Die Geschichte sorgte in diesem Sommer in ganz Europa für Aufregung bei Patienten und Behörden: Chinesische Präparate des Blutdrucksenkers Valsartan waren mit dem Krebsgift Nitrosamin verunreinigt. Auch die Schweizer Generikahersteller Axapharm, Helvepharm, Mepha Pharma und Spirig Healthcare mussten ihre Medikamente aus den Apotheken zurückrufen.
Quelle der Verunreinigung war die chinesische Firma Zhejiang Huahai Pharmaceutical. Sie produzierte den Wirkstoff im Auftrag der Hersteller (siehe Unten).
Mit der Rückrufaktion der Hersteller sind die Probleme noch nicht ausgestanden. Experten befürchten, dass auch andere Generika mit Nitrosamin verseucht sein könnten. Die deutschen Chemiker Helmut Buschmann und Ulrike Holzgrebe fordern in der «Deutschen Apotheker-Zeitung», die Behörden müssten weitere Medikamente mit ähnlichen Wirkstoffen untersuchen. Blutdrucksenker wie Candesartan, Irbesartan oder Losartan seien chemisch ähnlich aufgebaut wie Valsartan. Auch diese Sartane sind in der Schweiz zugelassen.
Die Entdeckung des Krebsgifts in den Medikamenten wirft ein Schlaglicht auf Importe aus Asien. Axel Müller, Geschäftsführer des Branchenverbands Intergenerika, schätzt, dass rund 80 Prozent der in der Schweiz verkauften Generika-Wirkstoffe aus Indien und China stammen. Doch diese Information ist für Patienten nicht ersichtlich: Die Hersteller müssen das Herkunftsland der Wirkstoffe nicht auf der Verpackung aufdrucken.
Fachleute kritisieren dies scharf. Etzel Gysling, Arzt und Herausgeber der Fachzeitschrift «Pharma-Kritik», sagt: «Wir dürfen von jedem Kopfsalat wissen, wo genau er produziert wurde. Bei viel heikleren Produkten wie den Arzneimitteln ist es uns dagegen verwehrt, den Herstellungsort zu kennen.» Dies zeige «einmal mehr», dass die Heilmittelbehörden die Interessen der Industrie höher werten als jene der Patienten.
Patienten sind nicht auf Valsartan angewiesen
Die gute Nachricht: Patienten sind nicht auf diese Blutdruckmittel angewiesen. Es gibt bessere. Wolfgang Becker-Brüser, Herausgeber der Fachzeitschrift «Arznei-Telegramm», sagt, Valsartan sei «überbewertet und weitgehend entbehrlich». Das «Arznei-Telegramm» empfiehlt betroffenen Patienten, zu einem anderen Blutdrucksenker zu wechseln. Beispielsweise zu Mitteln wie Lisinopril, Cibacen oder Ramipril. Sie gehören zur Gruppe der ACE-Hemmer. Auch Pharmakritiker Etzel Gysling sagt, deren Nutzen sei besser belegt. Ein Vergleich der Forschergruppe Cochrane Collaboration zeigte vor vier Jahren: ACE-Hemmer können vor Herzkrankheiten und dem Herztod schützen – bei den Sartanen ist das weniger gut bewiesen. Auch bei Herzschwäche und Diabetes zeigten diverse Studien Vorteile der ACE-Hemmer.
Ihr einziger Nachteil: Sie haben mehr Nebenwirkungen. Ungefähr einer von zehn Patienten bekommt einen Reizhusten. Selten tritt zudem Wasser im Gewebe auf. Der Herzspezialist Jochen Schuler, Mitherausgeber des «Arzneimittelbriefs», sagt: «Bei den Sartanen kommen diese Nebenwirkungen seltener vor.» Schuler rät, zuerst einen ACE-Hemmer zu probieren. Nur wenn man diesen nicht ver-trägt, solle man zu einem Sartan wechseln.
Die Firma Novartis schreibt, alle Sartane, die der Konzern und die dazugehörige Firma Sandoz verkaufen, würden die Vorschriften der Behörden erfüllen. Novartis überprüfe zurzeit, wie die Wirkstoffe hergestellt werden. Studien hätten bewiesen, dass Valsartan den Blutdruck und das Risiko von Herzkrankheiten senke. Der Generika-Hersteller Mepha sagt, er habe seine Sartane, die noch im Handel sind, untersucht. Sie seien nicht mit Nitrosaminen verunreinigt.
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Chinesische Pharmafabrik: Bereits früher schwere Mängel gefunden
Anfang Juli machte die Heilmittelbehörde Swissmedic publik, woher die verunreinigten Blutdruckmittel stammen: Von der Firma Zhejiang Huahai Pharmaceutical in der chinesischen Stadt Linhai. Sechs Jahre lang lieferte die Fabrik den verunreinigten Wirkstoff für das Medikament Valsartan in die Schweiz. Der Branchenverband Intergenerika schätzt, dass rund 14000 Patienten in der Schweiz Valsartan-Produkte mit dem Krebsgift Nitrosamin schluckten.
Mitarbeiter der US-amerikanischen Heilmittelbehörde FDA hatten bereits vor zwei Jahren schwere Missstände vorgefunden, als sie die chinesische Fabrik besuchten. Die Testresultate ergaben auffällige Werte, aber niemand habe versucht, den Grund zu ermitteln. Die Inspektoren der US-Heilmittelbehörde berichteten auch von Hygienemängeln und rostigen Schrauben in der Fabrik. Die Heilmittelbehörde Swissmedic hatte davon keine Kenntnisse.
Der Skandal wurde nur zufällig aufgedeckt, durch einen anonymen Tipp aus der Pharmabranche. Das zeigen Recherchen der deutschen Zeitung «Der Tagesspiegel».
Mitte August wurde bekannt, dass auch die chinesische Firma Zhejiang Tianyu und der Hersteller Hetero Labs aus Indien verunreinigtes Valsartan produziert hatten.