Der Naturheiler Alexander Russ aus Egg ZH behandelt Alzheimerpatienten mit Stosswellen. Mit einem speziellen Gerät leitet er Ultraschallwellen ins Gehirn der Patienten. Die neue Methode sei «höchst wirksam und sicher», schreibt Russ auf seiner Website. Damit könne man abgestorbene Gehirnzellen wieder aktivieren und regenerieren. Die Methode habe keine Nebenwirkungen und verursache keine Schmerzen.
Die Firma Storz Medical in Tägerwilen TG stellt die Stosswellengeräte her. Sie nennt die Methode transkranielle Pulsstimulation. Storz Medical schreibt, mit den Geräten könne man die geistigen Fähigkeiten von Alzheimerpatienten «nicht nur bewahren, sondern auch verbessern». Inzwischen verkaufen sieben Schweizer Praxen die Behandlung, darunter das TPS-Zentrum Thurgau in Frauenfeld und das Psychiatriezentrum Breitenau in Schaffhausen. Der Preis ist happig: Sechs Behandlungen kosten 2580 bis 3000 Franken. Krankenkassen zahlen nichts daran.
Studien können Nutzen nicht belegen
Experten halten gar nichts von der Methode. Ansgar Felbecker, Demenzspezialist vom Kantonsspital St. Gallen, sagt, Patienten würden ihn oft auf die transkranielle Pulsstimulation ansprechen. Er empfehle aber nur Therapien, deren Nutzen wissenschaftlich belegt sei. Thomas Münzer, Chefarzt der Geriatrischen Klinik St. Gallen, sagt, bis heute sei nicht eindeutig geklärt, wie Alzheimer entstehe. «Darum kann ich nicht nachvollziehen, warum ausgerechnet Stosswellen helfen sollen.»
Altersmediziner Albert Wettstein sagt: «Die Heilversprechen sind wissenschaftlich nicht seriös. Für solchen Hokuspokus sollte man keinen Rappen zahlen.» Gesundheitstipp-Arzt Thomas Walser sagt, Alzheimer sei eines der grössten Probleme der Medizin, für das es kein Medikament gibt. Daher gebe es auf dem Gebiet viele «Halbschattengewächse».
Die österreichische Website Medizin-transparent hat Studien zur transkraniellen Pulsstimulation geprüft. Fazit: Keine Studie kann die Frage beantworten, ob die Methode hilft. Die Studien umfassten nur 20 bis 35 Patienten, und es fehle eine Vergleichsgruppe mit Patienten, die keine Behandlung erhielten.
Zur Kritik sagt Alexander Russ, nach der Behandlung sei «bei 70 bis 80 Prozent der Patienten eine merkbare Verbesserung» aufgetreten. Bernd Krämer, Chefarzt am Psychiatriezentrum Breitenau, sagt, die Erfahrungen hätten günstige Behandlungseffekte gezeigt, aber keine Hinweise auf ernsthafte Nebenwirkungen.
Neues Alzheimer-Medikament enttäuscht Fachleute
Einmal mehr jubelten Medien wie «Watson» von einem «Durchbruch» bei der Alzheimertherapie. Grund dafür war eine neue Studie, die zeigt, dass das Medikament Lecanemab den Verlauf der Krankheit bremst. Die Studie erschien Ende November im «New England Journal of Medicine».
Doch Experten sind enttäuscht. US-Alzheimerspezialist Matthew Schrag schrieb auf Twitter, die Studie habe nur eine Verbesserung von einem halben Punkt auf einer Skala von 1 bis 18 gezeigt. Das sei sehr wenig. Schrags Fazit: «Das ist nicht der Durchbruch, auf den wir gewartet haben.»
Die Hersteller Biogen und Eisai nahmen dazu nicht Stellung.