Generika kosten in der Schweiz nach wie vor viel mehr als im Ausland. Für die Nachahmerpräparate von Originalen, deren Patent abgelaufen ist, müssen Schweizer Patienten im Durchschnitt 50 Prozent mehr bezahlen als in sechs europäischen Vergleichsländern. Das zeigt ein im Februar veröffentlichter Preisvergleich des Krankenkassenverbands Santésuisse und des Pharmaverbands Interpharma.
Ein Grund für die hohen Preise: Zwei Pharmahersteller dominieren den Schweizer Markt. Sie verkaufen zusammen 70 Prozent aller kassenpflichtigen Generika in der Schweiz (siehe Grafik). Die Basler Mepha Pharma AG hatte laut Santésuisse letztes Jahr mit 316 Millionen Franken Umsatz einen Marktanteil von 35,9 Prozent. Sandoz Pharmaceuticals in Rotkreuz ZG erzielte fast 300 Millionen Franken Umsatz und hatte einen Marktanteil von 34 Prozent. Beide zusammen steigern laut Santésuisse seit vier Jahren Umsatz und Marktanteile auf Kosten kleinerer Hersteller. Mepha gehört dem israelischen Teva-Konzern, Sandoz zu Novartis.
«Höchstpreisregeln werden nur selten unterboten»
Andreas Schiesser von Santésuisse wirft den beiden Firmen vor, die behördlichen Höchstpreisregeln für Generika «nur selten ernsthaft zu unterbieten».
Experten wundert das nicht. Laut dem Volkswirtschafter Ulrich Kaiser, Professor an der Uni Zürich, «einigen sich zwei dominante Marktteilnehmer oft indirekt auf möglichst hohe Preise». So verdienen sie am meisten Geld mit ihren Produkten. Auch für Reiner Eichenberger, Wirtschaftsprofessor an der Uni Freiburg, ist klar, dass «beide Firmen keinen Grund haben, ihre Preise zu senken». Sie hätten zudem die Möglichkeit, «mit gezielten Aktionen» kleinere Konkurrenten abzuschrecken, die günstigere Preise anbieten wollen.
Sandoz und Mepha bestreiten Preisabsprachen. Ihre generell höheren Preise rechtfertigen beide mit zusätzlichen Dienstleistungen für Patienten und Ärzte wie schnelle Lieferzeiten, Extra-Informationsmaterial und Weiterbildungen. Mepha behauptet, seine Generika-Preise in der Schweiz seit 2010 halbiert zu haben.
Gesetze behindern den Zugang ausländischer Hersteller
Die Politiker unternehmen wenig gegen die Dominanz der zwei Platzhirsche. Wirtschaftsprofessor Eichenberger fordert: «Ausländische Anbieter müssen leichter in den Schweizer Markt eintreten können.» Genau das verhindern mehrere Schweizer Gesetze, wie folgende Beispiele zeigen:
- Extra-Zulassungen: Wer ein Generikum in der Schweiz verkaufen will, braucht Extra-Zulassungen der hiesigen Behörden, auch wenn das Präparat in der EU und den USA bereits im Handel ist. Die Zulassungen kosten happige Gebühren (saldo 17/13).
- Vorschriften: Sollen die Krankenkassen die Kosten eines Generikums erstatten, muss der Hersteller speziell für die Schweiz sämtliche Packungsgrössen, Dosierungen und Formen des Originals anbieten und Infos auf der Verpackung in drei Landessprachen aufdrucken. Folge: Die Branche klagt, dass die verkauften Stückzahlen vieler Präparate unrentabel seien.
- Fehlanreize: Apotheken und Ärzte, die Medikamente abgeben dürfen, verkaufen lieber teure Mittel als billige. Das bestätigt eine saldo-Stichprobe bei Generika (3/12). Ein Hauptgrund dafür ist, dass Apotheker und Ärzte mehr an teuren Präparaten verdienen als an günstigen. Ein Beispiel: Ein Apotheker oder Arzt streicht bei der Abgabe von 100 Tabletten des Original-Cholesterinsenkers Sortis Fr. 33.46 ein, beim teuersten Generikum Atorvastatin von Helvepharm Fr. 24.10, beim günstigsten von Drossapharm nur Fr. 23.17. So will es die behördliche Margen-Ordnung. Eichenberger kritisiert solche Fehlanreize, welche die Medikamentenkosten in die Höhe treiben.
Rabatte gehen an Ärzte und nicht an die Patienten
Ein grosses Problem sind für kleinere Generikahersteller auch intransparente Rabatte. Diese sind zwar verboten, aber bisher straffrei. Grosse Generika-Verkäufer profitieren davon besonders. Beispiel: Konzerntöchter wie Sandoz oder Actavis liefern Ärztenetzwerken wie Medix Generika mit Preisrabatten von bis zu 80 Prozent (saldo 13/13). Ein Apotheker berichtete saldo, dass ihm Actavis bis zu 45 Prozent Rabatt auf gängige Antibiotika offerierte. Die Firma bot ihm auch eine Rückvergütung von 25 Prozent, wenn sein Jahresumsatz mit ihren Präparaten 30 000 Franken überschreiten würde. Actavis wollte das nicht kommentieren (saldo 13/13).
Diese vertraulichen Rabatte haben Folgen: Am Ende zahlen Patienten zu hohe Preise für Generika. Rabatte und Kickbacks, die ihnen laut Gesetz zustünden, streichen Ärzte, Krankenkassen und Apotheker ein (saldo 13/13 und 15/13).
Gegen die internationalen Konzerne können kleinere Hersteller auf Dauer nicht mithalten: Helvepharm wurde 2009 vom französischen Pharmakonzern Sanofi übernommen, Actavis 2010 vom US-Generikahersteller Watson. Die sieben umsatzstärksten Generika-Unternehmen der Schweiz gehören heute internationalen Konzernen.
Kleinere Schweizer Firmen wie Streuli, Drossapharm oder Axapharm kamen 2014 laut Santésuisse zusammen auf 4,5 Prozent Marktanteil. Ein Firmenchef sagt: «Wir sind zu klein, um den Grossen Paroli zu bieten.»