Laut Suva verunfallt in der Schweiz pro Jahr jeder dritte Forstarbeiter. Hat es Sie schon einmal getroffen?
Noch nie. Es gab aber schon brenzlige Situationen. Einmal kippte ein Baum beim Fällen früher um als geplant. Oder ein Stamm kam unerwartet ins Rollen. Bisher hatte ich immer Glück.
Trotzdem ist es wohl nur eine Frage der Zeit, bis auch Sie einen Unfall haben.
Statistisch gesehen stimmt das. Man ist den Gefahren aber nicht einfach ausgeliefert. In der Lehre übt man die Sicherheitsregeln so lange, bis sie in Fleisch und Blut übergehen. Passiert ein Beinaheunfall, muss man den Fehler schonungslos analysieren. Auch auf Kleider, Schutzausrüstung und Schuhe kommt es an. Alles muss einwandfrei sein.
Ihr Job ist sehr streng. Kann man als Forstwartin alt werden?
Bis zur Pensionierung werde ich diesen Job ehrlich gesagt nicht machen. Denn der Körper leidet, obwohl ich auf meine Gesundheit achte. Auch das stundenlange Vibrieren der Motorsäge ist für den Körper nicht gesund. Mein Lehrmeister sagte immer: Vera, achte auf deine Körperhaltung! Er hatte recht.
Warum?
Ein starker Rücken ist bei dieser Arbeit das A und das O. Eine falsche Drehung mit einer laufenden Motorsäge in der Hand kann fatal sein. In solchen Momenten wirken auf den Körper extreme Kräfte ein. Starke Rückenmuskeln wirken da wie ein Rückenpanzer. Sie geben Halt und verhindern Unfälle mit viel Blut.
Trotz den Risiken haben Sie Forstwartin gelernt. Warum?
Weil ich diese Arbeit liebe. Klar, es gibt Tage mit fiesen Kombinationen von Kälte, Schneeregen und Wind. Wenn ich aber früh am Morgen im Wald stehe, die Sonne durch den Nebel scheint und ein Reh vorbeispringt, ist das für mich das Glück auf Erden. In keinem Büro hat man eine so schöne Aussicht. Es berührt mich auch jedes Mal, wenn ein grosser Baum auf den Boden fällt. Das ist ein andächtiger Moment.
Wie halten Sie sich im Job fit?
Indem ich ihn jeden Tag mache. Auch wenn man das vielleicht nicht sieht: Meine Rückenmuskeln sind sehr stark. Der Wald ist mein Fitnesscenter. Als Forstwartin habe ich schon jeden Muskel gespürt. Mir ist auch die Vorsorge wichtig. So massiert ein Profi regelmässig meinen Körper. Und ich lasse immer wieder prüfen, ob mein Becken noch am richtigen Ort steht und sich kein Wirbel verschoben hat.
Schauen Sie aufs Essen?
Ja. Mein Energiespeicher muss konstant mit gutem Essen gefüllt sein. Das heisst: nicht täglich Pasta und Pizza, sondern auch viel Gemüse und Hülsenfrüchte. Auf Süsses verzichte ich trotzdem nicht. Ich trinke auch viel Wasser, im Sommer bis zu sechs Liter täglich. Alkohol gibt es unter der Woche nie. Die Zeit, in der sich Förster tagsüber Kafi Schnaps oder Bier gönnten, kenne ich nur vom Hörensagen.
Forstwart gilt als Männerberuf. Wie ist das für Sie als Frau?
Viel einfacher, als man sich das vorstellt. Richtig ist: Man geht sehr direkt miteinander um. Zugleich sind Forstwarte anständig. Das mag ich. Man kann auch mal einen Spruch platzieren, ohne dass der andere eingeschnappt ist.
Zur Person
Vera Egger hat ihre dreijährige Ausbildung im Forstbetrieb ihrer Heimatgemeinde Rafz im Zürcher Unterland absolviert. Seit 2021 arbeitet sie in Pfungen ZH nahe Winterthur als Forstwartin. Vera Egger lebt in Rafz ZH.