Carole Wegmüller aus Winterthur ZH treibt oft Sport: Sie tanzt, macht Krafttraining und joggt. Doch vor kurzem erkrankte die 40-Jährige an Covid-19. «Ich hatte Fieber, Kopfweh, Halsweh und war sehr müde», erzählt sie. An Sport war nicht zu denken. Als sie wieder gesund war, wartete sie einige Zeit ab, bis sie sich auf eine Joggingrunde wagte. Beim Laufen erschrak sie: Ihre Pulsuhr zeigte etwa 25 Schläge mehr an als vor der Erkrankung. Sie war offenbar nicht mehr gleich fit wie zuvor.
Carole Wegmüller ist kein Einzelfall (siehe Kasten). Krankheiten wie Covid-19 schwächen und ermüden viele Patienten. Fachleute wie Ingo Froböse von der Sporthochschule Köln empfehlen daher, langsam mit dem Sport zu starten: Sonst riskiert man Komplikationen, zum Beispiel eine Herzmuskelentzündung. Je nach Krankheit sollten sich Patienten anders verhalten. Die wichtigsten Tipps:
Nach einer Erkältung
Experten empfehlen den sogenannten Neck-Check. Dabei unterscheidet man, ob man oberhalb oder unterhalb des Nackens Beschwerden hat. Bei Symptomen oberhalb des Nackens, etwa einem Schnupfen, darf man weiterhin Sport treiben. Gesundheitstipp-Arzt Thomas Walser sagt: «Mit Sport kann man manchmal die Erkältung sogar lindern.» Hat man hingegen unterhalb des Nackens Beschwerden, zum Beispiel Husten, Fieber oder Gliederschmerzen, sollte man auf Sport verzichten. Walser: «Die Infektion kann sich dadurch eher ausbreiten, im schlimmsten Fall aufs Herz.» Betroffene sollten erst wieder trainieren, wenn sie ganz gesund sind und sich bei Kräften fühlen. Walser rät davon ab, den Puls zu messen: «Er kann aus unterschiedlichen Gründen erhöht sein.»
Nach Covid-19
Nach einem positiven Coronatest sollte man auf Sport verzichten. Das gilt auch, wenn man nur leichte Beschwerden hat, etwa Kopf- und Halsweh. Der Grund: «Patienten riskieren Komplikationen, beispielsweise könnte sich die Krankheitsdauer verlängern», sagt Walser.
Die Länge der Trainingspause hängt von den Beschwerden ab. Wer zwar positiv getestet ist, sich aber gesund fühlt, sollte für die Dauer der Isolation eine Pause machen. «So senkt man das Risiko, dass sich die Infektion verstärkt und man doch noch Beschwerden bekommt», erklärt Sportarzt Jürgen Scharhag von der Uni Wien (A). Nach der Isolation kann man dann wie gewohnt Sport treiben.
Bei einer Covid-19-Infektion kommt es oft zu leichten Symptomen oberhalb des Nackens. Betroffene haben Kopf- und Halsweh, Schnupfen oder eine Geschmacksstörung. In solchen Fällen wartet man am besten ab, bis man wieder gesund ist, und verlängert die Pause nochmals um einige Tage. In dieser Zeit sollten Patienten darauf achten, wie gut sie Belastungen im Alltag vertragen. Sportarzt Christian Protte vom Bundesamt für Sport: «Wer den Arbeitsweg problemlos meistert, Treppen hinaufsteigt wie früher und nicht schnell ausser Atem gerät, kann wieder mit Sport beginnen.» Auch britische Forscher empfahlen dies kürzlich.
Bei Beschwerden unterhalb des Nackens – etwa Husten, Bronchitis, Durchfall oder Fieber – sollte man zwei bis vier Wochen abwarten. Am besten lässt man sich vom Arzt un-tersuchen, bevor man wieder Sport macht.
Auch nach einer überstandenen Covid-Erkrankung gilt: langsam mit Sport starten. Der Zürcher Sportarzt Walter O. Frey sagt: «Zuerst sollte man kurze Spaziergänge machen –dies aber häufig, um die Ausdauer zu verbessern.» Dauer und Gehtempo erhöht man mit der Zeit. Später kommt das Krafttraining dazu. Am Anfang sollte man auf hochintensives Intervalltraining verzichten.
Nach einem Herzinfarkt
Nach einem Herzinfarkt ist Sport wichtig, denn damit senken Patienten das Risiko einer weiteren Attacke. Eine schwedische Studie mit 22000 Patienten zeigte: Wer nach einem Infarkt Sport treibt, senkt sein Risiko, frühzeitig zu sterben, um die Hälfte. Wichtig: Betroffene sollten ihr Sportprogramm mit dem Herzspezialisten besprechen.
Herzpatienten sollten sich beim Sport nicht an der Leistung orientieren. Lorenz Felder, Leiter der Herzrehabilitation Zürich, sagt: «Man sollte am Anfang nur so intensiv trainieren, dass dabei ein Gespräch möglich ist.» Ideal sind Spazieren, Joggen oder Trainings auf einem Ergometer. Mit Schwimmen sollte man zuwarten. Felder: «Patienten sollten sich zuerst an Land wieder sicher fühlen.» Ungünstig sind auch intensives Kraft- und Intervalltraining sowie Sportarten mit hoher Sturzgefahr, etwa Skifahren. Grund: Patienten brauchen Blutverdünner. Verletzen sie sich, riskieren sie gefährliche Blutungen.
Nach einem Knieeingriff
Patienten mit Knie- oder Hüftprothese sollten mehrere Monate warten, bis sie wieder Sport machen (Gesundheitstipp 9/2018). Für sie ist Wandern ideal. Gesundheitstipp-Arzt Thomas Walser empfiehlt, beim Abwärtsgehen Walkingstöcke zu verwenden. Auch Schwimmen kommt infrage: Kraulen und Rückenschwimmen eignen sich gut. Brustschwimmen weniger, weil die Drehbewegung im Bein das Knie belastet. Von Joggen, Tennis und Fussball raten Experten ab: Dabei belastet man das Knie zu stark.
Sport nach einer Krankheit: Das sagen Betroffene
Nathalie von Däniken, 45, Neuenkirch LU, Covid-19
«Als ich mich mit dem Coronavirus ansteckte, trainierte ich zuerst einfach weiter. Doch meine leichten Beschwerden verstärkten sich: Ich bekam Fieber, nachts Rückenbeschwerden und Atemnot. Dann verlor ich das Bewusstsein und musste beim Arzt den Sauerstoff messen lassen. Als ich wieder gesund war, trainierte ich auf dem fast gleichen Niveau weiter. Anfänglich spüre ich ein Stechen im linken Lungenflügel und musste intensiver atmen als vorher. Doch meine Leistung ist nicht schlechter geworden.»
Andreas Jörg, 63, Schmitten FR, Herzinfarkt
«Vor drei Jahren hatte ich in einer Nacht gleich drei Herzinfarkte. Schon wenige Tage später stellte mir der Arzt ein Sportprogramm zusammen. Für mich war das neu, ich hatte zuvor keinen Sport gemacht, abgesehen von gelegentlichem Wandern. Heute gehe ich einmal pro Woche in eine Trainingsstunde für Herzpatienten. Wir trainieren auf dem Standvelo, machen Gleichgewichtsübungen und Spiele. Da bin ich immer gern dabei. Ausserdem fahre ich häufig mit dem Velo zur Arbeit.»
Meret Husy, 31, Biel BE, Schädel-Hirn-Trauma
«Als ich 18 Jahre alt war, stürzte ich einen Felsen hinunter. Die Folge war ein Schädel-Hirn-Trauma. Ich lag in einem tiefen Koma auf der Intensivstation, später war ich in Rehazentren. Sport war mir schon immer wichtig. Deshalb übte ich sogar in der therapiefreien Zeit. Vieles ist seit dem Unfall aber nicht mehr möglich: Tauchen ist zu riskant, auch Flamenco tanzen kann ich nicht mehr. Ich passte mich der neuen Realität an, mache Fitness und gehe joggen. Ich freue mich schon über kleine Fortschritte.»