Der Frauenarzt Karl-Heinz Bauer aus Uster ZH empfiehlt seinen Patientinnen einen jährlichen Pap-Abstrich. Mit einem kleinen Bürstchen und einem Schaber entnimmt der Arzt Zellen vom Gebärmutterhals und schickt sie ins Labor. Damit will er Tumore frühzeitig entdecken. Auch andere Frauenärzte wie Robert Schönenberger aus St. Gallen oder die Aeschenpraxis in Basel empfehlen einen Pap-Abstrich pro Jahr.
Pap-Abstrich: Alle zwei, drei Jahre genügt
Für viele Fachleute ist eine solche Empfehlung unverständlich. Sie kritisieren: So häufig ist der Pap-Abstrich nicht nötig. Die Schweizerische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe etwa empfiehlt den Pap-Abstrich bei Frauen im Alter zwischen 30 und 70 in der Regel nur alle drei Jahre, im Alter von 21 bis 30 alle zwei Jahre. Frauenärztin Helene Huldi von der Frauenpraxis Runa in Solothurn sagt: «Es ist eine sehr unangenehme Untersuchung. Die Frauenärzte sollten sie nicht öfter als nötig machen.» Bei Frauen, die kein erhöhtes Krebsrisiko haben, genüge es wahrscheinlich, den Test alle fünf Jahre durchzuführen.
Neben dem Pap-Abstrich machen die Frauenärzte bei den Routinekontrollen noch eine Reihe anderer fragwürdiger Tests. Laut einem Positionspapier der Gynäkologen-Gesellschaft gehören dazu folgende Untersuchungen:
Inspektion der Geschlechtsorgane: Viele Frauenärzte machen diese Inspektion bei jeder Kontrolle. Dabei untersuchen sie die Patientinnen mit Hilfe eines Spekulums oder einer Lupe. Sie wollen damit Entzündungen, Genitalwarzen, Tumore und andere Krankheiten der Scheide erkennen. Das Ärztegremium «US Preventive Services Task Force» stellte vor vier Jahren fest, es gebe keine Beweise für den Nutzen dieser Untersuchungen bei gesunden Frauen. Die Task Force empfiehlt deshalb die Inspektion nicht.
Abtasten von Gebärmutter und Eierstöcken: Viele Frauen empfinden das Abtasten als unangenehm und schmerzhaft. Damit wollen die Frauenärzte Krebs in den Eierstöcken erkennen. Doch verschiedene grosse Studien zeigen: Mit dem Abtasten können Frauenärzte Eierstockkrebs nicht frühzeitig erkennen. Oft glauben sie fälschlicherweise, einen Krebs zu bemerken, obwohl die Frauen gesund sind. Das «American College of Physicians» empfiehlt deshalb, auf das Abtasten zu verzichten.
Ultraschall: Der Arzt führt eine Ultraschallsonde in die Scheide ein. Damit will er Krebs in den Eierstöcken oder in der Gebärmutter erkennen. Fachleute sagen: Diese Untersuchungen sind unnötig. Eine Studie mit rund 200 000 Frauen aus England und Irland zeigte: Die Ultraschalluntersuchungen können keine Todesfälle wegen Eierstockkrebs verhindern. Auch Krebs am Gebärmutterhals lässt sich mit Ultraschall nicht frühzeitig erkennen. Bei vielen Frauen führt die Untersuchung jedoch zu unnötigen Operationen (Gesundheitstipp 2/2021). Die Fachgesellschaft der Gynäkologen empfiehlt, sie nicht routinemässig durchzuführen.
Abtasten der Brust: Die Gesundheitswissenschafterin Ingrid Mühlhauser von der Universität Hamburg sagt, es gebe keine Beweise dafür, dass die Brustkrebsuntersuchung mehr nütze als schade. Eine kanadische Studie zeigte, dass die Ärzte dabei viele Tumore übersehen. Die Website «Medscape» warnt, das Abtasten könne zu unnötigen Eingriffen führen.
Blut- und Urintests: Mit dem Bluttest wollen die Frauenärzte einen Eisenmangel erkennen, mit dem Urintest Blasenentzündungen und Diabetes. Viele Ärzte machen diese Tests routinemässig bei gesunden Frauen. Eine Übersichtsstudie des Forschernetzwerks Cochrane fand jedoch keine Beweise für den Nutzen der Urintests.
Routineuntersuchungen sind ein gutes Geschäft
Für Gesundheitswissenschafterin Ingrid Mühlhauser ist klar: Ärzte müssten die Frauen über die fehlenden Beweise für den Nutzen der Tests informieren. Sie müssten ihnen auch mitteilen, dass sie das Recht haben, auf die Untersuchungen zu verzichten.
Für viele Fachleute ist deshalb klar: Diese Routineuntersuchungen sind vor allem eines – ein gutes Geschäft für die Ärzte. Die Solothurner Frauenärztin Lilian Saemann kritisiert, die Frauenärzte würden viele Patientinnen aus finanziellen Gründen in die Praxis bestellen: «Die jährliche Routinekontrolle bindet Patientinnen an die Frauenarztpraxen und garantiert ihnen ein sicheres Einkommen.» Auch Gesundheitswissenschafterin Ingrid Mühlhauser sagt: «Die Untersuchungen von gesunden Frauen machen einen erheblichen Teil des Ertrags der Arztpraxen aus.» Beispiel Pap-Abstrich: Laut einem neuen Bericht der Universität Freiburg (D) führten Schweizer Frauenärzte im Jahr 2019 über eine halbe Million Pap-Abstriche durch. Kostenpunkt: rund 20 Millionen Franken pro Jahr.
«Krebs ist ungenehmer als ein Abstrich»
Frauenarzt Karl-Heinz Bauer räumt ein, der Pap-Abstrich sei unangenehm. Ein Krebs am Muttermund sei aber «sicher unangenehmer». Die Zeit zwischen Infektion und Beginn der Krankheit schwanke zwischen drei Monaten und drei Jahren. Deshalb empfehle er die jährliche Kontrolle.
Thomas Eggimann, Generalsekretär der Schweizerischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, sagt, es könne vorkommen, dass Frauenärzte beim Abtasten der Brust Tumore übersehen. Dennoch könnten sie «ab und zu» etwas finden, was die Frauen nicht selbst bemerkt hätten.
Umfrage: Gehen Sie regelmässig zum Frauenarzt?
Ruth Eggli (73), Winterthur ZH
«Ja, einmal pro Jahr gehe ich zum Krebsabstrich und Brustuntersuch. Dafür bietet mich der Frauenarzt auf. Die Kontrolle finde ich gut. Falls etwas nicht stimmt, kann ich mich behandeln lassen.»
Haline Herrmann (33), Zürich
«Ja, ich gehe sicher einmal pro Jahr von mir aus zum Frauenarzt. Dann lasse ich mich auf Unterleib- und Brustkrebs untersuchen. Zudem lasse ich mich alle paar Jahre auf HIV und andere Geschlechtskrankheiten testen.»
Viviane Wälchli (58), Zürich
«Ja, aber ich fühle mich fast dazu gezwungen. Ich frage mich, ob der Krebsabstrich und das Brustabtasten wirklich alle zwei Jahre nötig sind. Ausserdem ist es mir unangenehm, wenn mich die Frauenärztin mit der kalten Metallzange untersucht.»
Vanessa Zanni (35), Zumikon ZH
«Ja, ich gehe alle zwei Jahre einen Krebsabstrich machen und lasse die Brust auf Knoten überprüfen. Bevor ich Kinder hatte, liess ich mich sogar einmal im Jahr untersuchen. Ich wollte wissen, ob ich keine verklebten Eileiter habe und ob alles in Ordnung ist.»
Esther Ullmann (40), Rapperswil-Jona SG
«Ja. Ich will wissen, ob ich gesund bin. Das gibt mir ein gutes Gefühl. Deshalb gehe ich von mir aus einmal im Jahr zum Vorsorgeuntersuch und lasse den Krebsabstrich machen.»
Piera Honegger (18), Schaffhausen
«Nein. Bis jetzt war ich nur wegen der Pille beim Frauenarzt. Und einmal hat er die Gebärmutter abgetastet. Es war ein komisches Gefühl. Aber es hat mich nicht gross gestört, weil das einfach dazugehört.»
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