Bisher kaufte der 80-jährige Emil Wettstein aus Zürich seine Medikamente bei der Internet-Versandapotheke zur Rose. Darunter war auch Sildenafil. Das ist ein Nachahmerprodukt des Potenzmittels Viagra mit demselben Wirkstoff. Für eine Packung Sildenafil des Herstellers Axapharm mit 24 Tabletten und der höchsten Dosis zahlte er dort 128 Franken. Im März kaufte er dieses Medikament in der Apotheke Altstetten 1 in Zürich. Dort erlebte er eine unangenehme Überraschung: Für eine Schachtel Sildenafil der Firma Mepha musste er in der Apotheke 350 Franken bezahlen. Für diesen grossen Preisunterschied hat Emil Wettstein kein Verständnis: «Ich bin bereit, in der Quartierapotheke mehr zu bezahlen – aber nicht einen Zuschlag von rund 170 Prozent.»
Der Grund für diese Preisdifferenz: Potenzmittel wie Sildenafil sind nicht auf der Spezialitätenliste. Die Grundversicherung der Krankenkassen muss sie nicht bezahlen. Deshalb schreibt das Bundesamt für Gesundheit dafür keine Höchstpreise vor. Apotheken können die Preise frei festlegen. Davon betroffen sind laut einer Übersicht des Staatssekretariats für Wirtschaft mehr als die Hälfte der in der Schweiz zugelassenen Medikamente.
Der Gesundheitstipp fragte hundert Apotheken in der Deutschschweiz nach den Preisen für Sildenafil. Die meisten hüllten sich in Schweigen: Nur jede zehnte Apotheke legte ihre Preise offen. Die Umfrage zeigt: Die Unterschiede sind enorm gross. Die Preise hängen von den Vorgaben der Hersteller ab. Doch sie variieren für dasselbe Produkt stark, je nachdem, in welcher Apotheke man das Mittel bezieht.
Am günstigsten ist Sildenafil des Herstellers Nobel: Es kostet in der Amavita Bahnhof Apotheke Zürich 105 Franken. Mehr als drei Mal so teuer ist das Produkt Sildenafil von Pfizer: Der Preis beträgt 369 Franken – ebenfalls in der Amavita Bahnhof Apotheke Zürich. Dazwischen liegen die Produkte der Hersteller Axapharm, Mepha, Sandoz und Spirig sowie das Viagra-Generikum Silvir von Ibsa. Auch die teuersten Generika kosten pro Tablette nur halb so viel wie das Originalmedikament Viagra (siehe Tabelle im PDF).
Der Berner Pharmafachmann Bernhard Lauterburg wirft den Herstellern und den Apotheken «Abzockerei» vor: «Sie können für Potenzmittel verlangen, was sie wollen – in der Annahme, dass die Männer die hohen Kosten für ihre Bettfreuden nicht reuen.» In Deutschland koste Sildenafil nur «einen Bruchteil», so Lauterburg. So verkauft der Internetversand «Shop-Apotheke» aus Mönchengladbach (Deutschland) eine 24er-Packung Sildenafil des Herstellers Pfizer für umgerechnet rund 88 Franken und das gleiche Produkt der deutschen Firma Stada sogar für nur 34 Franken.
Hersteller und Apotheken belasten sich gegenseitig
Gesundheitstipp-Arzt Thomas Walser empfiehlt, man solle in der Apotheke sagen, dass man das billigste Generikum kaufen will. Dies ist laut der Gesundheitstipp-Umfrage das Medikament der Firma Nobel. «Jede Apotheke kann es bestellen», so Walser, «falls sie es nicht an Lager hat.» Die hohen Preisunterschiede könne man nur mit den Gewinnmargen der Hersteller erklären, nicht mit Qualitätsunterschieden. «Zwischen den verschiedenen Generika gibt es nur ganz kleine Unterschiede», sagt Thomas Walser. «Meist kommen die Wirkstoffe aus derselben Fabrik in China.»
Die Firma Mepha sagt, sie habe keinen Einfluss auf den Preis, den Patienten für ihr Sildenafil-Mittel bezahlen müssen. Die Hersteller Sandoz, Spirig und Ibsa schreiben, die Apotheken würden die Verkaufspreise und damit ihre eigenen Gewinnmargen festsetzen.
Die Apotheke Altstetten 1 sagt, sie berechne die Verkaufspreise der nicht preisgebundenen Medikamente «nach einem seriösen, fairen Margenmodell». Wenn es dennoch grosse Preisdifferenzen gibt bei Mitteln, die inhaltlich gleich sind, aber von verschiedenen Produzenten hergestellt werden, bedauere die Apotheke dies. Sie werde in Zukunft einen «noch genaueren» Blick auf die Preispolitik der Lieferanten werfen.
Die Amavita Bahnhof Apotheke Zürich schreibt, die Verkaufspreise würden auf den Preisen der Lieferanten basieren. Sie würden die Kosten für das Beschaffen und Lagern der Mittel und für das Beraten der Kunden decken.
Die Bellevue Apotheke in Zürich sagt, grosse Preisunterschiede dürfe es eigentlich nicht geben. Die Apotheke verspricht, sie werde ihre Preise nochmals überprüfen und falls nötig anpassen.
Die Apotheke Wyss in Baden AG schreibt, die Preisunterschiede seien schwer zu erklären. Jede Apotheke habe andere Lieferanten, die ihre Mittel zu unterschiedlichen Preisen anbieten würden.
Die Berner Apotheke Dr. Noyer schreibt, sie habe Viagra nicht mehr an Lager und bestelle es nur noch, wenn Kunden dies ausdrücklich wünschen würden.
Alternativen zu Potenzpillen
Bei Potenzproblemen verschreiben Ärzte oft Medikamente wie Viagra. Doch sie helfen nicht allen Männern.
Potenzmittel wie Sildenafil sind nicht unproblematisch. Zwar wirken sie gut. Doch sie sind teuer und können Nebenwirkungen haben. Dazu gehören laut der Fachzeitschrift «Pharma-Kritik» Kopfschmerzen, Depressionen oder Augenschäden. Deshalb sollte man diese Mittel zurückhaltend verwenden.
Doch Impotenz lässt sich auch anders behandeln. Unter anderem können auch natürliche Mittel helfen, etwa L-Arginin, Ginseng und Yohimbin. Studien haben den Nutzen dieser Mittel gezeigt.
Frank Sommer, Universitätsprofessor für Männergesundheit in Hamburg, empfiehlt das Beckenbodentraining. Damit könne man geschwächte Potenzmuskeln kräftigen (siehe Merkblatt). Zudem kann man mit einer Vakuumpumpe den Blutfluss und die Erektion verstärken. Ein anderes technisches Mittel ist die Elektrostimulation: Dabei geben Elektroden Stromstösse ab, welche die Muskeln stimulieren.
Je nach Alter gibt es verschiedene Ursachen für Erektionsstörungen. Bei jüngeren Männern und im mittleren Alter sind seelische Gründe
wie Stress und Leistungsdruck am häufigsten. Bei älteren Männern stehen medizinische Ursachen im Vordergrund wie Kreislauf- und Prostataprobleme, Übergewicht oder Nebenwirkungen von Medikamenten. Frank Sommer rät Betroffenen, sich von einem Arzt untersuchen zu lassen: «Nur wenn man die Ursachen kennt, kann man gezielte therapeutische Massnahmen ergreifen.»
Gesundheitstipp-Arzt Thomas Walser macht Betroffenen Mut: Auch ohne eine harte Erektion könne man ein schönes Sexualleben haben. Walser rät Paaren, eingefahrene Verhaltensweisen aufzugeben und neue Wege zu finden, um die Sexualität zu leben, zum Beispiel, indem man das Vorspiel verändert.
Gratis-Merkblatt: «Diese Übungen stärken Ihre Potenzmuskulatur»
Das Merkblatt lässt sich hier herunterladen.