Monika Fontana aus Rieden SG ist schon seit der Schulzeit sehr dünn. «Ich habe oft darunter gelitten», erzählt sie. Auch heute noch wiegt die 61-Jährige nur 46 Kilo. Bei einer Grösse von 1,65 Metern entspricht das einem Body-Mass-Index (BMI) von gerade mal 16,9. Ein BMI unter 18,5 gilt als Untergewicht. Dabei macht Monika Fontana keinen Sport, sondern geht nur mit ihrem Hund spazieren. Ausserdem isst sie gesund und vielfältig: am Morgen Porridge mit Nüssen und Banane, zum Zmittag Marronisuppe, Rohschinken und Avocado und abends Risotto. «Ich esse auch gern Schokolade», erzählt sie.
So ausgewogen hat sich Monika Fontana nicht immer ernährt. «Früher habe ich das Essen oft vernachlässigt», gibt sie zu. Dann standen im Kühlschrank nur ein Schoggidrink und ein Joghurt, zum Znacht gab es ein Käsebrot. «Ein Arzt empfahl mir, kalorienreiches Bier zu trinken», erinnert sie sich. «Aber das brachte nichts.» Das langjährige Untergewicht hat Folgen: Inzwischen hat Monika Fontana deswegen brüchige Knochen, ausserdem schmerzen ihre Gelenke. Trotzdem bekam sie aus ihrem Umfeld schon oft zu hören, sie solle sich doch über ihre schlanke Figur freuen.
Doch Untersuche zeigen: Das Phänomen ist nicht harmlos. In einer amerikanischen Studie mit einer halben Million Teilnehmern hatten Untergewichtige ein um 24 Prozent höheres Risiko für Schlaganfälle und Herzinfarkte. Bei Erwachsenen unter 40 Jahren ist das Risiko sogar mehr als doppelt so hoch. Ausserdem haben sie ein schwächeres Immunsystem, die Konzentrations- und die Leistungsfähigkeit sind eingeschränkt.
Die deutsche Ernährungswissenschafterin Lioba Hofmann sagt: «Betroffene sind oft müde, frieren oder haben Kreislaufprobleme.» Bei Frauen, die deutlich häufiger zu leicht sind als Männer, könne auch die Menstruationsblutung ausbleiben. Trotzdem finde das Thema laut Lioba Hofmann «viel zu wenig Beachtung».
Betroffene sind oft seit ihrer Kindheit dünn
Oft wird Untergewichtigen unterstellt, sie seien magersüchtig und würden nur vorgeben, zunehmen zu wollen. Doch Bettina Isenschmid, Chefärztin am Kompetenzzentrum für Essverhalten, Adipositas und Psyche am Spital Zofingen, weiss: «Es gibt tatsächlich Menschen, die auch ohne Essstörung zu leicht sind.» Betroffene seien meist schon seit ihrer Kindheit dünn, genau wie ihre Angehörigen. Im Unterschied zu Magersüchtigen, die sich immer als zu dick empfinden, nehmen sich Untergewichtige realistisch als zu dünn wahr. «Die typischen Anzeichen einer Essstörung, wie absichtliches Fasten, Erbrechen oder das Einnehmen von Abführmitteln, fehlen», erklärt Bettina Isenschmid.
Schnellerer Stoffwechsel als Ursache
Untergewicht hat viele Ursachen. Grundsätzlich gilt aber: Man nimmt immer dann ab, wenn der Körper mehr Energie verbraucht, als man ihm zuführt. Das kann medizinische Gründe haben wie eine Diabetes-, Darm- oder Schilddrüsenkrankheit. In diesen Fällen nimmt man meist innert weniger Wochen ab. Dann sollte man unbedingt einen Arzt aufsuchen.
Am Untergewicht können aber auch die Gene schuld sein. Manche Menschen haben dadurch einen schnelleren Stoffwechsel und damit auch einen höheren Kalorienverbrauch. «Das kann mehrere hundert Kalorien pro Tag ausmachen», sagt Lioba Hofmann.
Manche Betroffene verbrennen auch unbemerkt viel Energie, indem sie immer wieder aufstehen, umherlaufen und generell zappelig sind. Anderen ist das Essen auch einfach nicht so wichtig. «Sie nehmen den Hunger weniger wahr und vergessen, regelmässig zu essen», sagt Hofmann. Auch anhaltender Stress, Trauer oder Einsamkeit kann den Appetit dämpfen.
Um nachhaltig Gewicht zuzulegen empfehlen Experten, täglich 2500 bis 3000 Kalorien zu sich zu nehmen. Ernährungsberaterin Beatrice Fischer aus Kehrsatz BE rät, dafür neben den normalen Mahlzeiten auch mehrere energiereiche Snacks einzuplanen, «am besten drei pro Tag». Das könnte beispielsweise eine Handvoll Studentenfutter, ein griechisches Joghurt oder ein Stück Brot mit Käse sein, was jeweils etwa 250 zusätzliche Kalorien liefert (weitere Beispiele siehe unten).
Bei den Hauptmahlzeiten sollten Gemüse und Salat nicht mehr als ein Drittel ausmachen, denn sie haben nicht viel Energie. Untergewichtige dürften beim Kochen «grosszügig gesunde Öle und Fette verwenden», sagt Fischer. Auch energiereiche Nüsse und Samen lassen sich in fast jede Mahlzeit integrieren. Kräuter und Gewürze fördern den Appetit. Auch sollte man sich für das Essen etwas Zeit nehmen und die Mahlzeiten appetitlich auf dem Teller anrichten. In Gesellschaft zu essen, bereitet mehr Freude.
Helfen all diese Massnahmen nicht, gibt es auch eine hochkalorische Nahrungsergänzung, die man nach Absprache mit einem Arzt einnimmt.
Energiereiche Snacks mit je 250 Kalorien
- 5 dl Fruchtsaft
- 2 dl Smoothie
- 40 g Nüsse
- 50 g Studentenfutter
- 50 g Zartbitterschokolade
- 3½ dl Joghurtdrink
- 50 bis 60 g Guetsli
- 200 g griechischer Joghurt
- 1 Vollkornbrötchen mit Käse