Wenn Margrith Bumbacher aus Bülach ZH abends ihr Medikament vergisst, muss sie es später büssen: «Dann brennt es wie Feuer vom Magen herauf.» Die 70-Jährige muss dann mitten in der Nacht aufstehen, um eine Tablette mit etwas Brot und Wasser hinunterzuspülen. Seit 20 Jahren schluckt sie Tabletten, die die Produktion von Magensäure bremsen: Protonenpumpen-Hemmer. Zuerst war es Antramups, dann Nexium und heute Esomep. Der Grund: Bei einer schweren Operation mussten die Ärzte einen Teil ihrer Speiseröhre entfernen. Seither ist der Verschluss des Magens nicht mehr dicht, und die Magensäure gelangt in die Speiseröhre. Dank der Tabletten wird sie nicht mehr angegriffen.
Die Protonenpumpen-Hemmer kommen in der Schweiz massenhaft zum Einsatz. Das belegen die Zahlen des Herstellerverbands Interpharma. 2012 gehörte eines dieser Mittel – Pantoprazol Nycomed – zu den 20 am häufigsten verschriebenen Medikamenten. Zudem: Während es 2004 insgesamt 1,84 Millionen Packungen waren, stieg die Menge bis 2012 auf rund das Doppelte (siehe Grafik). Seit drei Jahren gehen einige dieser Magenmittel auch rezeptfrei über den Apothekertresen, z. B. Gastropant, Antrapro oder Pantozol Control.
Nur: Viele Patienten würden diese Pillen überhaupt nicht brauchen. Magen-Darm-Spezialist Dominique Criblez vom Kantonsspital Luzern sagt: «Ärzte verschreiben diese Medikamente häufig, ohne dass es einen klaren medizinischen Grund gibt.» So etwa bei einem Reizmagen (funktionelle Dyspepsie). Patienten spüren ein Völlegefühl, es drückt im Magen und Luft stösst auf. Criblez: «Heute weiss man, dass die Magensäure bei dieser Krankheit keine grosse Rolle spielt.» Trotzdem würden Ärzte dagegen noch immer «massenhaft» Protonenpumpen-Hemmer verordnen. Ein Grund: Bei Krankheiten, die durch Magensäure verursacht sind, bessern die Mittel die Beschwerden schnell und haben kurzfristig kaum Nebenwirkungen. «Das macht sie für Arzt und Patient attraktiv und verleitet dazu, sie auch bei anderen Magenproblemen einzusetzen», so Criblez.
Doch schluckt man Protonenpumpen-Hemmer über Jahre hinweg regelmässig, sind sie keineswegs mehr harmlos:
- Kürzlich veröffentlichten Ärzte des Unispitals in Parma (I) eine Studie: Sie hatten 500 Senioren untersucht, die aus dem Spital entlassen worden waren. Diejenigen, die Protonenpumpen-Hemmer schluckten, hatten ein grösseres Risiko, innerhalb eines Jahres zu sterben.
- Die Mittel können langfristig den Knochen schaden und zu Brüchen an der Hüfte führen. Besonders gefährdet sind Raucherinnen und ehemalige Raucherinnen.
- Patienten erleiden häufiger Darminfekte.
- Die Gefahr von Allergien auf Lebensmittel wie Milch, Getreide, Erdnüsse und Rüebli könnte steigen, da sie nicht mehr richtig verdaut werden.
- Die Medikamente vermindern die Magensäure so stark, dass der Körper bestimmte Nährstoffe nicht mehr so gut aufnehmen kann, z. B. Vitamin B12, Magnesium und Kalzium.
Magen-Darm-Spezialist Criblez sagt: «Solche Risiken muss man ernst nehmen.» Laut Michael Fried, Chefarzt der Magen-Darm-Klinik am Unispital Zürich, seien sie zwar gering. «Aber bei einer jahrelangen Einnahme ist vor allem die Gefahr einer Osteoporose und von Darminfekten nicht unbedeutend.» Eine dauerhafte Therapie mit Protonenpumpen-Hemmern sollte deshalb sehr gut begründet sein, so Fried.
Bei Patientin Margrith Bumbacher gehts nicht ohne Tabletten. Sie hat jedoch gemerkt, dass die Ernährung sehr wichtig ist: «Fettes wie Blätterteig, Geräuchertes oder Salznüssli vertrage ich schlecht.» Dies gelte auch für alkoholische Getränke. «Abends esse ich etwas Leichtes wie Suppe oder Fisch und Kartoffeln», sagt Bumbacher. Geholfen habe auch, dass sie abgenommen habe und sich viel bewege.
Abnehmen hilft gegen saures Aufstossen
Arzt Michael Fried bestätigt: «Übergewicht ist eine der wichtigsten Ursachen für saures Aufstossen.» Abnehmen könne die Beschwerden deutlich bessern. Dies belegte kürzlich eine Studie der norwegischen Uni Trondheim. Übergewichtige Teilnehmer litten deutlich seltener an Sodbrennen, nachdem sie abgespeckt hatten.
Ein wirksames Mittel hat auch Claudio Bernasconi (Name geändert) gefunden: Azuki-Bohnen. Die getrockneten asiatischen Böhnchen gibts in Reformhäusern. Wenn sich die Magensäure bemerkbar macht, schluckt Bernasconi vier rohe Azuki-Bohnen mit etwas Wasser: «Die Beschwerden verschwinden innert Kürze», so der 67-Jährige.
Takeda, Herstellerin der Protonenpumpen-Hemmer Agopton und Pantozol, sagt, bei richtiger Anwendung überwiege der Nutzen der Medikamente die möglichen Risiken. Diese würden mit Faktoren wie dem Alter sowie weiteren Krankheiten zusammenhängen. Die Hersteller Astrazeneca und Eisai Pharma nahmen zu den Kritikpunkten nicht Stellung.
Tipps: Das lindert Sodbrennen
- Vermeiden Sie Übergewicht.
- Legen Sie sich nach dem Essen 2 bis 3 Stunden nicht hin.
- Nehmen Sie wenig Kaffee und Pfefferminztee zu sich.
- Essen Sie leicht, langsam und nicht zu viel aufs Mal.
- Essen Sie viel Gemüse und Obst (ausser Zitrusfrüchte).
- Schlafen Sie mit erhöhtem Oberkörper.
- Tragen Sie keine engen Kleider und Gürtel.
- Kartoffelsaft, Mandeln und Leinsamen lindern die Beschwerden.
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