Urs Ochsner aus Winterthur ZH liebt sein E-Bike: Seit vier Jahren besitzt er ein Velo mit Elektroantrieb und fährt damit zur Arbeit und zum Einkaufen. Mit Tretunterstützung durch den Akku ist er bis zu 45 Stundenkilometer schnell.
Der SBB-Angestellte hat im Strassenverkehr schon brenzlige Situationen erlebt: «Einmal hat mich ein Auto fast überfahren, als ich gerade eine Kreuzung überqueren wollte.» Das Auto wollte rechts abbiegen und schnitt ihm den Weg ab. Der 61-Jährige konnte im letzten Moment bremsen.
Nicht immer gehen Zwischenfälle mit E-Bikes so glimpflich aus. Laut Zahlen des Bundes sind im letzten Jahr bei Unfällen rund 200 E-Bike-Fahrer schwer verletzt worden, neun Personen kamen gar ums Leben.
«Stürze mit E-Bikes sind oft viel schwerer»
Reto Babst ist Chefarzt Unfallchirurgie am Luzerner Kantonsspital. Er sagt: «Stürze mit E-Bikes sind oft viel schwerer und komplexer als normale Velounfälle.» Am häufigsten behandelt Babst bei E-Bike-Lenkern Schädel-Hirn-Verletzungen. Diese seien teilweise so schwer wie bei Unfällen mit Mofas oder Rollern.
Dafür gibt es vor allem zwei Gründe: E-Bikes fahren schneller als normale Velos. Daher brauchen sie viel länger, bis sie nach einer Vollbremsung anhalten. Ein E-Bike ist zudem schwerer als ein normales Velo: Es wiegt 20 bis 30 Kilo und prallt mit grösserer Wucht gegen ein Hindernis.
Häufig sitzen zudem ältere Personen im Sattel, die Blutverdünner einnehmen. Das sei gefährlich, sagt Reto Babst: «Bei Gehirnverletzungen können so lebensgefährliche Blutungen entstehen.»
Fahren mit dem E-Bike: Die wichtigsten Tipps
Wer ein E-Bike kauft, sollte sich deshalb gut vorbereiten und mit dem Velo vertraut machen. Denn vieles funktioniert etwas anders als bei einem normalen Velo. Die wichtigsten Tipps:
- Langsames Fahren und Anfahren auf einem freien Gelände üben, bevor man im Strassenverkehr fährt.
- Beim Anfahren einen kleinen Gang und eine geringe Tretunterstützung wählen. Den Lenker gerade halten.
- Vollbremsung üben: Gesäss sitzt leicht hinter dem Sattel, Arme und Beine sind fast gestreckt.
- Immer mit beiden Bremsen gleichzeitig bremsen.
- In Kreisel einfahren: Tempo verlangsamen, die Tretunterstützung reduzieren.
- Vorausschauend fahren: Andere Verkehrsteilnehmer schätzen E-Bikes oft langsamer ein, als sie tatsächlich sind.
- Mit konstanter Geschwindigkeit fahren: Das schont den Akku. Und nicht zu häufig in die Pedale treten: 50 bis 70 Tritte pro Minute sind ideal.
- In flachem Gelände reicht eine kleine Tretunterstützung. Das schont den Akku ebenfalls.
- Beim Fahren am Berg einen kleineren Gang wählen. So fährt sichs leichter, dabei verringert sich aber die Tretunterstützung.
- Sofern vorhanden: Beim Bergabfahren die Rekuperation (Akku-Aufladung) einschalten: Das beansprucht die Bremsen weniger.
- E-Bikes mit abgeschrägtem Rahmen wie beim Damenvelo erleichtern das Absteigen.
- E-Bikes mit Akku in der Mitte sind besonders stabil.
In Kursen kann man üben, wie man auf dem E-Bike sicher durch den Verkehr kommt. Der Touring Club Schweiz (TCS), die Organisationen Pro Velo und Pro Senectute haben entsprechende Angebote (siehe Unten). Auch Urs Ochsner hat einen solchen Kurs besucht. Er habe vor allem das Fahren im Stadtverkehr gelernt, sagt er.
René Altschul aus Künten AG ist Kursleiter beim TCS. Bei ihm lernen die Teilnehmer etwa, wie man bremsen muss und im Kreisel richtig fährt. Altschul sagt: «Für viele ist das Fahren am Berg eine grosse Herausforderung. Schaltet man nicht schnell genug in den richtigen Gang mit der richtigen Unterstützung, bleibt man stehen.»
Der deutsche Sportarzt Ingo Froböse sagt: «Wer lange nicht mehr Velo gefahren ist, sollte sich nicht einfach auf ein E-Bike setzen.» Zuerst solle man wieder sicher fahren lernen. Das heisst: Man sollte mühelos das Gleichgewicht halten und schnell auf Gefahren reagieren können. Froböse: «Auch die Muskeln sollten einigermassen fit sein.» Man braucht dank Elektromotor zwar weniger Kraft beim Pedalen. Wer mit dem Velo am Rotlicht steht, muss aber sein 20 Kilo schweres Gefährt problemlos halten können, ohne dass es kippt.
Die richtige Ausrüstung macht E-Bike-Fahren zusätzlich sicherer. Die 33-jährige Friederike Balog aus Wangen ZH zum Beispiel pedalt immer mit Leuchtweste, heller Kleidung und Helm. Ein Helm und ein Rückspiegel sind bei schnellen E-Bikes Pflicht, bei langsameren empfehlenswert. Ausserdem sollte man sein Velo jährlich einem Mechaniker bringen: Er überprüft vor allem Bremsen, Licht und Reifendruck. Und: Wer auch bei Tag mit Licht fährt, ist besser sichtbar.