Das Wasser der Simme schiesst über eine Länge von mehreren Hundert Metern ins Tal. Im hintersten Winkel des Berner Simmentals führt der Wanderweg ganz nah an den schäumenden und tosenden Wassermassen vorbei. In der Luft glitzert Wasserstaub. Das Wasser donnert mit grosser Wucht über die Felsen. Weiter oben, bei der idyllischen Alp Rezliberg, hält die Simme eine weitere Überraschung bereit: Am Fuss der steilen Felsen strömt der Bergfluss gleich aus mehreren Felsspalten.
Im Sommer sind Wasserfälle ein ideales Ziel: Das Wandern bringt den Kreislauf auf Touren, der Wasserfall kühlt ab und erfrischt. Ab einer Fallhöhe von 20 Metern löst sich das Wasser in feine Tröpfchen auf. Besucher bekommen nicht selten eine Wolke davon ab, so auch an den Simmenfällen. Zudem erzeugt das fallende Wasser einen erfrischenden Wind.
Wassertröpfchen lindern Allergien und Asthma
Wasserfälle können bei Menschen mit einer Allergie oder Asthma die Symptome lindern. Der Grund: Beim Aufprall des Wassers auf Felsen entstehen elektrisch geladene Luftteilchen. Eine kleine Studie mit 54 Kindern, die an Asthma leiden, zeigte vor fünf Jahren: Es ging den Kindern besser, wenn sie sich in den Ferien jeden Tag in der Nähe der Krimmler-Wasserfälle, der höchsten in Österreich, aufhielten. Der Effekt hielt sogar vier Monate nach den Ferien noch an. Bernd Kerschner, Leiter der Website Medizin- Transparent, sagt dazu: «Die Studie macht Eltern asthmageplagter Kinder Hoffnung.» Es seien allerdings grössere Untersuchungen nötig.
Eine neue Studie mit 91 Pflegefachleuten ergab zudem eine positive Wirkung aufs Immunsystem und auf das seelische Befinden. Dies bei denjenigen Teilnehmern, die in den Ferien wanderten und sich eine Stunde pro Tag dem Sprühnebel eines Wasserfalls aussetzten. Beide Studien wurden von der Paracelsus Medizinische Privatuniversität in Salzburg (A) durchgeführt.
Der höchste Wasserfall ist im Berner Oberland
Weil es in der Schweiz so viele Wasserfälle gibt, sind Wanderungen für jeden Fitnessgrad möglich. Der Gesundheitstipp hat einige besonders lohnende Touren ausfindig gemacht. Darunter sind anspruchsvolle Wanderungen in den Alpen mit vielen Höhenmetern, aber auch gemütliche im Mittelland.
Der Zürcher Geograf Christian Schwick ist seit vielen Jahren von Wasserfällen begeistert: Er hat in der ganzen Schweiz bereits rund 600 besucht. Die spektakulärsten hat er in einem Wanderbuch vorgestellt. «Man kann Wasserfälle gut mit Kindern besuchen und unterwegs Würste bräteln», sagt Schwick.
Die meisten Wasserfälle gibt es am Alpennordhang – von den Berner bis zu den Bündner Alpen. Der höchste liegt im Lauterbrunnental im Berner Oberland: der 417 Meter hohe Mürrenbachfall. Zudem findet man in keinem anderen Tal so viele Wasserfälle, es sind über 70.
Ruhe und Entspannung im Mittelland
Allerdings muss man nicht ins Berner Oberland fahren, um Wasserfälle zu erleben. Grafiker Michel Brunner aus Glattbrugg ZH wandert am liebsten zu Zielen, die nicht weit von seinem Wohnort liegen: «Wenn man Ruhe und Entspannung sucht, besucht man besser einen Wasserfall im Mittelland statt in die Alpen zu fahren», sagt er. «Oft bilden die Bäche Kaskaden, die über mehrere Stufen plätschern. Das wirkt entspannend.»
Auch im dicht besiedelten Kanton Zürich gibt es laut Brunner viele Wasserfälle. Zwar nicht so hohe wie im Lauterbrunnental. Dennoch hat er zusammen mit seinem Vater alleine im Kanton Zürich Hunderte Wasserfälle ausgemacht. Kriterium: Mindestens mannshoch müssen sie sein. Besonders schön ist laut Brunner eine Rundwanderung im Tösstal, bei der man – mit Start am Bahnhof Rämismühle-Zell – Wasserfälle in zwei Tobeln sehen kann.
Ein weiterer Vorteil des Wanderns im Mittelland: Wenn ein Wasserfall ein genügend grosses Becken ausgehöhlt hat, kann man darin baden. In den Alpen ist das wenig ratsam. Christian Schwick sagt: «Wenn es weiter oben, im Einzugsgebiet des Bachs, ein Gewitter gibt, kann ein Wasserfall plötzlich stark anschwellen.» Deshalb solle man auf allfällige Wolken achten, bevor man ins Bachbett hineingehe. Zudem ist das Wasser von Bergbächen mit nur 5 bis 10 Grad auch im Sommer sehr kalt.
Mutzbachfall, Emmental BE
Route: Ab Bushaltestelle Riedtwil durch das Mutzbachtal mit seinem Wasserfall. Von dort kurzer, steiler Aufstieg durch den Wald nach Rüedisbach und durch hügeliges Gelände nach Wynigen.
Wanderzeit: 2,5 Stunden
Aufstieg: 167 Meter
Abstieg: 134 Meter
Schwierigkeitsgrad: T21
Infos: Wandersite.ch/Tageswanderung/741_Bern.html
Simmenfälle/Iffigfall, Simmental BE
Route: Mit dem Bus vom Bahnhof Lenk zu den Simmenfällen. Von dort Aufstieg zur Quelle der Simme bei den «Sieben Brünnen» auf der Alp Rezliberg.
Aufstieg zur Langermatte und Abstieg zum Iffigfall (Bushaltestelle).
Mit dem Bus zurück nach Lenk.
Wanderzeit: 4 Stunden
Aufstieg: 752 Meter
Abstieg: 538 Meter
Schwierigkeitsgrad: T21
Infos: Wanderungen.ch
Giessen, Hauenstein-Region BL
Route: Von der Bahnstation Sommerau (an der Hauenstein-Linie) durch den Stierengraben zum Wasserfall «Giessen». Weiter über hügeliges Gelände zum Wasserfall des Eibachs bei Zeglingen und nach Oltingen (Bushaltestelle).
Wanderzeit: 3,5 Stunden
Aufstieg: 263 Meter
Abstieg: 134 Meter
Schwierigkeitsgrad: T11
Infos: Pundw.ch/web/-in-der-nordwestschweiz
Seerenbachfälle, Walensee SG
Route: Von Weesen dem Walensee entlang nach Betlis. Kurzer Aufstieg zur Plattform bei den Seerenbachfällen und der Rinquelle. Zurück auf Wanderweg, Aufstieg bis Bidem, Abstieg nach Quinten.
Wanderzeit: 3, 5 Stunden
Aufstieg: 449 Meter
Abstieg: 539 Meter
Schwierigkeitsgrad: Weesen–Seerenbachfälle T21, Seerenbachfälle–Quinten T31
Infos: Amden-weesen.ch ] Erlebnisse ] Top-Wanderwege
Wasserfallarena, Weisstannental SG
Route: Ab Busstation Weisstannen-Oberdorf durchs Tal des Gufelbachs zum Talkessel von Batöni mit drei grossen Wasserfällen (Piltschinabachfall, Sässbachfall, Muttenbachfall). Zurück auf dem gleichen Weg.
Wanderzeit: 3,5 Stunden
Aufstieg: 532 Meter
Abstieg: 532 Meter
Schwierigkeitsgrad: T21
Infos: Heidiland.com ]Erlebnisse ] Kunst, Kultur ] Orte des Staunens ] Routen
Vier Wasserfälle, Maderanertal UR
Route: Ab Bergstation der Seilbahn Bristen-Golzeren zum Golzerensee. Aufstieg zur Alp Stäfel. Abstieg nach Sass. An den Milchbachfällen und dem
Sidensackfall vorbei zum Hotel Maderanertal.
Blick auf Lammerbachfall und Stäuber auf der
anderen Talseite. Zurück nach Bristen.
Wanderzeit: 5,5 Stunden
Aufstieg: 505 Meter
Abstieg: 1066 Meter
Schwierigkeitsgrad: T21
Infos: Wanderland.ch/de/routen/route-0590.html
Giessen, Tösstal ZH
Route: Vom Bahnhof Rämismühle-Zell zum Wasserfall «Giessen» im Königstal. Weiter nach Unterschlatt und durchs Tobel des Bäntalbachs mit seinem Wasserfall zur Tuffsteinformation «Tüfels Chilen» und weiter zum Bahnhof Kollbrunn.
Wanderzeit: 4 Stunden
Aufstieg: 213 Meter
Abstieg: 246 Meter
Schwierigkeitsgrad: T21
Infos: Hikr.org/tour/post117568.html
Tipps: So wandern Sie mit Genuss
Wählen Sie eine Tour, die die ganze Familie oder Wandergruppe gut bewältigen kann. Beachten Sie die Distanz und die Höhenmeter.
Die Tour können Sie gut zu Hause vorbereiten mit der Wanderkarte auf der Internetseite Map.geo.admin.ch.
Orientieren Sie sich im Gelände mit einer Wanderkarte im Massstab 1:25000 oder mit der App Swiss Map Mobile (für Android und iPhone).
Tragen Sie beim Wandern in den Alpen hohe, stabile Wanderschuhe, die Sohlen mit einem griffigen Profil haben.
Nehmen Sie genug Proviant und pro Person mindestens 1,5 Liter Wasser mit.
Buchtipps
Christian Schwick, Florian Spichtig: «Die Wasserfälle der Schweiz. Das grosse Wanderbuch», AT Verlag, ca. Fr. 48.–
Ueli Brunner, Michel Brunner: «Wasserwunder. 22 verwunschene Tobelwanderungen im Kanton Zürich», AS Verlag, ca. Fr. 50.–