Heike Maurer aus Kreuzlingen TG und ihr Mann wünschten sich ein Kind. Als eine Schwangerschaft ausblieb, vereinbarten sie einen Termin bei einem Urologen. Das Resultat: Maurers Mann ist unfruchtbar. Der Arzt empfahl, das Paar solle sich in einer Kinderwunschklinik beraten lassen. Zweimal machte es dort einen Termin aus – und sagte ihn beide Male kurzfristig wieder ab. «Ich hatte einfach kein gutes Gefühl dabei.» Heike Maurer arbeitet im Gesundheitswesen und weiss deshalb Bescheid über die Möglichkeiten und Risiken der künstlichen Befruchtung.
Vor allem die Hormontherapie findet sie extrem. «Es ist Wahnsinn, was man sich da antut. Das wollte ich meinem Körper, meiner Psyche und unserer Partnerschaft nicht zumuten.» Heike Maurer und ihr Mann entschieden sich schliesslich für ein Leben ohne Kinder. Heute sagt sie: «Wir sind glücklich und geniessen das Leben in vollen Zügen.»
Madeleine Perroulaz ist froh, keine Kinder zu haben. Sie gab damals dem Druck der Gesellschaft nach, Mutter zu werden. Aber sie wurde nicht schwanger: «Mein Körper wollte nicht›», sagt die Yogalehrerin.
Auch die 48-jährige Buchautorin Regula Simon aus St. Gallen ist kinderlos und sagt: «Ich bereue es nicht.» Denn für sie ist klar. Ein erfülltes Leben kann man auch so führen. Wie das geht, beschreibt sie in ihrem Buch «Kinderlos bleiben? Auch OK».
Immer mehr Frauen entscheiden sich für ein Leben ohne Kinder, wie das Bundesamt für Statistik festhält: Vor dreissig Jahren wollte noch jede siebte Frau keine Kinder, heute bereits jede vierte. Die Gründe sind vielfältig: Oft fehlt der geeignete Partner, die Frauen entscheiden sich gegen ein Kind oder dann klappt es einfach nicht.
Studie: Kinderlose Paare sind zufriedener
Die Fortpflanzungsmedizin ist nicht immer eine zuverlässige Hilfe, wie Franziska Wirz von der Beratungsstelle Appella sagt: Sie biete zwar viele Möglichkeiten, aber «der Druck, wenn es dennoch nicht klappt, wird mit jedem gescheiterten Versuch grösser». Letztes Jahr führten nur knapp 30 Prozent der Behandlungen zu einer Geburt.
Studien zeigen, dass ein kinderloses Leben glücklicher sein kann als ein Leben mit Kindern – etwa der «World Happiness Report 2016», der auf einer Umfrage in über 100 Ländern beruht. Die Zufriedenheit war unter den Kinderlosen deutlich höher als bei Paaren mit Kindern.
Eine Untersuchung von Forscher Ranae J. Evenson von der Vanderbilt-Universität im US-Bundesstaat Tennessee liefert eine mögliche Erklärung: Evenson und sein Team fanden heraus, dass Paare, deren Kinder noch daheim wohnen, häufiger depressive Symptome zeigen als Kinderlose. Evenson: «Die emotionalen Anforderungen überwiegen gegenüber der Freude, die ein Kind auslöst.» Zudem sorgen sich viele Eltern um ihre Kinder, obwohl diese volljährig sind. Eine Studie der Open University in England kam zum Schluss, dass kinderlose Paare mit ihrem Partner zufriedener sind als Paare mit Nachwuchs.
Allerdings kommt auch bei kinderlosen Paaren das Glück nicht von alleine. Der Winterthurer Psychologe und Gesundheitstipp- Berater Henri Guttmann sagt: «Es ist wichtig, dass sie etwas finden, das sie verbindet.» Bei Eltern seien dies häufig die Kinder, bei Kinderlosen könne es ein Hobby sein.
Für Bettina Köppel aus Au SG und ihren Mann ist es das Segeln. «Von Marseille bis Australien, das ist unser Ziel», sagt Köppel. Etappenweise verwirklichen sie ihr Vorhaben. Im Winter überquert das Paar den Atlantik. «Mit Kindern wäre ein solches Projekt kaum möglich.»
Heike Maurer (37), Kreuzlingen TG
«Manchmal kommt es mir vor, als müssten wir uns dafür rechtfertigen, dass wir keine Kinder haben und nun auch keine mehr wollen. Das ist schade, denn wichtig ist doch, dass wir mit unserem Leben zufrieden und glücklich sind. Und das sind wir. Ein Leben ohne Kinder ist nicht schlechter, einfach anders. Mein Mann und ich wollten Kinder. Wir versuchten es, aber ich wurde einfach nicht schwanger. Er liess sich testen und es stellte sich heraus, dass er keine Kinder haben kann. Wir machten von Anfang an kein Geheimnis darum. Wir sagten Familie und Freunden, was Sache ist. Sprüche wie <Wir haben vorgelegt, jetzt seid ihr dran› bekommen wir seither zum Glück seltener zu hören.»
Madeleine Perroulaz (51), Arni AG
«Ich bin froh, keine Familie gegründet zu haben. Das ermöglicht mir, für viele Menschen da zu sein. Ich wuchs in einer Familie mit fünf Kindern auf. Dass ich einmal Mutter werde, war für mich damals selbstverständlich. Mit der Heirat Anfang 30 spürte ich plötzlich den Druck, Kinder bekommen zu müssen. Für meinen damaligen Mann und mich fühlte es sich aber nicht richtig an, Eltern zu werden. Wir gaben aber dem Druck nach. Doch mein Körper wollte nicht schwanger werden und zeigte mir eine andere Richtung – nun bin ich Yogalehrerin. Heute nenne ich es <Intelligenz des Körpers›, dass ich nicht schwanger wurde. Der Entscheid für Kinder sollte frei von gesellschaftlichen Erwartungen getroffen werden.»
Bettina Köppel (51), Au SG
«Ich bin dankbar, wie alles gekommen ist. Ich schätze die Freiheiten, die mir dieser Lebensstil ermöglicht. Als junge Frau war ich viel unterwegs, arbeitete im In- und Ausland. In Beziehungen waren Kinder daher nie ein Thema. Anfang 30 wollten mein damaliger Partner und ich eine Familie gründen. Er verstarb an Krebs. Mit 40 war mein Kinder- wunsch sehr gross und ich wollte unbedingt noch Mutter werden. Es hat sich nicht ergeben. Ich brauchte Zeit, das zu akzeptieren. Jetzt bin ich aber mit mir im Reinen. Nun lebe ich wieder in einer Beziehung. Mein Partner hat bereits Kinder aus einer früheren Beziehung – und auch wegen des Alters sind eigene Kinder kein Thema.»