Bereits Ihr Vater war Pilot. Was hat sich seither verändert?
Kurz gesagt: Ich arbeite doppelt so viel, verdiene aber die Hälfte.
Was ist passiert?
Die Airline erhöhte das Pensionsalter, sie kürzte zudem die Ruhezeiten und erhöhte die Anzahl Flugstunden stetig. Früher hatten Piloten nach einem Flug von Zürich nach New York und zurück drei Tage Pause, heute sind es nur zwei.
Und bei Kurzstreckenflügen?
Meistens fliege ich pro Tag zwei Destinationen an: am Morgen zum Beispiel Zürich–Rom retour, am Nachmittag nach Hamburg und zurück.
Ganz schön stressig.
Ja, die Belastung ist stark gestiegen und wird wohl auch weiter zunehmen.
Können Sie sich gut erholen?
Wenn ich mich an den freien Tagen nur aufs Erholen konzentriere, geht das schon. Als ich noch Langstrecken flog, spürte ich aber meist den Jetlag. Die innere Uhr kann sich nicht so schnell an die jeweilige Zeit gewöhnen.
Ein müder Pilot im Cockpit ist doch gefährlich.
Ja. Wir haben deshalb auf einem längeren Flug die Möglichkeit, uns im Pilotensitz für 45 Minuten auszuruhen. Für die Landung ist man dann wieder fitter. Wenn ich mich aber für den Flug überhaupt nicht bereit fühle, muss ich dies der Airline melden. Dann übernimmt ein anderer Pilot.
Gibt es einen Trick, wie man mit dem Jetlag besser umgeht?
Da hat jeder seine eigenen Rezepte. Wenn ich Richtung Osten fliege, lebe ich in der Schweizer Zeit weiter: Am Tag schlafe ich, nachts bin ich wach. Wenn ich im Westen bin, passe ich mich der Zeit an. Es ist einfacher, müde noch einige Stunden wach zu bleiben, als zu schlafen, wenn man nicht müde ist.
Nehmen Sie Substanzen, die Sie wach halten?
Nein. Wenn es soweit wäre, würde ich aufhören. Zudem ist genau geregelt, welche Mittel erlaubt sind. Zum Beispiel darf sich ein Schlafmittel zur besseren Erholung nicht auf die Flugfähigkeit auswirken.
Kommt es da zu Missbrauch?
Das will ich nicht ausschliessen. Doch es gibt Reglement und gegenseitige Kontrolle. Beides greift gut.
Kein Glas Wein zum Essen?
Neun Stunden vor Abflug ist Alkohol nicht erlaubt. Das halten Piloten, soweit ich das beobachte, ein.
Ist die grosse Verantwortung eine zusätzliche Belastung?
Ich bin mir der Verantwortung natürlich bewusst. Aber während des Flugs denke ich nicht ständig an die über 200 Passagiere. Das würde mich von der Arbeit ablenken.
Was gefällt Ihnen am besten am Beruf?
Wenn das Flugzeug losrollt und in die Luft abhebt: Das ist nach wie vor ein schönes Gefühl.
Zur Person: Thomas Steffen
Der Pilot fliegt zurzeit auf Kurz- und Mittelstrecken. In einigen Jahren wird er wieder auf Langstrecken wechseln. Das liebste Anflugziel des Familienvaters ist London, weil «die Stadt spannend ist».