Der Test des Umweltinstituts München machte kürzlich Furore: Die 14 beliebtesten Biere der Deutschen waren alle mit dem Unkrautgift Glyphosat belastet. Darunter auch in der Schweiz bekannte Marken wie Beck’s, Oettinger oder Erdinger Weissbier. Laut den Krebsexperten der Weltgesundheitsorganisation ist Glyphosat wahrscheinlich krebserregend.
Prix-Garantie-Bier am meisten belastet
Jetzt zeigt eine Stichprobe des Gesundheitstipp: Auch Schweizer Biere sind belastet. Das Labor testete 30 Biersorten von grossen und kleineren Brauereien sowie die Eigenmarken der Grossverteiler. Das Resultat: Zwölf Proben enthielten Rückstände des Pestizids (siehe Tabelle). Am meisten hatte es im Prix-Garantie-Bier von Coop. Das Labor mass 21 Mikrogramm pro Liter. Das Bier wird in Deutschland gebraut. Den Namen der Brauerei hält Coop geheim.
Ebenfalls grössere Mengen (13 Mikrogramm pro Liter) enthielt das dunkle Guinness-Bier. Zum Vergleich: Im Trinkwasser dürfen die Rückstände des Pestizids höchstens 0,1 Mikrogramm pro Liter betragen. Einen Höchstwert für Glyphosat in Bier gibt es nicht.
Wie das Umweltinstitut München fand auch der Gesundheitstipp in je einem Bier von Oettinger und der Brauerei Beck Rückstände des Pestizids. Sie waren sogar noch höher als in der deutschen Stichprobe. Etwas geringere Mengen enthielten die Eigenmarken von Lidl und Aldi sowie die Lagerbiere der Schweizer Brauereien Falken und Calanda.
Doch nicht nur Biere aus Grossbrauereien enthalten das Pestizid. Der Gesundheitstipp fand Glyphosat auch in Produkten von kleineren Brauereien wie dem «Erdmandli Amber» der Brauerei Baar ZG sowie im Weissbier «La Salamandre» der Brasserie BFM aus dem Jura. Selbst in einem Bier mit Bio-Knospe, dem «Biera Engiadinaisa cler» aus dem Engadin, hatte es 6,7 Mikrogramm Glyphosat. In den übrigen Bio-Bieren war das Pestizid nicht nachweisbar.
Glyphosat: Lasche Grenzwerte
Für Peter Kälin, Präsident des Vereins Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz, ist klar: «Glyphosat hat im Bier nichts zu suchen.» Es sei beunruhigend, in wie vielen Lebensmitteln man dieses Unkrautgift schon nachgewiesen habe. Auch der grüne Nationalrat Louis Schelbert ist besorgt. Man habe die Chemikalie in Mehl, Linsen, Haferflocken und Brötchen gefunden. «Da gehört überall kein Glyphosat hin – und auch nicht in den Körper von Menschen.» Da fand der Gesundheitstipp das Unkrautgift ebenfalls: In der Hälfte von 40 Urinproben war es nachweisbar (5/2015).
Doch die Behörden wiegeln ab: Laut dem deutschen Bundesinstitut für Risikobewertung sind Glyphosat-Rückstände im Bier «plausibel und grundsätzlich erwartbar». Denn das Pflanzenschutzmittel sei für Getreide wie Gerste oder Weizen zugelassen. In einigen Ländern wird das Getreide sogar noch kurz vor der Ernte mit dem Gift behandelt.
Zudem sind die Grenzwerte für Rückstände lasch: In einem Kilogramm Gerste darf es 20 Milligramm Glyphosat haben, in Weizen immer noch 10 Milligramm. Aus Gerste und Weizen wird das Malz für das Bier gemacht. Auch Schweizer Brauereien verwenden vorwiegend Malz aus dem Ausland. Es stammt hauptsächlich aus Frankreich, Deutschland und der Tschechischen Republik.
Das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung ist in der EU federführend, wenn es darum geht, die Sicherheit von Glyphosat einzuschätzen. Doch es gerät auch immer wieder in der Kritik: Die Behörde stehe der chemischen Industrie nahe («K-Tipp» 7/2016).
So erstaunt die Stellungnahme des Bundesinstituts zu den gefundenen Rückständen im Bier nicht: Werte von bis zu 30 Mikrogramm pro Liter würden «nach dem derzeitigen Stand des Wissens kein gesundheitliches Risiko» darstellen. Die Autoren argumentieren mit der «derzeit als unbedenklich geltenden» erlaubten Tagesdosis von 300 Mikrogramm pro Kilo Körpergewicht. Um diese zu erreichen, könne ein Erwachsener täglich 1000 Liter Bier trinken. Damit erscheint jede Kritik absurd.
Doch: Diese Werte hatten die Behörden festgelegt, bevor der Verdacht aufkam, dass Glyphosat Krebs auslösen kann. Arzt Peter Kälin sagt: «Für die meisten Stoffe, die Krebs auslösen können, gibt es keine unbedenkliche Menge.» Die Ärzte für Umweltschutz fordern, dass Glyphosat so lange verboten wird, bis das Risiko eindeutig geklärt ist. Dafür setzt sich auch Louis Schelbert im Nationalrat ein: «Noch weiss man viel zu wenig darüber, was der Stoff im Körper anrichten kann.»
Studien lieferten Hinweise, dass Glyphosat nicht nur Krebs fördert, sondern auch in den Hormonhaushalt eingreift, die Darmflora schädigt oder die Zahl von Fehlgeburten und Missbildungen bei Neugeborenen erhöht.
Die Kritik an Glyphosat wächst. Die EU hat noch nicht entschieden, ob sie den Unkrautvertilger für weitere 15 Jahre zulassen soll oder nicht. Immer wieder vertagte sie den Beschluss, letztmals im März. Denn es zeichnete sich ab, dass sich für die weitere Zulassung von Glyphosat bei den EU-Staaten keine Mehrheit finden könnte. Kritik kommt laut Medienberichten vor allem aus Frankreich, Schweden, den Niederlanden und Italien.
Coop: «Gesundheitlich unbedenklich»
Die Bierhersteller verweisen auf die Einschätzung des Bundesinstituts für Risikobewertung: Pressesprecher Urs Meier von Coop schreibt, dass das Institut solche «Spuren» von Glyphosat im Bier «als gesundheitlich unbedenklich eingestuft» habe. Darauf verweisen auch die Brauerei Oettinger sowie Aldi. Dieser verfolge die Diskussion aufmerksam, damit man «umgehend auf neue Erkenntnisse reagieren» könne.
Lidl schreibt, man nehme das Thema sehr ernst. Die gemessenen Werte im «Finkbräu» seien aber «sehr gering und zu jedem Zeitpunkt unbedenklich für die Konsumenten». Lukas Inderfurth von Bio Suisse sagt, dass sie mit der Zertifizierungsstelle abklären würden, wie Glyphosat in ein Bier mit Bio-Knospe gelangen konnte. Laut der Vereinigung der Glyphosat-Hersteller stellt das Pestizid «kein inakzeptables Risiko für Mensch und Umwelt» dar.