Ärzte verschreiben Digoxin seit Jahrhunderten gegen ein schwaches Herz. Der Wirkstoff aus dem Fingerhut bewirkt, dass das Herz stärker und langsamer schlägt, zudem verlangsamt er Nervenimpulse.
Doch nun kommt eine Studie im «European Heart Journal» zum Schluss: Digoxin schade mehr als es nütze. Forscher der Uni-Klinik in Frankfurt werteten in einer Übersichtsanalyse die Daten von über 300 000 Patienten aus. Sie stellten fest: Bei Patienten mit Vorhofflimmern war das Sterberisiko unter Digoxin um über 20 Prozent erhöht. Um wie viele Todesfälle es sich handelt, konnten die Autoren dem Gesundheitstipp allerdings nicht sagen. Auch nicht über welchen Zeitraum.
Laut Stefan Hohnloser, Mitverfasser der neuen Studie und Leiter der Abteilung Elektrophysiologie an der Frankfurter Uni-Klinik, könne man Digoxin nicht länger empfehlen. Er warnt davor, es weiterhin gegen Vorhofflimmern zu verschreiben. Auch bei Patienten mit chronischer Herzschwäche sollte man den Wirkstoff nur noch mit äusserster Vorsicht einsetzen.
Gesundheitstipp-Arzt Thomas Walser wundern die neuen Erkenntnisse nicht: Der Wirkstoff aus dem Fingerhut sei bekanntlich sehr giftig. «Man muss die Dosis genau bestimmen. Dazu braucht ein Arzt viel Erfahrung», sagt er. Auch für Arzt und Pharmakritiker Etzel Gysling ist klar: «Digoxin sollte man nicht als Routinemittel einsetzen.»
Swissmedic sieht keinen Handlungsbedarf
Mit Blutdruck-Medikamenten wie Reniten, Cibacen oder Zestril, aber auch mit Betablockern und weiteren neueren Mitteln gibts inzwischen zwar gut untersuchte Alternativen. Doch sie wirken nicht immer besser. Zum Behandeln von chronischer Herzschwäche sollten Ärzte in bestimmten Fällen weiterhin auf Digoxin zurückgreifen, sagt Gysling: «Manchen Patienten kann man mit den besser untersuchten Mitteln nicht mehr helfen.» Dann könne Digoxin oft zumindest die Symptome lindern. Und Walser sagt: «In der richtigen Dosis ist Digoxin sehr wirksam und nützlich.»
Die Zulassungsbehörde Swissmedic sieht denn auch keinen Handlungsbedarf. Sprecher Peter Balzli verweist darauf, dass die neue Studie den Zusammenhang von Digoxin und dem Tod einzelner Patienten nicht belegt habe.
Novartis, Herstellerin von Digoxin Sandoz, analysiere nun die Daten, so Sprecherin Friederike von Redwitz. Ausserdem warte man auf die Empfehlungen der europäischen Arzneimittelagentur an die Pharmahersteller.