Jeden Montag begrüsst Igor Zilincan gut gelaunt die Zuschauer der Gesundheitssendung «Check Up»: Am 11. Juni strahlte Tele Züri einen Bericht über die neue Notfallstation der Zürcher Privatklinik im Park aus. Sie sei eine Anlaufstelle für Quartierbewohner und behandle auch Allgemeinversicherte. Was «Check Up» nicht erwähnte: Kinder unter 16 Jahren akzeptiert die Notfallstation nicht. Ist ein längerer Spitalaufenthalt nötig, schiebt die Privatklinik Allgemeinversicherte in ein anderes Spital ab. Auch Patienten mit einem Schlaganfall nimmt die Notfallstation nicht auf.
Bundesamt überprüft «Check up»-Sendung
Die Hirslanden-Gruppe, zu der die Klinik im Park gehört, ist ein langjähriger Sponsor von «Check Up». In der Sendung treten immer wieder Hirslanden-Ärzte auf: Chirurg Jan Schmidt durfte in den letzten Jahren dreimal über neue Krebstherapien sprechen – zuletzt im Mai 2017 über die sogenannte Hipec-Operation, bei der man den Bauchraum mit einer Medikamentenlösung spült. Was in der Sendung verschwiegen wurde: Die Operation ist umstritten.
Der renommierte St. Galler Krebsarzt und -forscher Thomas Cerny sagt dazu, die Hipec-Methode sei «sehr komplex, heikel und aufwendig». Ihr Nutzen und die Risiken seien nicht genügend untersucht worden.
Jetzt geht das Bundesamt für Kommunikation gegen «Check Up» vor: Es will die Sendung über die Notfallstation der Klinik im Park «näher anschauen» und prüfen, ob sie gegen das Radio- und Fernsehgesetz verstösst. Dieses verbietet Werbung für Sponsoren im Fernsehen.
Auch andere private Fernsehstationen und das private Presse-TV am Schweizer Fernsehen haben umstrittene Gesundheitssendungen im Programm – zum Beispiel «Praxis Gsundheit» (siehe Tabelle im PDF). Die Sendung wird unter anderem auf Tele Züri und Tele Bärn ausgestrahlt. Doch diese Sender produzieren sie nicht selbst – sondern die Werbe-Agentur Santémedia, die ein eigenes Aufnahmestudio hat.
Im Februar 2017 berichtete «Praxis Gsundheit» über Laser-operationen beim grauen Star. Die Sendung wurde von den Pallas-Kliniken nicht nur mitfinanziert, sondern auch in der Pallas-Klinik Bern aufgezeichnet. Als einziger Experte trat ein Augenarzt der Klinik auf. Sie stellte auch einen operierten Patienten. Er sagte, er sei mit dem Resultat «restlos glücklich».
Was «Praxis Gsundheit» nicht erwähnte: Eine grosse Studie des Cochrane-Forschernetzwerks kam zum Schluss, die Lasermethode sei nicht besser als die bewährte Operation mit dem Skalpell.
Fachleute kritisieren solche Gesundheitssendungen massiv. Der Medienwissenschafter Mark Eisenegger von der Universität Zürich sagt: «Es handelt sich um eine Art Werbung im Kleid eines redaktionellen Beitrags.» Eisenegger kritisiert, die Gesundheitssendungen würden die Richtlinien des Presserats missachten, der die deutliche Trennung zwischen dem redaktionellem Teil und der Werbung verlangt.
Erika Ziltener ist Präsidentin des Dachverbands Schweizerischer Patientenstellen und bemängelt, solche Sendungen würden die vorgestellten Methoden beschönigend darstellen. «Sie zeigen nur Heilungserfolge und verschweigen die Risiken», sagt Ziltener. Damit würden die Beiträge bei den Zuschauern falsche Hoffnungen wecken: «Manche Patienten fühlen sich allein gelassen, wenn sie von ihrem Arzt eine Therapie nicht erhalten, die in solchen Werbesendungen angepriesen wurde.»
Finanzierungsanteil der Sponsoren geheim
Wie viel die Sponsoren zahlen, wollen die Produzenten der Fernsehsendungen nicht sagen. Igor Zilincan von «Check Up» sagt, Themenvorschläge von Sponsoren seien willkommen und würden regelmässig von der Redaktion umgesetzt. Die Sponsoren würden den Inhalt der Sendungen aber nicht beeinflussen. Der in «Check Up» vorgestellte Chirurg Jan Schmidt sagt, die Hipec- Methode sei international anerkannt. Es gebe «mehrere Hundert» Studien dazu. Zwar könnten schwere Komplikationen auftreten, doch sei in den Hirslanden-Kliniken bis jetzt kein Patient, der mit dieser Methode behandelt wurde, gestorben.
Die Werbe-Agentur Santémedia schreibt, zwar könne ein Teil der Sponsoren, die sogenannten «Themenpartner», Themen für die Sendungen, Fachpersonen und Patienten vorschlagen. Die Santémedia-Redaktion treffe aber keine inhaltlichen Absprachen mit den Sponsoren. Und Jeanne Fürst, Leiterin der Presse-TV-Sendung «Gesundheit heute», sagt, bisher sei noch nie eine Klage beim Bundesamt für Kommunikation oder bei der Unabhängigen Beschwerdeinstanz eingegangen.