Alle 20 Jahre sollen sich Erwachsene gegen Tetanus impfen lassen: mit 25, 45 und 65 Jahren. So verlangt es der Impfplan des Bundesamts für Gesundheit. Bei Rentnern sei die Impfung gar alle zehn Jahre nötig. Das schütze vor dem lebensbedrohlichen Wundstarrkrampf. Dessen Auslöser ist ein Gift, das Tetanusbakterien in verunreinigten Wunden bilden. Es führt zu schmerzhaften Krämpfen am ganzen Körper.
Nur ein Tetanusfall in zehn Jahren
Eine Studie der Oregon-Universität in Beaverton (USA) zeigte kürzlich: Das regelmässige Nachimpfen ist gar nicht nötig – vorausgesetzt, man hat als Kind die empfohlenen Impfdosen für Tetanus erhalten. Der Immunologe Mark Slifka verglich die Zahl der Krankheitsfälle in 31 Ländern Europas und Nordamerikas. In neun Ländern gibt es kein Auffrischen der Impfung, etwa in Dänemark, Grossbritannien oder Ungarn. Trotzdem erkranken dort nicht mehr Menschen. Selbst die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt seit ein paar Jahren, die Impfung bei Erwachsenen nicht mehr routinemässig aufzufrischen.
Laut dem Arzt Peter Mattmann aus Kriens LU genügt es, die Tetanusspritze dann zu geben, wenn jemand eine riskante Wunde hat, zum Beispiel eine verschmutzte Stich- oder Pfahlverletzung oder eine Bisswunde. Starrkrampf drohe nicht bei jeder Wunde. Das Bakterium könne sich nur unter Luftabschluss entwickeln. «Die Krankheit ist heute extrem selten», sagt Mattmann. Tatsächlich gab es in der Schweiz in den letzten zehn Jahren gemäss Bundesamt für Gesundheit nur einen Tetanusfall.
Peter Mattmann sieht auch bei Diphtherie keinen Grund, die Impfung aufzufrischen: «Das Risiko ist zu gering.» Bei Diphtherie sind der Hals oder die Haut durch Bakterien stark entzündet. In den letzten zehn Jahren gab es in der Schweiz gerade mal 34 Fälle, keiner verlief tödlich. Auch die Studie von Mark Slifka ergab, dass Nachimpfen bei Diphtherie nicht nötig ist. In der Schweiz gibt es den Impfstoff nur als Drei-erkombination, zusammen mit Tetanus und Keuchhusten oder Kinderlähmung. Zudem enthält er den heiklen Zusatzstoff Aluminium. Er steht in Verdacht, die Nerven zu schädigen. Peter Mattmann: «Das ist ein Grund mehr, keine unnötigen Impfdosen zu verabreichen.»
Keuchhusten: Antibiotika statt Impfung
Das Nachimpfen von Tetanus und Diphtherie ist nicht die einzige umstrittene Empfehlung der Behörden. Das gilt auch bei Keuchhusten: Laut Bundesamt sollten alle jungen Erwachsenen mit 25 Jahren den Impfschutz auffrischen lassen. Wer Kontakt zu Säuglingen hat, solle dies alle zehn Jahre wiederholen. Denn Keuchhusten ist vor allem für Babys in den ersten Lebensmonaten riskant. Allerdings nützt es wenig, die Erwachsenen zu impfen. Denn sie können das Kind trotzdem anstecken. Zu diesem Schluss kam 2013 die Abteilung für Impfstoffforschung der US-Arzneimittelbehörde. Arzt Peter Mattmann empfiehlt Erwachsenen die Impfung nicht. Wichtiger sei, dass man Säuglinge vor direktem Anhusten schütze. Kommt es trotzdem zu einer Infektion, helfen Antibiotika.
Strittig ist auch, ob sich alle Erwachsenen gegen die Zeckenkrankheit FSME impfen lassen sollen. Ebenso ob die Windpockenimpfung für junge Männer nötig ist. Warum das so ist, lässt sich jetzt auf dem neuen Merkblatt des Gesundheitstipp nachlesen. Er hat zusammen mit Experten die wichtigsten Informationen zu zehn Impfungen für Erwachsene zusammengestellt (siehe Hinweis).
Erst das persönliche Risiko abschätzen
Fachleute raten, vor jeder Impfung zuerst das persönliche Risiko abzuwägen. So sollte man abklären, wie gross die Gefahr einer Ansteckung oder das Risiko für einen schweren Verlauf ist. Eine Rolle spielen etwa chronische Krankheiten wie Krebs oder Diabetes, das Alter oder ob eine Schwangerschaft geplant ist. Junge Frauen sollten sich gegen Windpocken impfen lassen, wenn sie schwanger werden möchten und die Krankheit noch nicht hatten.
Das Bundesamt für Gesundheit schreibt, es überprüfe immer wieder seine Impfempfehlungen. Es gebe «unterschiedliche Strategien», um Tetanus zu verhindern. Die Keuchhustenimpfung für enge Kontaktpersonen von Babys senke für eine gewisse Zeit das Risiko einer Infektion mit Beschwerden. Dann sei das Risiko geringer, dass man Keuchhusten auf den Säugling übertrage.
Umfrage: Wogegen lassen Sie sich impfen?
Emina Mehic, 24, Dällikon ZH
«Ich reiste vor drei Jahren nach Sri Lanka. Da liess ich meine Impfungen auffrischen. Ich weiss nicht mehr so genau, welche es waren. Ich verliess mich dabei auf den Arzt. Als junge Frau machte ich zudem die Impfung gegen Gebärmutterhalskrebs.»
Antonia Giacomin, 62, Wängi TG
«Ich liess mich einmal gegen Grippe impfen. Ich fühlte mich unter Druck, weil man bei der Arbeit nicht fehlen sollte. Heute würde ich das nicht mehr machen. Sonst lasse ich mich vor allem vor Reisen impfen. Da informiert mich der Reisemediziner, was jeweils nötig ist.»
Marcel Steiner, 47, Muri BE
«Vor einiger Zeit liess ich Tetanus auffrischen. Auch die Zeckenimpfung habe ich, weil ich gern wandern gehe. Allerdings hatte ich noch nie einen Zeckenstich. Ansonsten weiss ich nicht so genau, wogegen ich geimpft bin. Als Kind bekam ich aber alle Impfungen.»
Florence Riedinger, 39, Zürich
«Im Herbst überlege ich manchmal, ob ich mich gegen Grippe impfen lassen soll. Doch dann ist es meist schon wieder zu spät. Vor sechs Jahren liess ich meine Impfungen für eine Asienreise auffrischen. Ansonsten kümmere ich mich nicht gross ums Impfen.»
Theo Haas, 23, Luzern
«In Baden-Württemberg, wo ich aufgewachsen bin, hat es sehr viele Zecken. Deshalb liess ich mich impfen. Zudem lasse ich alle Impfungen regelmässig auffrischen. Meine Ärztin gibt mir jeweils die Termine, wann die nächste fällig ist. Daran halte ich mich.»
Monika Benz, 78, Einsiedeln SZ
«Vor ein paar Jahren riet mir mein Hausarzt, Tetanus aufzufrischen. Das machte ich. Auch gegen Corona liess ich mich impfen. Das machte ich. Ich verlasse mich auf den Hausarzt, wenn es ums Impfen geht. Sonst hat er mir keine Impfungen empfohlen. Ich bin ja fit.»
Gratis-Merkblatt: «Impfen für Erwachsene»
Das Merkblatt lässt sich hier herunterladen.