Das «schöne Lächeln» seiner Patienten sei sein Ziel, schreibt Zahnarzt Catalin Mihail aus Geroldswil ZH auf seiner Website. Doch Bosiljka Passerini ist es nicht zum Lächeln zumute. «Ich habe einen sehr langen Leidensweg hinter mir», sagt die 55-Jährige. Sie wohnt im Geroldswiler Ortsteil Fahrweid. Im Juni 2014 setzte ihr Zahnarzt Mihail zwei Implantate ein, an denen alle künstlichen Zähne des Oberkiefers befestigt wurden. Das kostete die Patientin 7680 Franken.
Implantate sind Schrauben aus Titan. Darauf montieren die Zahnärzte einzelne Zähne oder ganze Prothesen. Zwei Jahre nach der Behandlung fiel Bosiljka Passerini ein Implantat beim Reinigen heraus. «Ich erschrak und hätte die Schraube fast verschluckt», erinnert sie sich. Später löste sich auch das zweite Implantat.
Arthritis-Medikamente vor Eingriffen absetzen
Bosiljka Passerini war verzweifelt. Monatelang hatte sie grosse Probleme beim Essen. Catalin Mihail bot ihr an, die Zähne für 8967 Franken zu sanieren. Doch sie hatte das Vertrauen verloren und wandte sich an die Patientenstelle Zürich. Diese wirft dem Zahnarzt einen Behandlungsfehler vor. Denn als Mihail die Implantate setzte, spritzte die Patientin Medikamente gegen Arthritis. Sie erhöhen das Risiko, dass ein Implantat nicht hält. Das Universitätsspital Zürich rät, solche Medikamente – z.B. Humira und Enbrel – sechs bis acht Wochen vor einem Eingriff abzusetzen.
Die Implantat-Stiftung Schweiz schrieb im letzten Herbst in einer Medienmitteilung, die Zahl der Problemfälle steige. Der Grund liege darin, dass vermehrt Zahnärzte ohne die nötige Ausbildung und Erfahrung Implantate setzen würden. Jeder Zahnarzt darf Implantate setzen. Doch die Ausbildung war lange Zeit nicht einheitlich geregelt. Erst seit ein paar Jahren gibt es den Weiterbildungsausweis für Implantologie. Er belegt, dass Zahnärzte die nötige Erfahrung haben. Bisher haben nur knapp 100 Zahnärzte diesen Ausweis erworben (siehe «Tipps»).
Barbara Callisaya, Leiterin der Patientenstelle Zentralschweiz in Luzern, bestätigt: «Bei uns melden sich oft Patienten wegen Problemen.» Manche Zahnärzte würden möglichst oft Implantate empfehlen – auch wenn eine Wurzelbehandlung, eine Brücke oder eine Teilprothese eine Alternative wäre. «Die Zahnärzte verdienen mehr mit Implantaten», so Callisaya.
Auch Monique Meyer aus Rain LU hatte grosse Probleme mit Implantaten. Sie stammten aus der Praxis Edelweiss in Luzern. Den Preis für den Knochenaufbau und sieben Implantate veranschlagte Praxischef Willi Schmidt auf rund 27 000 Franken, die Hälfte verlangte er als Anzahlung. Das Resultat der fast zwei Jahre langen Behandlung: Die künstlichen Zähne fielen Monique Meyer immer wieder heraus. Zudem entzündete sich das Zahnfleisch und sie konnte nicht mehr richtig essen. «Ich ging nicht mehr aus, war verzweifelt und weinte oft», erinnert sich die 71-Jährige.
Der Luzerner Kantonszahnarzt stellte bei Schmidts Arbeit schwere Mängel fest. In einem Gutachten schreibt er, die künstlichen Zähne würden «trotz mehrfacher Anfertigung und Umänderung» den Richtlinien der Zahnmedizin nicht entsprechen. Die Brücken seien weder stabil noch passgenau. Der Zahnarzt habe die Implantate «ohne Planung und scheinbar ziellos» eingesetzt.
Zähne sollte man möglichst erhalten
Meyer wandte sich ans Zentrum für Zahnmedizin der Uni Zürich. Es stellte fest: Wenn man das ganze Gebiss sanieren müsste, würde das über 100 000 Franken kosten. Noch immer kann Meyer Äpfel oder Brot nur essen, wenn sie sie zuvor mit dem Messer zerkleinert. Monique Meyer ist nicht die einzige Patientin, die nach der Behandlung durch Willi Schmidt Probleme bekam. Die Luzerner Gesundheitsbehörde entzog ihm die Bewilligung, im Kanton Luzern als Zahnarzt zu arbeiten.
Andrea Kunz, Beraterin bei SPO Patientenschutz, warnt vor falschen Erwartungen: «Natürliche Zähne sind immer besser. Man sollte sie flicken, wenn es möglich ist.» Sie seien angenehmer beim Essen, weil sie federn, wenn man fest zubeisst. Dazu kommt: Mit Implantaten muss man die Zähne besonders gründlich putzen. Sonst ist das Risiko gross, dass sich das Zahnfleisch entzündet, der Knochen sich zurückbildet und die Implantate verloren gehen. Die gleiche Gefahr droht bei Diabetes, Rauchen und Parodontose. Kunz fordert, Zahnärzte müssten Patienten darauf aufmerksam machen: «Leider raten einige Zahnärzte selten bis nie von Implantaten ab.»
Zahnarzt Catalin Mihail sagt, er habe Patientin Bosiljka Passerini vor dem Eingriff informiert, dass die Implantate herausfallen könnten, weil der Kieferknochen zu schwach gewesen sei. Die Pharmafirma AbbVie bestätigt, dass durch das Medikament Humira das Immunsystems weniger auf Infekte reagieren kann. Es liege im ärztlichen Ermessen, ob Patienten das Mittel vor einem grösseren chirurgischen Eingriff absetzen müssen.
Tipps: So vermeiden Sie Ärger mit Implantaten
- Zahnärzte mit dem Weiterbildungsausweis für Implantologie finden Sie im Netz auf Implantatstiftung.ch.
- Verlangen Sie einen Kostenvoranschlag, in dem das Ziel der Zahnbehandlung festgehalten ist.
- Fragen Sie in der Praxis nach Alternativen zu Implantaten.
- Holen Sie bei einem anderen Zahnarzt eine Zweitmeinung ein.
- Wenden Sie sich bei Problemen an die Patientenstelle (Tel. 0900 104 123, Fr. 2.20/Min.) oder den SPO Patientenschutz
- (Tel. 0900 56 70 47, Fr. 2.90/Min.)
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