Seit fünf Jahren befolgt André Bärlocher die Keto-Diät. Der 32-jährige Lehrer aus Staad SG begann mit der Diät, um Gewicht zu verlieren: «Das hat gut funktioniert», sagt er. «Ich nahm ungefähr 15 Kilo ab.» Jetzt fühle er sich frischer und leistungsfähiger. Und er habe weniger Hunger als früher: «Dieses Gefühl möchte ich nicht mehr missen.»
Die Diät ist im Trend: Alle paar Wochen erscheinen neue Bücher mit Titeln wie «Schlank mit Keto» oder «Keto-Power». Damit könne man «mühelos abnehmen», verspricht Buchautorin Marina Lommel. Die Keto-Diät verbessere die Gesundheit, schütze auch vor Herzkrankheiten und sei gut für Diabetiker.
Doch Fachleute raten ab. Der Grund: Die Keto-Diät ist zu extrem. Sie sieht vor, dass man nur fünf von hundert Kalorien aus Kohlenhydraten aufnimmt. Verboten sind nicht nur Zucker und Getreide, sondern auch Hülsenfrüchte, Kartoffeln und Alkohol. Hingegen darf man nach Herzenslust Fleisch, Fisch, Eier, Käse und Fett essen. In ihrem Buch empfiehlt Marina Lommel zum Beispiel Knuspermüesli aus zerkleinerten Nüssen oder Bratwürste mit Apfel-Sauerkraut.
Keto-Diät kann zu Übelkeit führen
Präventivmediziner David Fäh von der Berner Fachhochschule sagt: «Es belastet den Körper, wenn man weitgehend auf Kohlenhydrate verzichtet.» Wenn der Körper zu wenig Zucker erhalte, bilde er aus Fett einen Ersatz, die sogenannten Ketonkörper. Doch das Gehirn könne sie weniger gut verwerten als Zucker und sei deshalb weniger leistungsfähig. Zudem bestehe die Gefahr, dass der Körper stark übersäuert werde. Das kann zu Unwohlsein und Übelkeit führen. «Deshalb sollte man diese Diät, wenn überhaupt, nur mit einem begleitenden Arzt machen», sagt Fäh.
Der Basler Arzt und Ernährungswissenschafter Ulrich Keller sagt, mit der Keto-Diät nehme man zu wenig Nahrungsfasern auf: «Sie kommen vor allem in Vollkornprodukten und Hülsenfrüchten vor.» Eine neue Übersichtsstudie in der englischen Fachzeitschrift «The Lancet» bestätigt: Je weniger Fasern die Nahrung enthält, umso grösser ist das Risiko für Diabetes, Herzkrankheiten und Darmkrebs
Zudem sagt Ernährungsmediziner Keller: «Der Verzicht auf Kohlenhydrate entspricht nicht der Ernährung, an die der Mensch seit Jahrtausenden gewohnt ist.» Das Weglassen von Grundnahrungsmitteln wie Brot, Reis oder Teigwaren vermindere den Genuss und erschwere das gemeinsame Essen mit Personen, die sich normal ernähren. Deshalb würden die meisten Menschen die Keto-Diät nur einige Wochen oder Monate durchhalten: «Nachher steigt das Gewicht einfach wieder an.»
Auch André Bärlocher hat gemerkt, dass der Verzicht auf Kohlenhydrate nicht einfach ist: «Ich kann nicht mehr spontan in ein Restaurant oder zu einer Einladung von Freunden gehen.» Deshalb macht er an Festtagen und wichtigen Geburtstagen eine Diätpause.
Fachleute empfehlen generell, die Kohlenhydratmenge nur mässig herunterzufahren. Zum Beispiel mit der Low-Carb-Diät (siehe Tabelle im PDF). Bei ihr stammen rund 30 Prozent der Kalorien aus Kohlenhydraten. Die deutsche Ernährungsexpertin Lioba Hofmann sagt, damit könne man gut abnehmen: «Vor allem, wenn man Vollkornprodukte wählt.» Zudem rät Hofmann, weniger Fleisch und Wurst, dafür mehr Fisch und Hülsenfrüchte zu essen.
Von der Glyx-Diät ist Hofmann nicht überzeugt. Sie besteht aus Lebensmitteln, die den Blutzucker nur langsam ansteigen lassen. Welche das sind, sieht man auf einer Liste. Doch die Glyx-Diät bewertet zum Beispiel Schokolade besser als gesunde Lebensmittel wie Rüebli. Hofmann sagt: «Das ist bei einer Diät nicht förderlich.» Und die Atkins- sowie die Paläo-Diät seien «viel zu einseitig».
Arzt empfiehlt die mediterrane Diät
Überraschenderweise braucht man aber keine strenge Diät, um abzunehmen. Präventivmediziner David Fäh empfiehlt die mediterrane Ernährung mit viel Gemüse, Salat, Fisch, wenig Fleisch und «etwas weniger Kohlenhydraten». Eine Studie im Fachblatt «New England Journal of Medicine» mit über 300 Teilnehmern zeigt: Die mediterrane Diät enthält mehr gesunde Nahrungsfasern und ungesättigte Fette als die Low-Carb-Diät. Teilnehmer nahmen damit innert zwei Jahren im Durchschnitt viereinhalb Kilo ab.
Buchautorin Marina Lommel entgegnet, bei der Keto-Diät sollte man zwei Drittel des Tellers mit Gemüse füllen. So nehme man «sogar mehr Nahrungsfasern» auf als mit der normalen Ernährung. Allerdings enthalten einige Rezepte in Lommels Kochbuch, etwa das «Indische Butter-Hähnchen», nur wenig Gemüse. Lommel sagt, auch süsse Desserts und Backwaren seien erlaubt, wenn man Ersatzstoffe für Zucker und Weizenmehl verwende. Simone und Marc Weuthen, Autoren des Buchs «Keto-Power», finden, man solle «nur phasenweise» auf Kohlenhydrate verzichten und nach einigen Wochen wieder mehr davon essen.