Antoinette Dörrer steht in Socken auf dem Stubenteppich und wiegt sich hin und her. Die 85-Jährige aus Nänikon ZH trainiert ihr Gleichgewicht, bevor es an Kraftübungen für Arme und Beine geht. Nun macht sie einen Ausfallschritt und winkelt mit geradem Rücken die Knie an. Das Gewicht ihres Körpers ruht auf dem vorderen Bein, die hintere Ferse hebt sich leicht vom Boden. Das wiederholt sie acht Mal, dann wechselt sie die Seite.
«Nach dem Tod meines Mannes fühlte ich mich sehr schwach auf den Beinen», erzählt Dörrer. «Ich wollte wieder Kraft aufbauen.» Das ist ihr mit den Übungen zu Hause bereits gelungen: Immer häufiger kann sie für kleinere Strecken auf Krücken oder Rollator verzichten.
Auf Kraftübungen folgen sanfte Einheiten
Antoinette Dörrers Beispiel zeigt: Man kann sich auch mit einem sanften Training fit halten. Viele Fachleute empfehlen dafür neuerdings das Intervalltraining Hilit. Die Abkürzung steht für High Intensity Low Impact Training. Das bedeutet: Die Bewegungen, die man beim Trainieren macht, sind zwar anstrengend, aber grösstenteils stossfrei. Ein Fuss bleibt dabei mehrheitlich am Boden.
Hilit ist somit ein Intervalltraining, das Gelenke und Knochen schont. Jede anstrengende Einheit dauert 60 bis 90 Sekunden. Dazu gehören Ausdauer- oder eine Krafteinheit wie etwa das Brett. Dabei stützt man sich auf Arme und Fussspitzen (Bild rechts). Dann folgen sanfte Yogaübungen. Man wiederholt vier bis sechs Serien, die Übungen können variieren. Dazwischen gibt es kurze Pausen. Der Gesundheitstipp hat für seine Leser auf zwei Merkblättern geeignete Übungen zusammengestellt (siehe Hinweis).
Die Physiotherapeutin Romina Ghisoni sieht in diesem Training einen klaren Nutzen: «Die Faszien, das Bindegewebe um die Muskeln, Herz und Kreislauf werden auf diese Weise gleichermassen gestärkt.» Der Zürcher Sportarzt Walter O. Frey bestätigt: «Jedes Training sollte im Grunde so aufgebaut sein.» Schon länger ist bekannt, dass Intervalltraining gesund ist: Es stärkt das Herz – und sorgt für einen Nachbrenneffekt. Das heisst: Man verbrennt auch nach dem Training noch Kalorien.
Allzu intensives Intervall-training kann schaden
Die bekanntere, anstrengendere Variante des Intervalltrainings ist das High Intensity Interval Training, abgekürzt Hiit. Es zeichnet sich durch extrem anstrengende Ausdauer- und Krafteinheiten aus, die von kurzen Pausen unterbrochen werden. Manche Sportler wenden die Methode an, um schnell ihre Leistung zu steigern, etwa vor Wettkämpfen. Doch Hiit hat deutliche Nachteile. So gibt es gesundheitliche Risiken wegen der ständigen Überbelastung, die Zellen altern schneller, und die Gelenke sind grösseren Belastungen ausgesetzt (siehe Tabelle). Das zeigen Studien mit Spitzensportlern. In einer kleineren Studie fanden Forscher 2021 Hinweise darauf, dass auch Hobbysportler von solchen Überbelastungen betroffen sind.
Bei Hilit hingegen ist das Risiko des Übertrainings viel geringer. Die Yogaübungen verhindern, dass man sich zu stark anstrengt. Darüber hinaus bringt Yoga eine ganze Reihe gesundheitlicher Vorteile mit sich. 2021 fanden Forscher der Columbia University Medical School (USA) heraus, dass Yoga vor Knochenschwund schützt und den Knochen sogar wieder aufbaut. Andere Studien deuten darauf hin, dass Yoga Angst und Depressionen reduziert und sogar Gedächtnisverlust mindern kann.
Fitnessberater Fritz Bebie rät generell, lieber häufig statt sehr hart zu trainieren. Er empfiehlt zwei bis drei Trainingseinheiten von 30 bis 45 Minuten pro Woche. Zwischen zwei Trainings sollte immer mindestens ein Tag der Erholung liegen.
Romina Ghisoni empfiehlt, abwechselnd Übungen aus beiden Merkblättern und dazwischen kleine Pausen zu machen. Leute, die Probleme mit der Balance haben, sollten Yogaübungen auslassen, die man auf nur einem Bein macht. Zum Schluss solle man fünf Minuten in der Savasana-Position verweilen, sagt Ghisoni. Dabei liegt man flach auf dem Rücken, die Arme sind 30 bis 45 Grad vom Körper abgewinkelt, die Handflächen gehen nach oben. Die Schultern sind locker. Das erhöht laut Ghisoni den Erholungseffekt.