Den ersten Anfall hatte ich mit 14. Meine Mutter und mein Bruder hörten ein heftiges Poltern aus meinem Zimmer. Sie sahen mich auf dem Boden liegen, mein Kopf schlug immer und immer wieder heftig auf den Boden und ich ruderte wild mit den Armen. Nach 2 Minuten war der Spuk vorbei. Meine Familie machte sich grosse Sorgen. Keiner von uns dachte an Epilepsie.
Als sich die Anfälle alle vier bis fünf Wochen wiederholten, kam ich zur Abklärung in eine Spezialklinik. Die Ärzte diagnostizierten eine «kryptogene Epilepsie», wie sie ein Geburtsgebrechen oder eine schwere Kopfverletzung auslösen können. Die Ursache konnten die Spezialisten nicht feststellen. Ich hatte aber als 7-Jähriger eine Hirnhautentzündung. Kaum war ich wieder gesund, stürzte ich beim Schlittschuhlaufen und erlitt dabei eine Hirnerschütterung. Danach konnte ich nicht mehr gut schlafen. Auch hatte ich Mühe, mich in der Schule zu konzentrieren.
Damals war Epilepsie noch nicht so gut erforscht wie heute. Ich musste viele Medikamente ausprobieren. Eines davon hat meinen Augen geschadet: Mein Blickfeld ist seither eingeengt.
Vor einem Anfall kann ich mich nicht schützen. Und oft verletzte ich mich bei einem Sturz auf einen harten Boden. Einmal brach ich während eines Festes zusammen und knallte auf den Steinboden. Die Leute um mich herum erschraken, als sie meine blutenden Ohren, mein verzerrtes Gesicht und die unkontrollierten Bewegungen sahen. Ein anderes Mal passierte es, als ich mit einer Kollegin auf den Zug wartete. Sie wusste, wie sie reagieren musste und beschwichtigte die Menschen, die uns umringten. Trotzdem standen nach kurzer Zeit zwei Sanitäter vor uns, die mich auf die Bahre hieven wollten. Ich konnte sie nur mit Mühe überzeugen, mich nicht ins Spital einzuliefern.
Meine Mutter sorgte sich früher sehr um mich, was ich verstehen konnte. Sie befürchtete häufig das Schlimmste. Etwa, dass mir bei einem Anfall etwas passieren könnte. Als Jugendlicher fühlte ich mich daher stark eingeschränkt. Mit meinen Kollegen durfte ich nicht schwimmen gehen oder Ferien im Ausland verbringen. In jenen Momenten fühlte ich mich ausgeschlossen.
Die Epilepsie begleitet mich seit rund 40 Jahren. Ich arbeite im Vollzeitpensum als Leiter in der Personaladministration. Vorgesetzte und Kollegen wissen Bescheid. Der letzte Anfall liegt zum Glück gut drei Jahre zurück. Damit die Anfälle wegbleiben, muss ich täglich elf Tabletten schlucken. Inzwischen kann ich trotz Epilepsie ein normales Leben führen. Ich singe seit 20 Jahren leidenschaftlich gern als Tenor in einem Kirchenchor und liebe das gesellige Leben. Allerdings darf ich nicht ohne Begleitung Auto fahren und schwimmen.
Epilepsie
Bei manchen Patienten verlaufen die Anfälle praktisch unbemerkt. Andere fallen um, schreien, werden blau im Gesicht und die Glieder verkrampfen sich. Die Anfälle sind Folge einer Fehlfunktion von Nervenzellen im Gehirn.
Auslöser für Epilepsie: Hirnblutungen und Schlaganfälle, aber auch Hirnschäden durch die Geburt, Hirntumore, schwere Kopfverletzungen oder die Alzheimer-Krankheit.
Es gibt über 30 Arten von Epilepsie. Etwa zwei Drittel lassen sich mit Medikamenten gut behandeln. Für die Diagnose messen die Spezialisten die Hirnströme (Elektro-Enzephalographie).
Infos und Hilfe:
- Schweizerischer Verein für Epilepsie, Seefeldstr. 84, Postfach 313, 8034 Zürich Tel. 043 488 68 80, www.epi-suisse.ch
- Schweizerische Liga gegen Epilepsie, www.epi.ch