Im Alltag ist vieles teurer geworden. Was bedeutet das für Sie als Betreibungsbeamter?
Es gibt mehr Arbeit. Die genauen Zahlen für das abgelaufene Jahr liegen zwar noch nicht vor. Bereits jetzt ist aber klar, dass es ein Rekordjahr war.
Wo liegt das Problem?
Es geht um das Problem vieler Leute: Sie können den Kosten für Miete, Krankenkasse und Lebensmittel nicht ausweichen. Und das trifft besonders diejenigen, die mit ihrem Lohn gerade so über die Runden kommen. Die Folge: Rechnungen bleiben liegen.
Was sind Ihre Gedanken, wenn solche Leute bei Ihnen auf dem Betreibungsamt landen?
Ich weiss, dass niemand vor Schulden gefeit ist und dass es schnell gehen kann, bis es jemanden trifft – schneller, als viele denken. Diese Erkenntnis hat mich milder gemacht.
Was heisst das?
Wenn mir jemand seine Geschichte erzählt, höre ich zu. Ich würde niemals das Handeln eines Schuldners kommentieren oder gar bewerten.
Am Ende müssen Sie aber doch die Schulden eintreiben.
Ja, die Regeln sind klar und gelten für alle. Trotzdem ist es nicht das Gleiche, ob jemand notorisch Geld verprasst oder ob eine Krankheit, eine Scheidung oder eine Kündigung die Ursache von Schulden ist. In solchen Fällen gebe ich mein Bestes und nutze meine Möglichkeiten. Ich will solchen Leuten keine zusätzlichen Steine in den Weg legen.
Wie gehen Sie dabei vor?
Eine Möglichkeit ist die sogenannte stille Pfändung: Dabei wird das geschuldete Geld nicht direkt vom Lohn abgezogen, sondern kommt vom Schuldner. Der Arbeitgeber erfährt dann nichts. Solche Lösungen sind für das Tilgen von Schulden unglaublich wichtig.
Warum?
Schulden lösen bei Menschen sehr starke Gefühle hervor. Viele Betroffene schämen sich und haben Angst, dass andere von ihren Schulden erfahren. Deshalb verhalte ich mich stets diskret. Ich trage keine Uniform. In einem Treppenhaus würde ich niemals laut werden.
Und was tun Sie, wenn der Schuldner laut wird?
Lässt er ein bisschen Dampf ab, ist das okay. Das nehme ich nicht persönlich. Bei Drohungen oder Tätlichkeiten jedoch sind die Grenzen überschritten. Dann muss ich die Polizei rufen.
Was raten Sie Leuten, die ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen können?
Sie sollten sich möglichst rechtzeitig Hilfe holen, zum Beispiel bei einer Schuldenberatungsstelle. Adressen solcher Stellen findet man im Internet. Mit den Schuldenberatern erstellt man gemeinsam ein Budget und sucht mit den Gläubigern nach Wegen, um die Schulden zu begleichen. Je früher das alles passiert, desto besser.
Hat sich Ihr Blick auf die Menschen verändert, seitdem Sie Betreibungsbeamter sind?
Ich bin gelassener geworden und nehme die Leute so, wie sie sind.
Zur Person
Der gelernte Kaufmann Toni Melillo arbeitete zunächst beim Betreibungsamt der Stadt Luzern. Nach einer Weiterbildung war er als Pfändungsbeamter tätig. Seit 2010 ist er stellvertretender Leiter des Betreibungsamtes in der Stadt Luzern. Toni Melillo lebt im Kanton Luzern.