Die Serviceangestellte Ursula Maurer (Name geändert) hatte Probleme mit dem Vaginalring. Sie bekam einen juckenden Nesselausschlag auf dem Bauch und war oft schlecht gelaunt. Darum wechselte sie diesen Frühling zur Kupferkette Gynefix. Das Kupfer verhindert, dass sich ein Ei in der Gebärmutter einnistet und sich Spermien ungehindert bewegen können. Das Versprechen auf der Webseite des belgischen Herstellers Contrel klang für die 35-Jährige verheissungsvoll: «Hormonfreie Verhütung mit höchster Sicherheit und mit nur selten auftretenden Nebenwirkungen».
Maurers Frauenärztin erklärte, es bestehe zwar das Risiko, dass der Körper die Kupferkette abstosse und sie dann herausfalle, weitere Komplikationen kämen aber nur ganz selten vor.
Doch es kam anders. Nach dem Einlegen quälten Ursula Maurer zwei Wochen lang stechende Unterleibsschmerzen. «Ich litt Höllenqualen», erinnert sie sich. Nachts konnte sie kaum mehr schlafen. Am Telefon riet ihre Ärztin, noch ein paar Tage abzuwarten. Maurer bestand jedoch auf einem sofortigen Untersuch. Der Ultraschall zeigte dann: Die Kupferkette war verschwunden.
Die Ärztin überwies Ursula Maurer sofort ins Spital. Dort stellten die Ärzte fest, dass die Kette durch die Gebärmutterwand in die Bauchhöhle gewandert war, und dort an der äusseren Dünndarmwand feststeckte.
Chirurgen mussten die Kupferkette entfernen. Dazu nahmen die Ärzte zwei Schnitte auf Hüfthöhe vor. Die Operation glückte nur halbwegs: Die Ärzte konnten nur ein Stück der Kette loslösen. Der verankerte Teil blieb stecken – das ist bis heute der Fall.
Ursula Maurer rechnet jeden Tag damit, dass sich ihr Darm wegen des Fremdkörpers entzündet und sie wieder in den Operationssaal muss.
Das ist kein Einzelfall. In Studien kommt es in ein bis zwei von 1000 Fällen vor, dass Kupferketten wie Gynefix auf Abwege geraten und Gewebe wie die Gebärmutter durchstossen. Auch in Internetforen berichten Frauen, dass die Gynefix-Kette abgewandert ist und von Ärzten entfernt werden musste.
Das Einlegen der Kette erfordert Geschick
Ein häufiges Problem beim Einlegen der Kette ist die mangelhafte Verankerung. Denn das Einlegen erfordert Geschick. Die Ärzte müssen die Kupferkette am oberen Gebärmuttermuskel befestigen. Sie hängt danach frei in der Gebärmutterhöhle.
Bis vor einigen Jahren gab es dafür keine Kurse. Viele Ärzte haben sich die Technik selber angeeignet. Inzwischen bietet der Hersteller ein einstündiges Simulationstraining an.
Hinzu kommt: Bei einer mangelhafte Verankerung löst sich der Gynefix und fällt heraus. Auch die Professorin Sibil Tschudin von der Frauenklinik des Universitätsspitals Basel hat das festgestellt. In ihrer Klinik würden sie Gynefix erst dann einsetzen, wenn eine Frau eine Spirale verwendet, die sich verschiebt. Ein anderer Grund sei, wenn eine Frau ausdrücklich die Kupferkette wünsche.
Eine Umfrage bei verschiedenen Frauenärzten zeigt: Die Kette ist in vielen Praxen nur zweite Wahl. Für die Patientinnen ist der Eingriff meist unangenehm. Das Einlegen ist schmerzhaft, manchmal kann Gynefix von alleine wieder herausfallen.
Martin Lukas Kaufmann, Chefarzt am Spital Bülach ZH, sagt: «Gynefix steht bei uns im Angebot, doch wir bewerben sie nicht.» Das Einlegen brauche Erfahrung.
Zuerst begeistert, heute dagegen
Thomas Eggimann aus Kreuzlingen TG, Frauenarzt und Generalsekretär des Fachverbands «Gynécologie suisse», sagt: «Gynefix ist schwieriger einzulegen als Spiralen.»
Die Frauenärztin Lilian Saemann aus Solothurn war von Gynefix anfänglich begeistert. «Die Blutungsstärke und Menstruationsschmerzen sind im Vergleich zu anderen Kupferspiralen weniger ausgeprägt», sagt sie. Doch dann passierte einer Patientin das Gleiche wie Ursula Maurer. Saemann rät heute von der Kette ab. «Auch andere Ärzte verwenden Gynefix wegen der hohen Komplikationsrate nicht mehr.»
Es gibt Alternativen zur Kupferkette. Der Gesundheitstipp hat die am verbreitetsten Verhütungsmethoden in einem Merkblatt zusammengefasst (siehe unten).
Ursula Maurer verwendet seit der Operation kein Verhütungsmittel. Doch irgendwann möchte sie wieder ohne Hormone verhüten. Wenn sie die ganze Kupferkette losgeworden ist.
Hersteller Contrel schreibt dem Gesundheitstipp, Frauen sollten sich Gynefix nur «von geschulten Ärzten» einsetzen lassen. Zudem sollten Frauenärzte nach dem Einsetzen per Ultraschall überprüfen, ob die Position der Kupferkette sicher sei.
Gratis-Merkblatt: «Verhütungsmethoden im Vergleich»
Zum Herunterladen unter www.gesundheitstipp.ch oder zu bestellen bei: Gesundheitstipp, «Verhü- tungsmethoden», Postfach, 8024 Zürich.