Silvia und Marc Egli aus Zürich besuchen seit anderthalb Jahren einen Tanzkurs. Danach kämen sie jedes Mal beschwingt nach Hause, erzählt Silvia Egli. «Sogar unsere Hunde wollen dann mittanzen.» Marc Egli glaubte früher, er habe kein Talent fürs Tanzen. Doch mit der Zeit habe er «ein Gefühl für die Bewegungen» seiner Frau entwickelt, sagt er (siehe auch rechts).
Die Tänzerin Marianne Kaiser aus Zürich leitet den Kurs, den das Ehepaar Egli besucht. Sie sagt: «Wichtiger als die korrekten Schritte ist beim Tanzen das Gefühl füreinander.» Sie hat festgestellt, dass die Paare dabei echte Zuneigung zeigen. Kaiser: «Es ist wunderbar, wie liebevoll die Paare in meinen Kursen miteinander umgehen.»
Tanzen schafft eine intensive Nähe
Studien bestätigen, dass Tanzen ein Elixier für die Partnerschaft ist. Die dänische Neurowissenschafterin und ehemalige Profiballerina Julia F. Christensen untersucht am Max-Planck-Institut in Frankfurt, was beim Tanzen im Gehirn passiert. Ihre Erkenntnisse hat sie mit einem Kollegen im Buch «Tanzen ist die beste Medizin» festgehalten (siehe Buchtipp).
Ein Fazit der Forscherin: «Wenn ein Paar eine Nacht lang durchgetanzt hat, sind sich die Partner gefühlt manchmal näher als nach zwei Jahren Konversation.» Beim Tanzen gehe es nicht nur um Erotik, sagt Christensen. «Tanzen ist noch einiges mehr, zum Beispiel ein Ausdruck von Gefühlen, Meditation oder Konfliktbewältigung.»
Meist schauen sich Paare beim Tanzen in die Augen. Auch das bewirkt, dass sie sich näherkommen. Eine Übersichtstudie im «Journal of Research in Personality» wies diesen Effekt nach: Wenn sich Paare nur schon zwei Minuten lang anblickten, verstärkte sich messbar ihre Bindung. Hinzu kommt: Beim Tanzen schüttet der Körper das Bindungshormon Oxytocin aus. Auch das stärkt die Beziehung. Christensen: «Wenn wir sanft berührt werden, weiss unser Gehirn: Wir sind in Sicherheit.»
Beim Tanzen synchronisieren sich zudem Regionen im Gehirn der Tänzer. Das führt dazu, dass Paare Aufgaben im Alltag gemeinsam besser meistern: Das zeigt eine Untersuchung der englischen Universität Stanford von 2009. Tanzpartner, die sich synchron bewegten, arbeiteten danach beim Lösen von Aufgaben besser zusammen. Christensen: «Das ist eine Meisterleistung der Evolution.»
Tanzen stärkt auch die Empathie zum Partner. Das belegt eine chinesische Studie von 2019: Die Forscher hatten mit einem Scanner die Aktivitäten im Gehirn von 65 Personen untersucht. Das Hirnareal, das für Empathie zuständig ist, war bei Tänzern am aktivsten. Laut Christensen stärken Tanzpaare die wechselseitige Empathie besonders gut, wenn sie die Rollen tauschen: Mal führt er, mal sie.
«Beim Tanzen müssen wir uns zusammenreissen»
Auch Barbara Läuchli und Annette Rafeld aus Winterthur sind ein Paar, das häufig gemeinsam tanzt. Annette Rafeld sagt: «Wir gehen auch dann in die Tanzstunde, wenn wir mal Streit haben.» Es könne zwar passieren, dass sie sich gegenseitig auf die Füsse stünden. «Wir müssen uns dann im positiven Sinn zusammenreissen.» Tanzen allein kann zwar laut Christensen Machtkämpfe nicht beenden, aber: «Tanzen kann ein Heilmittel beim Bewältigen von Konflikten sein.»
Zum Tanzen braucht man übrigens keine besondere Begabung. «Jeder kann tanzen», ist Christensen überzeugt. Diese Art, sich zu bewegen, sei dem Menschen angeboren. «Wir brauchen nur uns selbst und die passende Musik.»
Silvia und Marc Egli, Zürich
Silvia (65): «Uns geht beim Tanzen das Herz auf. Das merken selbst unsere Hunde. Wenn wir nach dem Tanzen beschwingt nach Hause kommen, wollen sie auch mit uns tanzen. Das Lustvolle überträgt sich. Tanzen hilft auch, bei sich zu bleiben. Und gleichzeitig wird man eins mit dem Partner.»
Marc (68): «Ich dachte lange, ich hätte zwei linke Füsse. Aber es geht immer besser. Man gewöhnt sich aneinander und entwickelt ein Gefühl für die Bewegungen des Partners. Zudem wird man nachsichtiger mit den eigenen Fehlern und denen des Partners.»
Gerty und Roland Oberholzer, Bäretswil ZH
Gerty (68): «Roland und ich tanzen gemeinsam, seit wir ein Paar sind. Es ist ein schönes Spiel: Roland gibt die Impulse, und ich setze sie um. Aber ich kann diese auch verweigern.»
Roland (69): «Wenn wir eine komplizierte Figur üben, braucht es uns beide. Der gemeinsame Erfolg stärkt die Beziehung. Es ist kein Machtkampf. Frauen sagen heute ja auch direkter, was sie wollen. Warum sollte es beim Tanzen anders sein? Der Führende muss eben einfach vorausdenken. Das Tanzen macht mich selbstbewusster.»
Barbara Läuchli (l.) und Annette Rafeld, Winterthur
Barbara (68): «Das Tanzen ist eine lustvolle Möglichkeit, sich zu bewegen. Ich muss mich als Führende stark in meine Partnerin hineinfühlen können. Und ich brauche auch den Gegendruck, damit ich sie meinerseits spüre.»
Annette (64): «Beim Tanzen nehme ich meine Partnerin auf einer anderen Ebene wahr als sonst. Ich muss mich mitteilen und Empathie zeigen. Als Folgende muss ich mitgehen und die Impulse von Barbara interpretieren. Das hilft mir später auch im Alltag.»
Tipps: Gehen Sie doch einfach tanzen!
- Überlegen Sie sich, welcher Tanz zu Ihnen passt – und ob Ihnen die Musik dazu gefällt.
- Verabreden Sie eine Schnupperstunde in einer Tanzschule. Das ist in der Regel kostenlos.
- Tragen Sie beim Tanzen bequeme Schuhe und Kleider. Oft reichen Turnschuhe. Neue Schuhe sollten Sie nicht verwenden. Tanzschuhe braucht man erst als fortgeschrittener Tänzer.
- Nehmen Sie ein Oberteil zum Wechseln mit.
- Achten Sie auf die Körperhygiene. Verwenden Sie ein Deo.
- Tanzen Sie selbstbewusst. Auch wenn Sie sich beobachtet fühlen: Auf der Tanzfläche schauen nicht alle auf Sie.
- Falls Sie sich trotzdem unwohl fühlen: Besuchen Sie einen Tanzkurs an einem Ort, wo man Sie nicht kennt.
Nützliche Adressen
Tänze, Tanzkurse: Tanzvereinigung-schweiz.ch oder Tel. 044 833 67 70
Tanzschulen, Tanzlehrer: Swissdance.ch oder Tel. 056 221 51 57.
Buchtipp
Julia F. Christensen, Dong-Seon Chang, «Tanzen ist die beste Medizin», Rowohlt Polaris Verlag, Fr. 24.90