"Was diese Behörde tut, verkommt zur Farce"
Vor zwei Jahren hat der Bundesrat den Parallelimport gewisser preisgünstiger Medikamente zugelassen. Doch jetzt kommt aus: Die Heilmittelbehörde hat bis heute kein einziges bewilligt.
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Gesundheitstipp 3/2004
17.03.2004
Tobias Frey - tfrey@pulstipp.ch
Es ist der 26. Januar, ein eisig kalter Wintertag. Ein Tisch in einem Industriegebäude in Rotkreuz ZG. Vor Kurt Arnet, Geschäftsführer der Importfirma APS AG türmen sich Mäppchen, Ordner und ein Stapel Briefe. Der Inhalt: Gesuche an die Heilmittelbehörde Swissmedic. Die APS will 21 Medikamente aus der EU in die Schweiz importieren. Schmerzmittel, Antibiotika, Antibabypillen. Patienten sollen für Originalmedikamente 10 bis 15 Prozent weniger bezahlen müssen als bisher. Der Grund: Die APS ...
Es ist der 26. Januar, ein eisig kalter Wintertag. Ein Tisch in einem Industriegebäude in Rotkreuz ZG. Vor Kurt Arnet, Geschäftsführer der Importfirma APS AG türmen sich Mäppchen, Ordner und ein Stapel Briefe. Der Inhalt: Gesuche an die Heilmittelbehörde Swissmedic. Die APS will 21 Medikamente aus der EU in die Schweiz importieren. Schmerzmittel, Antibiotika, Antibabypillen. Patienten sollen für Originalmedikamente 10 bis 15 Prozent weniger bezahlen müssen als bisher. Der Grund: Die APS kann die Originalmedikamente im Ausland günstiger einkaufen.
Die Firma handelt nach dem Willen des Bundesrats: Er hat am 1. Januar 2002 ein neues Heilmittelgesetz in Kraft gesetzt, das solche Parallelimporte ermöglicht. Einzige Auflage: Die Medikamente müssen länger als 10 Jahre auf dem Markt sein. Dann ist der Patentschutz abgelaufen. Dies gilt für Medikamente wie Aspirin, Ponstan, Panadol oder die Antibabypille Diane-35.
Doch seither sind mehr als zwei Jahre verstrichen - und noch keine Firma hat von Swissmedic eine Bewilligung erhalten. Auch die APS nicht. Dafür viele Briefe von Swissmedic. In denen steht zum Beispiel, dass die eingereichten Unterlagen «unvollständig» seien. Doch was fehlt, ist offenbar nicht einmal den Behörden klar: «Zurzeit wird bei Swissmedic abgeklärt, welche (...) Unterlagen wir zwingend brauchen.» Oder einen Monat später: «Wir bitten Sie, die Unterlagen zusammengeheftet, jedoch nicht in einem Ordner oder Schnellhefter abgelegt einzureichen.» So geht das, Monat für Monat.
Für Importeur Kurt Arnet ist mittlerweile klar: «Das gesamte Verfahren ist zur Farce verkommen.» Er hat Fachleute angestellt, die sich auf das Registrieren von Medikamenten spezialisiert haben. Ohne Erfolg. Arnet: «Die Swissmedic machte uns Auflagen, die keine Importfirma einhalten kann.» Beispiele: Sie verlangte im Sommer 2003 plötzlich Qualitätszertifikate für die beteiligten EU-Firmen. Doch weder in der EU noch in der Schweiz sind die Behörden in der Lage, diese zu kontrollieren. Zudem soll APS Medikamente nur aus dem Herstellerland direkt importieren dürfen. Und das erschwert die Organisation massiv.
Nach über einem Jahr hat die Swissmedic der APS schriftlich ein Gespräch angeboten. Mit drohendem Begleitton: «Wenn Sie keine Besprechung wünschen, werden wir Ihnen das Nichteintreten auf Ihre Gesuche verfügen.»
«Verhalten der Behörde grenzt an Rechtsverzögerung»
Der Puls-Tipp hat den Briefwechsel einem juristischen Experten vorgelegt. Sein Fazit: «Die Swissmedic gibt der Firma immer nur gerade so viel Informationen preis, dass sie an einer nächsten Hürde wieder hängen bleibt. Das Verhalten der Behörde ist nicht kundenfreundlich und grenzt an Rechtsverzögerung.» Und: «Es ist schwer verständlich, dass Swissmedic ihre Anforderungen gegenüber der Firma erst im Sommer 2003 formuliert hat.» Die Behörde verlange zudem für ausländische Firmen Zertifikate, die sie selbst in der Schweiz für einen Grossteil der Firmen nicht vergeben könne. Es gebe auch keinen Grund, warum man Medikamente nur direkt aus dem Herstellerland importieren dürfe. «Das ist überformalistisch.» Und: Das Angebot für ein Gespräch mit der Firma hätte bereits vor einem Jahr kommen müssen.
Niklaus Tüller, ehemaliger Kantonsapotheker aus Bern und Kenner der Swissmedic, geht noch weiter: «Die Swissmedic missachtet den politischen Willen, billigere Medikamente in die Schweiz einzuführen. Ihr ist der Schutz der Pharmaindustrie offensichtlich wichtiger.»
Auch Peter Marbet von Santésuisse, dem Verband der Krankenkassen, zeigt sich empört: «Wenn die Swissmedic gegen den Willen von Volk und Bundesrat handelt, muss das ernsthafte Folgen haben.»
Plötzlich sind keine Zertifikate mehr notwendig ...
Swissmedic-Direktor Klaus-Joerg Dogwiler weist die Vorwürfe, die Swissmedic behindere Parallelimporte oder missachte gar den politischen Willen, «mit aller Deutlichkeit» zurück: «Die Swissmedic hat keine Einwände gegen Parallelimporte.» Sie wolle Firmen beim Erarbeiten der notwendigen Voraussetzungen, die für das Erteilen einer Bewilligung notwendig sind, unterstützen.
Die entsprechende Verordnung schreibe klar vor, welche Voraussetzungen die Firmen erfüllen müssten. Das betreffe Qualitätszertifikate und vieles mehr. Die APS müsse nun «auf der Basis der geltenden Regeln ihr Konzept für die Einfuhr und Vermarktung der Produkte erarbeiten» und Swissmedic zur Genehmigung vorlegen. «Deshalb haben wir auch das Gespräch mit der Firma nicht früher abgemacht.» Auch den Vorwurf der Rechtsverzögerung weist Dogwiler von sich: «Das ist absurd. Sie würde dann vorliegen, wenn wir einen Entscheid nicht fällen würden, obwohl die Bedingungen erfüllt sind. Sie sind von Seiten der Firma aber noch nicht erfüllt.»
Dogwiler räumt allerdings Fehler ein: «Bestimmte Formulierungen waren sicher für Aussenstehende missverständlich und formal nicht korrekt. Das Verfahren ist neu, wir sind in einer Aufbauphase. Die Firma APS AG ist die erste Firma, die ein entsprechendes Gesuch eingereicht hat.»
Was merkwürdig ist: Die Swissmedic verneinte noch vor wenigen Wochen, dass es überhaupt Firmen gebe, die Gesuche für den Medikamentenimport eingereicht hätten. Auf eine Nachfrage des Puls-Tipp beharrte Swissmedic auf der Formulierung, dass es keine «Arzneimittelhersteller» gebe, die Gesuche eingereicht hätten. Doch das ist sowieso klar: Arzneimittelhersteller sind die erbittertsten Feinde des Parallelimports. Originalmedikamente aus dem Ausland bedrohen die in der Schweiz teurer verkauften. Niklaus Tüller: «Die Öffentlichkeit muss doch angesichts der hohen Arzneimittelkosten wissen dürfen, ob sich im Bereich Parallelimport etwas tut.»
Darauf angesprochen, «präzisiert» Nicole Wyss, Pressesprecherin von Swissmedic, dass heute noch keine Firma «Arzneimittel parallel importiert».
Am 8. März hat das Gespräch zwischen Swissmedic und APS stattgefunden. Und plötzlich geht es auch anders: Die Swissmedic beharrt nicht mehr auf den fragwürdigen Qualitätszertifikaten, wie sie der Firma APS nun auch schriftlich zugesichert hat. Doch die erste Bewilligung für den Import von preisgünstigen Medikamenten lässt noch immer auf sich warten.
«Swissmedic missachtet den politischen Willen» - Niklaus Tüller, ehemaliger Kantonsapotheker
«Swissmedic hat nichts gegen Parallelimporte» - Swissmedic-Direktor Klaus-Joerg Dogwiler