Sie reisten in sieben Monaten durch ganz Europa. Warum dieser Stress?
Stressig war es nicht. Ich reiste bereits für meine Maturarbeit für fünfeinhalb Wochen mit dem Velo in alle 250 Schweizer Städte und bestieg in jedem Kanton den jeweils höchsten Gipfel. Danach hatte ich Lust auf ein neues Abenteuer.
Ist das noch Abenteuerlust oder nur eine Jagd nach Leistung?
Beides. Ich erlebte viel. Aber klar: Diese Touren waren nicht nur ein Plausch. Sonst schafft man in so kurzer Zeit nicht 35'000 Kilometer und 250'000 Höhenmeter. Das geht nur mit Durchhaltewillen und Disziplin. Ich weiss nicht, ob ich es nochmals so machen würde.
Warum nicht?
Mein Plan war es, mit dem Velo in Europa alle Hauptstädte zu besuchen und die höchsten Gipfel zu besteigen. Das schränkte mich ein. Ein Beispiel: Ich wählte meistens nicht die schönste Route, sondern die Hauptstrasse. Man darf aber auch nicht vergessen: Ich war 18, als ich die Reise machte. So erkannte ich einige Probleme erst auf der Reise.
Beispielsweise?
Mein Tagesziel erreichte ich meist nicht vor Mitternacht. Manchmal schlief ich für ein paar Stunden an einer Bushaltestelle oder in einer Picknickhütte. Bei Regen und Kälte auf einer dünnen Matte im Schlafsack: In solchen Momenten überkam mich ab und zu der Koller. Ich hatte Selbstzweifel und Ängste. Dementsprechend telefonierte ich oft mit meinen Eltern und Freunden.
Im Internet sieht man das Gegenteil davon: Bilder von Ihnen in atemberaubender Naturkulisse.
Solche Momente gab es, klar. Aber sie zeigen nur einen Teil der Reise.
Wurden Sie dafür schon kritisiert?
Ja, das gab es auch. Ich verstehe die Kritik ein Stück weit. Die Bilder und Leistungszahlen auf meiner Website wirken tatsächlich so, als sei ich verbissen. Aber auch da gilt: Ich bin heute drei Jahre älter und viel entspannter. Was zudem nicht stimmt: wenn es heisst, dass ich privilegiert sei und einen auf Luxusabenteurer mache.
Was ist daran falsch?
Ich habe alles selbst finanziert und war keinesfalls luxuriös unterwegs. In den sieben Monaten übernachtete ich drei oder vier Mal in einer Jugendherberge im Mehrbettzimmer. Mein Essen kaufte ich meist in einem Supermarkt, und tagelanges Nichtduschen war die Regel und nicht die Ausnahme.
Planen Sie eine neue Herausforderung?
Ja. Nach einigen Reisen mit Freunden und viel Zeit spüre ich, dass ich wieder allein und mit einem klaren Ziel unterwegs sein will. Ich möchte am Ende sagen können: Die Reise hat mich verändert.
Zur Person
Tobias Renggli lebt in Buchrain LU. Er studiert an der ETH Zürich Gesundheitswissenschaften und Technologie. Er ist Junioren-Schweizermeister im Berglauf und war Mitglied im Nationalkader.