Marianna Berger kann nichts dagegen tun: Plötzlich läuft ihr der Schweiss über das Gesicht. Trotzdem nimmt es die 58-Jährige aus Zürich gelassen: «Der Grund sind ja einfach die Wechseljahre – etwas ganz Natürliches», sagt sie. Zu Beginn der Wechseljahre hatte sie auch immer wieder Hitzewallungen: «Das fühlte sich an wie ein Energieschub, der durch den Körper läuft.» Die hormonellen Turbulenzen veränderten Berger auch psychisch: «Ich wurde sensibler, ungeduldiger und manchmal auch aggressiv.» Doch für sie war klar: «Ich nehme keine Hormone.» Auch ihre Frauenärztin habe davon abgeraten. Denn seit rund zehn Jahren ist bekannt, dass Hormonpräparate fatale Folgen haben können: Betroffene bekommen häufiger Blutgerinnsel, Schlaganfälle, Herzinfarkte und Brustkrebs.
Doch jetzt wittern die Befürworter der Hormontherapie Morgenluft: Sie sprechen von einer «Renaissance der Hormonersatz-Therapie», so der Titel einer deutschen Fachtagung. In der Presse verkünden Fachleute wie der Wiener Uni-Professor Johannes Huber: «Die Hormonersatztherapie trägt zur Emanzipation der Frau bei.» Richtig durchgeführt, sei sie nichts anderes als «das Imitieren der Natur».
«Natürliche» Hormone aus dem Labor
Ärzte verschreiben nicht nur Pillen mit künstlichen Hormonen, etwa Activelle oder Kliogest. Mittlerweile boomen vor allem sogenannte «natürliche» Hormone. Hersteller sprechen von «bioidentischen» Hormonen, weil sie die gleiche chemische Struktur haben wie diejenigen, die der Körper selber produziert. Enthalten sind sie zum Beispiel in Präparaten wie Oestrogel, Divigel, Climara, Progestogel und Utrogestan. Pharmafirmen wie Pfizer und Upjohn produzieren sie in ihren Labors, indem sie Bestandteile von Soja und Yamswurzeln isolieren und chemisch verändern.
Einige Ärzte und Heilpraktiker bewerben diese auf ihren Internetseiten als wahre Jungbrunnen: Das «natürliche» Östrogen soll nicht nur Wechseljahrbeschwerden bessern, sondern auch die Haut jung erhalten, vor Krebs, Herzinfarkt und gar Alzheimer schützen. Dies schreibt zum Beispiel der Arzt Jürg Eichhorn aus Herisau AR auf seiner Website. Ähnlich lautet der Lobgesang auf das «natürliche» Progesteron: Es soll den Schlaf verbessern, Depressionen bekämpfen und die Lust ankurbeln.
Allerdings halten viele Fachleute wenig von diesen Präparaten. Gesundheitstipp-Arzt Thomas Walser kritisiert, dass Begriffe wie «natürlich» und «bioidentisch» etwas vorgaukeln, was die Produkte nicht halten. Die unabhängige US-Fachzeitschrift «Medical Letter» stellt fest: Es sei nicht genügend erwiesen, dass all diese Produkte sicher und wirksam seien. Ärztin Helene Huldi von der Frauenpraxis Runa in Solothurn sagt: «Alle Hormone haben grundsätzlich die gleichen Nebenwirkungen.» Auch «natürliche» Hormone könnten Schlaganfälle, Herzinfarkte und Brustkrebs auslösen. Ein Vorteil sei lediglich, dass sie oft in sehr niedrigen Mengen verschrieben würden und den Körper deshalb weniger belasten.
Arzt Jürg Eichhorn sagt, er setze bei seinen Patientinnen nur kassenzulässige Produkte ein, die von der Arzneimittelbehörde auf Sicherheit und Wirksamkeit geprüft wurden. Arzt Rolf Dünnenberger von der Praxis Medmove verschreibt ebenfalls solche Hormone. Er räumt ein, dass es keine grossen Studien gebe. Für ihn ist das Wichtigste, dass Frauen die Hormone – vor allem das Oestradiol – über die Haut aufnehmen und nicht als Pille. Er kläre seine Patientinnen vorher gut ab, zum Beispiel auf Krebs in der Familie. Zudem überprüfe er regelmässig die Hormonkonzentration im Blut, um «die optimale, kleinste Dosis» herauszufinden.
Mit Akupunktur gegen Hitzewallungen
Frauenärztin Helene Huldi ist nach wie vor überzeugt: «Hormone sollten Frauen nur dann nehmen, wenn sich die Wechseljahrbeschwerden nicht anders behandeln lassen.» Auch wenn die Präparate besser seien als noch vor zehn Jahren, verschreibt sie diese «so kurze Zeit wie möglich und in der niedrigst möglichen Dosis». So hält es auch Ärztin Petra Stute vom Menopausenzentrum des Berner Inselspitals. Nur Frauen, die schon früh – bevor sie 40 sind – in die Wechseljahre kommen, verordnet sie über längere Zeit Hormone, um Krankheiten wie Osteoporose vorzubeugen.
Ob man für eine Hormonbehandlung Pillen, Pflaster oder Gel verwendet, spielt wahrscheinlich keine grosse Rolle: Laut der Fachzeitschrift «Arznei-Telegramm» ist noch unklar, ob die Aufnahme der Hormone über die Haut tatsächlich weniger schädlich ist. Das Brustkrebsrisiko zumindest erwies sich als gleich gross.
Gegen Beschwerden wie Hitzewallungen helfen oft auch alternative Methoden, so Petra Stute, zum Beispiel Akupunktur. Erst kürzlich zeigte eine Studie, die Stute in Zusammenarbeit mit der Uni Bern gemacht hat: Akupunktur besserte die Wallungen bei drei von zehn Frauen. Auch pflanzliche Präparate seien empfehlenswert, zum Beispiel Traubensilberkerze. Gesundheitstipp-Arzt Walser setzt solche Mittel bei seinen Patientinnen ebenfalls häufig ein: «Mit gutem Erfolg», sagt er.
Marianna Berger hat ihren eigenen Weg gefunden, um mit Schwitzanfällen, Wallungen und Stimmungsschwankungen umzugehen. Sie isst mehr Früchte und Gemüse und bewegt sich so viel wie möglich. Eine Zeit lang machte sie Hormon-Yoga. «Die Übungen und das bewusste Atmen taten mir sehr gut.» Am meisten Erfolg habe sie aber mit Klopf-Akupressur. Dabei klopft sie sanft auf bestimmte Punkte am Körper. «Das hilft mir bei fast allen Beschwerden», so Marianna Berger.
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