Sepp Zurfluh aus Rothenburg LU bestellt seit vielen Jahren Medikamente bei einer ausländischen Versandapotheke. Er sagt: «Die Produkte kosten nur etwa halb so viel wie in der Schweiz.» Vor kurzem bestellte er im Internetshop Versandapo.de Mund- und Rachenspray, Durchfalltabletten, Aspirin und ein weiteres Schmerzmittel. Warenwert: knapp über 60 Euro.
«Mir war nicht bewusst, dass das illegal ist»
Einige Wochen später fand Zurfluh in seinem Briefkasten nicht die bestellten Mittel, sondern einen Brief der Arzneimittelbehörde Swissmedic. Die Zollverwaltung hatte sein Paket Swissmedic übergeben. Die Behörde teilte Zurfluh mit, er habe die Einfuhrregeln verletzt. Eine Privatperson dürfe Medikamente aus dem Ausland nur für einen «therapeutischen Monatsbedarf» einführen. Beim Nasenpray habe Zurfluh diese Menge überschritten. «Ohne Ihre Einsprache innert 30 Tagen werden wir Ihre illegale Sendung vernichten», hiess es im Schreiben. Zudem drohte Swissmedic Zurfluh, «ein Strafverfahren einzuleiten» für den Fall, dass dies nochmals passiere. Zurfluh erschrak: «Mir war nicht bewusst, dass ich etwas Illegales tat.»
Fachleute schütteln über das Vorgehen von Swissmedic den Kopf. Arne Weinberg von der deutschen Verbraucherzentrale findet es «wenig sinnvoll», den Import von rezeptfreien Medikamenten zu begrenzen. Solche Arzneimittel können Patienten in Apotheken überall frei kaufen. Arzt Wolfgang Becker-Brüser von der Fachzeitschrift «Arznei-Telegramm» bezeichnet das Begrenzen von Medikamentenimporten als «willkürlich». Für den Preisüberwacher Stefan Meierhans ist klar: Es gehe der Behörde um eine «Abschottung» des einheimischen Medikamentenmarktes.
Swissmedic stützt sich auf das Heilmittelgesetz. Doch dieses gibt keine bestimmte Limite für den Einkauf von Medikamenten im Ausland vor. Es erlaubt Privatpersonen generell, «kleine Mengen» zu importieren. Hinzu kommt: Nachbarstaaten wie Deutschland und Frankreich erlauben Privatpersonen, Medikamente für den Bedarf von drei Monaten einzuführen. Eine solche Regelung hält Preisüberwacher Stefan Meierhans für sinnvoll. Wirtschaftsprofessor Stefan Feldmann von der Uni Basel fordert, Patienten müssten «grundsätzlich einen freien Zugang» zu Medikamenten aus dem Ausland haben. Laut Feldmann wäre es angemessen, dass Privatpersonen Medikamente für den Bedarf von drei bis sechs Monaten einführen könnten.
«Risiko für gefälschte Arzneien ist gering»
Swissmedic behauptet weiter, es sei unter Umständen riskant, Medikamente im Internet zu bestellen. Die Mittel könnten zu viel oder zu wenig Wirkstoff enthalten – oder Substanzen, die gar nicht zugelassen seien. Dieses Argument überzeugt Fachleute nur bedingt. Denn es gibt eine einfache Methode, um zu erkennen, ob ein Internetverkäufer vertrauenswürdig ist. Anerkannte Versandapotheken in EU-Ländern kennzeichnen ihre Shops mit einem Sicherheitslogo (siehe Bild im PDF). Jörg Schaaber von der pharmakritischen Organisation «Buko Pharma-Kampagne» sagt: «Bei Versandapotheken, die das Sicherheitslogo der EU verwenden, ist das Risiko für gefälschte Medikamente gering.» Das Logo lässt sich im Internet anklicken, dann wird man auf die Website der zuständigen Arzneimittelbehörde weitergeleitet.
Die SP-Gesundheitspolitikerin Yvonne Feri aus Wettingen AG bezweifelt, dass eine Beschränkung auf eine Monatsdosis den Handel mit illegalen Arzneien verhindert: «Besser wäre es, die eingeführten Medikamente zu kontrollieren.»
Swissmedic schreibt, im Gesetz sei eigentlich nicht vorgesehen, dass Private Medikamente importieren dürften. Es handle sich um eine Ausnahmeregelung für Touristen, die im Ausland Arzneien kaufen müssen. Das Bundesverwaltungsgericht habe in mehreren Urteilen bestätigt, dass der Ausnahmeartikel «restriktiv und beschränkt auf einen Monat» auszulegen sei.
Sepp Zurfluhs Bestellung ging schliesslich an die Apotheke zurück, das Geld erhielt er zurückerstattet. Das Schreiben von Swissmedic habe ihn eingeschüchtert, sagt er. «Ich getraue mich nicht mehr, Medikamente im Internet zu bestellen.»