hat. Das ist aber eher die Ausnahme»