An einem Nachmittag in der Beatushöhle im Berner Oberland: Kühle Luft zieht durch die Höhle. Mal rauscht der Bach, mal hört und spürt man einzelne Tropfen von weit oben, später ist es plötzlich ganz still. In grossen Hallen sieht man gewaltige Tropfsteine. In unzähligen kleinen Wasserlachen spiegeln sich faszinierende Steine.
Nach einem Kilometer hört der befestigte Weg auf: «Ende» heisst es in grossen Lettern an der Wand. Weiter geht es ab hier nur für Höhlenforscher wie Martin Achtman aus Bern. Der 44-Jährige springt in den Bach. Seine Gummistiefel stehen bis zur Hälfte im eiskalten Wasser. Nach wenigen Schritten ist es dunkel. Nur die Stirnlampe am Helm leuchtet. In diesem Licht wirkt der Kalkstein bizarr geformt. «Höhlen faszinieren mich», sagt Achtman. «Besonders dann, wenn darin auch Wasser fliesst.»
Auch in der Beatushöhle gibt es Wasser. Die Tour abseits der Wege ist deshalb kein Spaziergang: Ab und zu trifft man auf einen Teich, das Wasser ist dort hüfttief. Achtman geht am Rand und hält sich an Felsvorsprüngen fest. Schon bald kommt der erste unterirdische See, um den kein Weg herumführt. Im Wasser liegt eine Metallleiter, welche die Ufer verbindet. Achtman balanciert darauf hinüber, schwingt sich in die Felsspalte am anderen Ufer und klettert zwei Meter hoch. Dort öffnet sich ein mehrere Meter hoher Saal. Laut tost das Wasser, das durch die Beatushöhle über einen Wasserfall in den Thunersee stürzt. Die Luft ist feucht, im Licht der Stirnlampe funkeln unzählige Tröpfchen.
«Man wird durch nichts abgelenkt»
Besonders im Hochsommer sind Höhlen angenehm: Meist liegt die Temperatur bei etwa 10 Grad – so kühl, dass man warme Kleider mitnehmen sollte. Tief im Felsen hört man weder Autos noch Flugzeuge oder sonstigen Lärm. Auch das Handy hat keinen Empfang mehr. Psychologe Henri Guttmann aus Winterthur ZH sagt: «Man wird durch nichts abgelenkt und ist ganz auf sich selbst zurückgeworfen.» Man sei ganz im Moment: «Da ist nur noch der Felsen und der Mensch, der sich darin bewegt.» Das helfe gegen Stress und beruhige – ähnlich wie eine Meditation.
Allerdings bekommen manche Leute in Höhlen Angst. Falls das geschieht, ordne man die Angst am besten auf einer Skala von 1 bis 10 ein, sagt Guttmann. «Das hilft, weiterhin rational zu denken.» Klappt das nicht, solle man umkehren. «Manchen hilft es, untereinander ein Codewort abzumachen», sagt er. Wenn jemand das Wort ausspricht, wissen die anderen, was zu tun ist.
Der Gesundheitstipp hat für seine Leser acht Vorschläge für Höhlenbegehungen in der Schweiz zusammengestellt. Sechs Höhlen sind gut gesichert und einem breiten Publikum zugänglich. Fachleute sprechen von Schauhöhlen. Zwei Höhlen – das Nidlenloch SO und die Grotte de la Cascade NE – sind anspruchsvoller und nicht für alle geeignet. Doch auch Ungeübte können sie mit der nötigen Ruhe und Vorsicht «befahren», wie es im Jargon der Höhlenforscher heisst.
Feengrotte im Wallis: Für Familien geeignet
Das Hölloch im Kanton Schwyz ist mit 204 Kilometern die längste Höhle der Schweiz. Beim Hölloch kommt Alana Fry aus Pfaffhausen ZH ins Schwärmen. Als Kind war die Maturandin dort mit ihrem Grossvater unterwegs, einem Höhlenforscher. Am Hölloch mag Fry die Vielseitigkeit: Es gibt Tropfsteine, grosse Schächte und riesige Hallen. Den Eingang zum Hölloch erreicht man durch eine malerische Schlucht im Muotathal. Wer mag, kann die Höhlentour mit einer Wanderung kombinieren: Vom Hölloch führt ein schöner Weg nach Schlattli. Gegenwärtig erforscht Fry Höhlen in der Ostschweiz.
Für Familien mit Kindern eignet sich die Feengrotte im unteren Rhonetal, oberhalb von Saint-Maurice VS. Die Höhle führt zu einem kleinen See, den ein 77 Meter hoher Wasserfall speist. Kinder können in der Höhle auf Schatzsuche gehen. Draussen hat es einen Picknick- und einen Spielplatz.
Auch im Jura gibt es wunderschöne Höhlen. Die Grotten von Réclère liegen in einem Buchenwald hoch über dem Doubstal. In der Höhle finden Besucher einen 20 Meter hohen Saal mit Tropfsteinen, die rund 250000 Jahre alt sind. Hier steht der sogenannte «Dom»: ein Tropfstein, der 15 Meter in die Höhe ragt.
Für Abenteuerlustige bietet sich das Nidlenloch am Hinterweissenstein an. Stephan Billeter von der Gesellschaft für Höhlenforschung sagt: «Das ist die Kinderstube der Schweizer Höhlenforscher.» Der Grund: «Viele packte hier die Faszination für Höhlen im Rahmen von Schulexkursionen.» Das Nidlenloch dürfe man nicht unterschätzen: «Vor allem im tagfernen Bereich hat es tiefe Schächte.» Es brauche Erfahrung, sie zu begehen.
In solchen Höhlen sollte man einige Sicherheitstipps beachten. So empfiehlt es sich, nie allein unterwegs zu sein. Zudem sollte man sich über besondere Gefahren der Höhle informieren und die Wetterprognose beobachten. Mara Zenhäusern von der Beratungsstelle für Unfallverhütung sagt: «Manche Höhlen sind bei Hochwasser sehr gefährlich.» Man solle genügend Verpflegung mitnehmen, bei Unwohlsein absagen und eine Drittperson über das Ziel und den Zeitplan informieren. Auch die richtige Ausrüstung ist wichtig (Kasten «Tipps»).
Forscher suchen nach weiteren Höhlen
Erstaunlich: In der Schweiz sind längst noch nicht alle Höhlen entdeckt. Laut Stephan Billeter sind «zurzeit rund 9000 Höhlen dokumentiert». Die Höhlenforscher entdecken jedes Jahr neue Abschnitte. Auch Martin Achtman treibt die Neugier an. Er gehört zu einem Team von Forschern, die das Höhlensystem Siebenhengste-Hohgant im Berner Oberland erkunden. Es besteht aus mehreren Höhlen, die miteinander verbunden sind, misst insgesamt 164 Kilometer und ist 1340 Meter tief.
Am besten gefällt es Achtman in der Höhle F1: Der Einstieg erfolgt über mehrere Engstellen, bis man den Hauptgang erreicht. Von dort gelangt man schliesslich zu einem über 200 Meter hohen Raum. Dort ändert sich die Akustik: Plötzlich hört man ein Echo. «Dieser riesige Raum ist unglaublich beeindruckend», sagt er. Zurzeit sucht er mit anderen Forschern nach einer Verbindung zum tiefer gelegenen Bärenschacht. Findet man sie, würde das Höhlensystem auf einen Schlag um 84 Kilometer anwachsen. Dann wäre es die längste Höhle der Schweiz.
Tipps: So sind Sie gut ausgerüstet
Tragen Sie warme Kleider – auch bei hochsommerlichem Wetter, denn in Höhlen liegt die Temperatur nicht höher als bei 4 bis 10 Grad Celsius. Packen Sie Ersatzkleider ein.
In Schauhöhlen genügen Wanderschuhe. Bei geführten, abenteuerlichen Touren braucht es Gummistiefel, Helm mit Stirnlicht, Reservelampe, Gummihandschuhe und Schutzoverall. Dies stellen die meisten Veranstalter zur Verfügung.
Nehmen Sie Proviant und pro Person mindestens 1,5 Liter Wasser oder Tee aus der Thermosflasche mit.
Packen Sie eine kleine Apotheke mit Desinfektionsmittel und Pflastern ein.
Falls Sie die Höhlentour mit einer Wanderung verbinden: Nehmen Sie eine Wanderkarte im Massstab 1 : 25000 mit.
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Redaktion Gesundheitstipp, «Höhlen», Postfach, 8024 Zürich, redaktion@gesundheitstipp.ch
Schweizer Höhlen: Sechs Klassiker und zwei anspruchsvolle Touren
Beatushöhlen, BE
Länge der Tour: 1 Kilometer
Aufenthaltszeit: In der Höhle 60 Minuten, mit Museum 2 ½ Stunden
Anreise: Mit dem Zug bis Station Thun oder Interlaken West, dann mit dem Bus bis zur Station Beatushöhlen oder mit dem Schiff bis zur Station Beatushöhle.
Besonderheit: Gewaltige Tropfsteinformationen, weite Hallen und Schluchten, Höhlenmuseum.
Kosten: Erwachsene 18 Franken, Kinder ab 6 Jahren 10 Franken, Familienkarte 49 Franken
Informationen:Beatushoehlen.ch
Feengrotte, VS
Länge der Tour: 1 Kilometer
Aufenthaltszeit: 60 Minuten
Anreise: Mit dem Zug bis Station Saint-Maurice, dann 20 Minuten zu Fuss oder mit dem Postauto bis Haltestelle Grotte aux Fées.
Besonderheit: Ein 500 Meter langer beleuchteter Tunnelgang, 68 Krümmungen, am Schluss wartet ein kleiner See und ein 77 Meter hoher Wasserfall.
Kosten: Erwachsene 10 Franken, Kinder 7 Franken
Informationen:Grotteauxfees.ch
Orbegrotten, VD
Länge der Tour: 1 Kilometer
Aufenthaltszeit: 45–60 Minuten
Anreise: Mit dem Zug bis Station Vallorbe, dann 40 Minuten zu Fuss.
Besonderheit: Tropfsteinhöhle mit unterirdischem Flusslauf der Orbe. Bis in die 1970er-Jahre konnte man nur tauchend einsteigen, heute führen künstlich angelegte Gänge und Galerien in die Höhlen.
Kosten: Erwachsene 15 Franken, Kinder ab 6 Jahren 7 Franken
Informationen:
Grottesdevallorbe.ch
Réclère, JU
Länge der Tour: 1,5 Kilometer
Aufenthaltszeit: 60 Minuten
Anreise: Mit dem Zug bis Station Porrentruy, mit dem Bus bis Station Réclère Les Grottes.
Besonderheit: Nur geführte Touren, 500 Treppenstufen. Sie führen an Stalagmiten und Stalaktiten vorbei in den grossen Saal mit über 15 Meter hohen Stalagmiten. Daneben gibt es im Wald einen prähistorischen Park mit Dinosauriermodellen.
Kosten: Erwachsene 10 Franken, Kinder 6 Franken
Informationen:Prehisto.ch
Hölloch, SZ
Länge der Tour: Ab 600 Meter
Aufenthaltszeit: Ab 2 Stunden
Anreise: mit dem Zug bis Schwyz, mit dem Bus bis Station Hölloch.
Besonderheit: Nur geführte Touren mit guter Ausrüstung möglich. Diese stellt der Anbieter zur Verfügung. Im Winter kann man mehrtägige Touren buchen.
Kosten: Kurzführung 35 Franken, Kinder 15 Franken
Informationen:Hoelloch.ch
Höllgrotten, ZG
Länge der Tour: 1 Kilometer
Aufenthaltszeit: 45 Minuten
Anreise: Ab Bahnhof Zug fahren Busse, z. B. Bus Nr. 2 bis Tobelbrücke-Höllgrotten, dann
25 Minuten zu Fuss.
Besonderheit: Tropfsteinhöhlen im wildromantischen Lorzentobel. Die Höhlen sind farbig beleuchtet. Besucher sollten einen Regenschutz mitnehmen.
Kosten: Erwachsene 12 Franken, Kinder ab 6 Jahren 6 Franken
Informationen:Hoellgrotten.ch
Nidlenloch, SO
Nur für Fortgeschrittene
Länge der Tour: Rund 400 Meter
Aufenthaltszeit: 2 ½ Stunden
Anreise: Mit dem Zug bis Oberdorf. Von dort eineinhalbstündige Wanderung zum Hinterweissenstein. Oder mit der Seilbahn bis Kurhaus Weissenstein, von dort aus 30 Minuten zu Fuss.
Besonderheit: Anmeldung im Restaurant Hinterweissenstein, gegen ein Depot von 20 Franken bekommt man den Schlüssel zur Höhle. Mehrere Anbieter von Führungen.
Kosten: Ab 6 Franken
Informationen:Nidlenloch.ch
Cascade, NE
Nur für Fortgeschrittene
Länge: Rund 300 Meter
Aufenthaltszeit: 2 Stunden
Anreise: Mit dem Zug bis Môtiers.
Besonderheit: Die Grotte de la Cascade ist eine der längsten Höhlen des Kantons Neuenburg. Bei Hochwasser gefährlich.
Kosten: Erwachsene 70 Franken, Kinder 35 Franken
Informationen:
Hoehlentouren-schweiz.ch