Am 15. Januar erschien im «Tages-Anzeiger» ein Artikel über Veoza, ein neues Medikament gegen Hitzewallungen. Petra Stute, Leiterin des Menopausen-Zentrums am Inselspital in Bern, sagt im Beitrag: «Theoretisch ist das Präparat für alle Frauen geeignet.» Es verbessere die Lebensqualität, weil Frauen damit weniger schwitzen und besser schlafen würden.
Was die Frauenärztin nicht sagt: Das Medikament ist umstritten. Die Fachzeitschrift «Der Arzneimittelbrief» rät von Veoza ab. Die Frauenärztin Dorin Ritzmann aus Dietikon ZH empfiehlt es «auf keinen Fall». Sie spricht von «experimenteller Medizin», weil die Forscher das Mittel nur wenige Monate lang prüften (Gesundheitstipp 2/2024). Stute war für Veoza-Herstellerin Astellas als «Beraterin» tätig und beteiligte sich an den Studien. Sie trat auch an der Medienkonferenz auf, als die Firma verkündete, dass sie Veoza in der EU verkaufen darf.
Das Menopausen-Zentrum wird mit Steuergeldern finanziert. Es sieht sich «führend in der Wissenschaft, zum Wohle der Frau in ihrer ganzen Vielfalt».
Stute äussert sich auch über Hormonpräparate für Frauen. Im Mai 2023 schrieb sie in einer Beilage der Frauenzeitschrift «Brigitte», Hormone seien «weltweit der Ansatz der ersten Wahl». Auch im Schweizer Fernsehen, im «Blick» und in der «Schweizer Familie» streicht sie angebliche Vorteile der Hormontherapie heraus: Sie verringere das Risiko für Diabetes, Knochenbrüche, Darmkrebs und Demenz und schütze Frauen vor Krankheiten von Herz und Kreislauf schützen.
Was Petra Stute auch hier verschweigt: Die Hormontherapie in den Wechseljahren ist höchst umstritten. Seit Jahren ist bekannt, dass Frauen mit Hormonpräparaten Brustkrebs, Herzinfarkt und Schlaganfall riskieren und dass die Hormone weder Knochenbrüche noch Demenz verhindern. Dafür sind die Mittel gar nicht zugelassen.
Pharmaindustrie finanzierte Studie und Ärzteseminare
Auffallend: Der Beitrag in der «Brigitte» war finanziert von der Firma Theramex – Herstellerin von Hormonpflastern und -gels. Und das ist kein Einzelfall: Die Firma Hexal bezahlte Petra Stute ein Ärzteseminar mit über 10'000 Franken. Auch Hexal stellt Hormonpräparate her. Stute präsentierte im Seminar Studien über Hormontherapie in den Wechseljahren. Ihr Fazit: «Aktuelle Studien unterstützen die günstige Rolle der Hormontherapie.» Die Mittel seien gut für die Seele, machten eine schöne Haut und verbesserten das Gleichgewicht. Stute stützte sich dabei auf ihre eigene Studie von 2022, die untersuchte, wie Frauen und Ärzte Beschwerden der Wechseljahre behandeln. Doch auch diese Studie bezahlte die Pharmaindustrie.
Petra Stute hielt auch ein Referat an der Internetweiterbildung «Psyche in und nach den Wechseljahren – Einfluss einer Hormonersatztherapie» auf der Fortbildungsplattform CME Medipoint. Stute sagt darin: Hormonpräparate könnten bei seelischen Beschwerden «sinnvoll» sein. Hormonhersteller Gedeon Richter unterstützte die Weiterbildung mit 8500 Franken. Auch die von Stute organisierten Kongresse sind von Pharmafirmen wie Merck oder Vifor finanziert.
Fachleute sehen dies kritisch. Gesundheitstipp-Arzt Thomas Walser sagt zu Stutes Rolle beim Medikament Veoza: «Das ist reine Werbung unter dem Deckmantel der Professionalität.» Der deutsche Arzt und Apotheker Wolfgang Becker-Brüser, Herausgeber der deutschen Fachzeitschrift «Arznei-Telegramm», sagt: «Wer als Berater einer Firma Honorare erhält und zugleich Patientinnen zum gleichen Thema berät, hat einen deutlichen Interessenkonflikt.» Besonders kritisch sieht Becker-Brüser Hinweise auf einen angeblichen Nutzen von Hormonen in Bereichen, für die sie gar nicht zugelassen sind: «Damit will man Frauen eine Hormonbehandlung schmackhaft machen», sagt der unabhängige Experte.
Petra Stute studierte im deutschen Münster, ehe sie in Bern Nachfolgerin von Martin Birkhäuser wurde. Ein Frauenarzt, der in Stutes Anfangszeit am Inselspital tätig war, sagt: «Sie war damals in Bern die neue, in der Schweiz noch nicht so bekannte Hormonspezialistin, die in die grossen Fussstapfen von Professor Birkhäuser trat.»
Die Grundlage für ihren Erfolg schuf sie 2013, als sie mit Michael von Wolff ein Praxisbuch über Hormone verfasste. Dieses beschreibt, was Hormone bei Frauen auslösen und wie Präparate wirken. Die Berner Ärztin Theres Blöchlinger sagt: «Das Buch zeigt die komplizierten Zusammenhänge sehr gut auf.» In der Fachwelt habe sie damit viel Anerkennung erhalten. Stute gilt als kompetente und gut vernetzte Referentin. Blöchlinger: «Nach einem solchen Erfolg wird man von der Industrie eingeladen und umgarnt – zuerst, weil man kompetent ist. Und dann muss man aufpassen, dass man nicht für Marketingzwecke instrumentalisiert wird.»
Inselspital: Zusammenarbeit mit Industrie sei «gängige Praxis»
Das Inselspital in Bern schreibt dem Gesundheitstipp, Veoza sei eine «Behandlungsoption» bei Hitzewallungen. Der Nutzen der Hormontherapie würde die Risiken überwiegen. Frauen würden heute Hormone in niedrigeren Dosen bekommen.
Und weiter: Petra Stute stehe in keinem geschäftlichen Verhältnis zu Pharmafirmen. Die Zusammenarbeit mit «Industriepartnern» in Forschungsprojekten sei «gängige Praxis». Bei Astellas habe Stute ihre Expertise in Form eines Internetreferats einfliessen lassen. Die Zusammenarbeit mit Firmen führe sie im Namen der Insel-Gruppe aus, diese sei klar geregelt. Die erwähnten Beträge seien «überzogen und somit falsch».
Die Firma Gedeon Richter hingegen bestätigt den Betrag und schreibt, die Landesärztekammern hätten die Weiterbildung überprüft, eine Einflussnahme durch die Firma sei daher ausgeschlossen.
Astellas schreibt, Expertinnen wie Petra Stute seien «wichtige Partner», da sie medizinisches Wissen und Erfahrung mit Patienten mitbrächten. Merck sagt, die Zusammenarbeit von Industrie und Vertretern des Gesundheitswesens sei klar geregelt. Petra Stute verzichtete gegenüber dem Gesundheitstipp auf eine Stellungnahme.