Ein blauer mit einem lachenden Baum beladener Lieferwagen braust durch bunten Konfettiregen, ein Frosch sitzt sympathisch strahlend auf einer Seerose: Das Kindergeschirr der dänischen Firma Rice erkennt man an den knalligen Farben und den fröhlichen Motiven. Die Teller, Tassen und Becher erfreuen auch die Eltern, denn sie gehen nicht gleich kaputt, wenn sie vom Tisch herunterfallen. Der Grund: Sie bestehen aus dem bruchsicheren Kunststoff Melamin. Auch Firmen wie Haba, Sigikid oder Spiegelburg verkaufen solches Geschirr. Man kann es zum Beispiel im Coop, in der Migros oder in Spielwarengeschäften wie Franz Carl Weber kaufen.
Bei Hitzeeinwirkung lösen sich Schadstoffe
Was Eltern oft nicht wissen: Aus solchem Geschirr kann sich giftiges Melamin und Formaldehyd lösen. Formaldehyd reizt die Haut und die Schleimhäute. Melamin steht in Verdacht, dass es Krankheiten von Blase und Nieren begünstigt. Zudem sind beide Stoffe möglicherweise krebserregend.
Der Chemiker und Toxikologe Lothar Aicher von der Universität Basel sagt: «Beide Stoffe können vom Geschirr ins Essen übergehen. Das ist dann der Fall, wenn der Kunststoff nicht gut verarbeitet ist und wenn Säure und Hitze auf ihn einwirken.» Das sieht man einem Teller meist nicht an. Doch Tests brachten es ans Licht. Der österreichische Verein für Konsumenteninformation schickte 2020 neun Kindergeschirrsets ins Labor. Dort wurden sie zwei Stunden lang einer 70 Grad heissen Flüssigkeit ausgesetzt. Das Resultat: Aus allen lösten sich Schadstoffe.
Auch das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung betont, der Kunststoff sei in Kontakt mit heissen Lebensmitteln nicht stabil. Er zersetze sich mit der Zeit – zum Beispiel, wenn man heissen Tee oder Suppe einfüllte oder wenn man einen Melaminteller mit Babybrei in die Mikrowelle stelle.
Warnhinweise fehlen oft auf den Produkten
Entsprechende Warnhinweise sucht man auf den Produkten oft vergeblich. Der Gesundheitstipp machte eine Stichprobe. Beim Kindergeschirrset «Woodland» von Coop beispielsweise fehlt der Hinweis, dass Speisen nicht wärmer als 70 Grad sein dürfen. Ebenso auf dem Teller «Feuerwehr Sam» der Firma Haba. Toxikologe Aicher vermutet, dass viele Eltern das Geschirr falsch verwenden. Er rät: «Am besten verzichtet man auf solches Geschirr.» Auch Gesundheitstipp-Arzt Thomas Walser warnt: «Teller oder Tassen aus Melamin sollte man für Säuglinge und Kleinkinder am besten gar nicht verwenden.»
Die Hersteller schreiben, sie würden das Geschirr regelmässig prüfen. Haba sagt, Melamin sollte nicht Temperaturen von über 70 Grad ausgesetzt sein. Das Einfüllen heisser Speisen und Getränke sei kein Problem. Nur das Erhitzen oder längere Warmhalten müsse man vermeiden.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung kritisiert solche Hinweise. Man müsse davon ausgehen, dass Eltern das Geschirr in die Mikrowelle geben oder es mit heissem Tee oder mit Suppe füllen. Die Migros schreibt, sie sei sich der Gefahr bewusst und überprüfe daher Produkte aus Melamin immer, bevor sie in die Läden kommen würden.
Essen ist kein Kinderspiel
- Geben Sie Ihren Kindern Geschirr aus Porzellan, das vermittelt Ihrem Kind auch den Wert des Essens.
- Geben Sie Ihrem unruhigen Kind einen älteren Teller, der kaputtgehen darf.
- Machen Sie aus dem Essen kein Spiel für Kinder.
- Lassen Sie Ihr Kind teilhaben am Kochen, und lassen Sie sich helfen beim Tischdecken.
- Lassen Sie das Kind von dem essen, was auch Sie essen, auch Gemüse oder Salat.
- Cola und Chicken-Nuggets sollten die Ausnahme sein.
- Zwingen Sie Ihr Kind nicht, den Teller leer zu essen.
- Legen Sie ihm immer wieder auch etwas in den Teller, das es nicht mag. Das empfehlen Fachleute. Auf diese Weise gewöhnt es sich an den Geschmack.