Vreni Uebelhart aus dem luzernischen Obernau besitzt vier Velos: ein Rennrad, ein Mountainbike, ein Citybike und ein Elektrovelo. Pro Jahr legt die begeisterte Velofahrerin 4000 bis 6000 Kilometer zurück. Fast jeden Samstag macht sie mit dem Veloclub Concordia Luzern eine Ausfahrt. Am Sonntag fährt sie mit ihrem Partner, am Mittwoch alleine oder zu zweit. «Das macht mir viel Spass», sagt die 59-Jährige. «Im Luzerner Hinterland gibt es schöne Velowege und Strassen ohne viel Autoverkehr.» Mit dem Mountainbike erklimmt sie die Flanken des Pilatus. Auch über Alpenpässe ist sie schon gefahren: «Die fordern mich aber heraus.»
Pro Woche 30 Kilometer fahren ist gut fürs Herz
Velofahren ist gesund: Es stärkt Muskeln sowie Gelenke und ist ein ideales Ausdauertraining. Eine Studie des deutschen Kardiologenverbands zeigte vor acht Jahren: Wer pro Woche rund 30 Kilometer Velo fährt, halbiert damit sein Risiko für Herzkrankheiten.
Immer wieder bringen die Hersteller neue Modelle auf den Markt. Aktuell ist es das Gravelbike – eine Mischung aus Rennrad und Mountainbike. Es hat einen Rennlenker, aber breitere Pneus als Rennvelos. Deshalb kann man damit nicht nur auf geteerten Strassen fahren, sondern auch auf Wegen mit Kiesbelag («Gravel» bedeutet Kies).
Der 48-jährige Urs Kyburz legt mit seinem Gravelbike oft den Arbeitsweg zurück. Er wohnt in Reinach AG und arbeitet in Sursee LU. «Das Gravelbike ist für diese Route ideal. Sie führt teils über Feldwege», sagt er. Auch längere Touren macht er damit. Auf Asphaltstrassen habe das Gravelbike viel weniger Rollwiderstand als ein Mountainbike, sagt Kyburz. Denn es hat keine dicken Stollenpneus. Aber es sei geländegängiger als ein Rennrad, das sich wegen der schmalen Pneus nur für geteerte Strassen eigne.
Ein weiterer Vorteil des Gravelbikes: Der Lenker ist höher montiert als beim Rennrad. Sportwissenschafter Björn Stapelfeldt, Geschäftsführer des Radlabors in Freiburg in Breisgau (D), sagt: «Die Sitzposition ist weniger stark nach vorne geneigt und damit bequemer.» Deshalb rät er: «Senioren, die nicht so gut trainiert sind und pro Woche ein paar Stunden fahren möchten, sollten kein Rennvelo kaufen, sondern ein Gravelbike.»
} Citybikes und Tourenvelos: Sie eignen sich laut Stapelfeldt ebenfalls gut für Einsteiger. Der Vorteil: Sie haben relativ breite Lenker. «Man sitzt aufrecht und bekommt weniger Rückenbeschwerden», sagt Stapelfeldt. Auch die Hände seien weniger belastet. «Bei einem typischen Citybike sitzt man fast senkrecht. Deshalb lasten nur etwa 5 Prozent des Körpergewichts auf den Händen, beim Rennvelo ist es rund ein Drittel.»
} Rennvelos: Marius Graber, Technikredaktor beim «Velojournal», empfiehlt sie vor allem gut trainierten, sportlich orientierten Fahrern: «Der Lenker ist eher tief montiert, man sitzt nach vorne gebeugt.» Das belastet den Nacken. Wenn die Muskeln wenig trainiert sind, kann das Beschwerden geben. Das hat auch Vreni Uebelhart gemerkt: «Wegen dieser Sitzposition habe ich jeweils am Anfang der Velosaison einen verspannten Nacken.» Beim Mountainbike passiere ihr das nie. Mit Gymnastik und Yoga bringt sie die Schmerzen weg.
Wichtig für bequemes Fahren ist der passende Sattel. Die Breite hängt vom Velotyp ab. Rennvelos und Mountainbikes haben schmale Sättel, Citybikes und Tourenvelos breitere. Graber sagt: «Der Grund ist die Form des Beckens. Sitzt man aufrecht, belastet man den breiteren Teil des Beckens.» Dazu passt ein breiterer Sattel. Wenn man sich nach vorn neigt, sitzt man auf dem schmaleren Teil und braucht deshalb einen schmaleren Sattel. Sportwissenschafter Stapelfeldt sagt: «Die Volksmeinung, ein möglichst breiter und weicher Sattel sei bequemer, stimmt nicht.» Um Beschwerden zu vermeiden, muss der Sattel laut Stapelfeldt die Sitzknochen im Gesäss stützen. Wer es genau wissen will, sollte den Abstand zwischen den Sitzknochen beim Velohändler messen lassen und den entsprechenden Sattel kaufen.
} Faltrad: Es lässt sich problemlos zusammenklappen und im Auto oder in der Bahn transportieren. Marius Graber fährt per Faltvelo zur Redaktion: «Ich nehme es von Luzern bis Zürich in den Zug.» Auch Touren macht er damit. Doch für Wald- und Feldwege eignet es sich nicht – wegen der kleinen Räder.
} Liegevelo: Es ermöglicht eine besonders komfortable Sitzposition. Denn das Körpergewicht liegt auf einem grossflächigen Sitz. Das vermeidet Druck auf Hände und Gesäss. «Allerdings ist es wenig geeignet für den Stadtverkehr», sagt Marius Graber. «Denn ein Liegevelo ist nicht höher als ein Auto.» Das erhöht die Unfallgefahr.
Die Firma HP Velotechnik, Hersteller des Liegevelos «Grasshopper fx», räumt ein, die tiefe Sitzposition erschwere den Überblick über den Verkehr. Die wissenschaftliche Unfallforschung habe aber keine Hinweise auf vermehrte Unfälle gezeigt. Bei einer Frontalkollision werde der Lenker nicht wie bei normalen Velos über den Lenker geschleudert. Zudem erleichtere die Sitzposition den Blick auf die Strasse.
Hersteller Fateba sagt, Liegevelos seien vor allem für Touren und Ausfahrten gedacht. Es habe bisher nie Unfälle gegeben, die auf die spezielle Bauart zurückzuführen wären. Die Fahrer würden «auf Augenhöhe mit Autofahrern» sitzen und hätten deshalb optimalen Sichtkontakt.
Die Firma Cube schreibt, ihre Rennvelos hätten besonders lange Steuerrohre, um eine aufrechte Sitzposition zu ermöglichen. Die Firma montiere 28 mm breite Pneus, die «deutlich mehr Komfort» bieten würden als schmalere Reifen.
Tipps
Das sollten Sie beim Velokauf beachten:
Für wenig trainierte Fahrer eignet sich ein Citybike oder Tourenvelo gut, für trainierte Sportler auch ein Rennvelo oder Mountainbike.
Achten Sie auf die richtige Rahmengrösse. Faustregel: Beinlänge (Abstand zwischen Fussboden und Schritt) mal 0,266 ergibt die Rahmengrösse.
Vor allem bei längeren Velotouren ist ein perfekt passender Sattel wichtig. Lassen Sie deshalb in einem Velogeschäft den Abstand zwischen den Sitzhöckern messen, um die optimale Form zu ermitteln.
Stellen Sie die Sattelhöhe so ein, dass die Beine nicht ganz durchgestreckt sind, wenn sich die Pedalen am untersten Punkt befinden.
Ein leicht gebogener Lenker ist für die Handgelenke angenehmer als ein gerader Lenker.