Zwölf Würfelzucker enthält eine Halbliterflasche Coca-Cola. Für den Ernährungsexperten Heinz Knieriemen ist klar: «Gezuckerte Getränke sind für so viele Krankheiten verantwortlich wie kein anderes Produkt, mehr noch als Zigaretten.»
Trotzdem dürfen die Hersteller ungehindert für Süssgetränke werben, sogar bei Kindern. Dem wollte der Nationalrat ein Ende setzen: Im Lebensmittelgesetz fügte er einen Artikel ein, laut dem der Bundesrat die Lebensmittelwerbung für Kinder einschränken kann, sofern diese Lebensmittel «anerkannte Ernährungsempfehlungen nicht erfüllen». Doch die Branche lief dagegen Sturm. Die Grüne Nationalrätin Yvonne Gilli sagt, sie habe noch selten wegen einer Vorlage so viele Mails bekommen wie zu diesem Gesetz.
Letzten November befand der Nationalrat zum zweiten Mal über den Artikel. Bürgerliche Politiker sprachen sich dagegen aus. Etwa BDP-Nationalrat Lorenz Hess, von Beruf PR-Berater: Es liege «in der Verantwortung der Eltern, die Kinder für die richtigen Nahrungsmittel zu sensibilisieren». In der Abstimmung kippte der Nationalrat um und stimmte nun knapp gegen den Artikel. Damit ist er vom Tisch.
Doch das ist den Getränkeherstellern nicht genug. Noch am selben Tag gaben sie bekannt, man habe eine «Informationsgruppe Erfrischungsgetränke» gegründet. Unter diesem wohlklingenden Namen haben sich Getränkeproduzenten und Parlamentarier zusammengeschlossen. Präsident ist Lorenz Hess. Als Vizepräsident amtet Matthias Schneider, Mediensprecher von Coca-Cola Schweiz. Die Gruppe will sich um die Themen «ausgewogene Ernährung und Gesundheit» kümmern.
Doch für Gilli ist klar: «Hier geht es nicht um Gesundheit, sondern um Lobby-Arbeit.» Auch der Basler Kinderarzt Andreas Bächlin kritisiert die Gruppe: «Solche Organisationen sind dazu da, griffige Gesetze zu sabotieren.»
Für Beobachter ist klar: Mit der Gruppe will die Branche Gegensteuer geben. Etwa gegen eine spezielle Steuer auf Süssgetränke: Die Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz hat dazu kürzlich einen Bericht veröffentlicht. «Das ist der Industrie natürlich ein Dorn im Auge», so Gilli.
Lorenz Hess, Präsident der Informationsgruppe, bestätigt dem Gesundheitstipp: «Ja, solche Bestrebungen waren sicher ein Grund, diese Gruppe zu gründen.» Der Anstoss dazu sei aus der Industrie gekommen. «Es ist für jede Branche gut, wenn sie ein paar Leute um sich hat, die sie aus erster Hand informieren kann.» Es handle sich aber nicht um eine heimliche Lobby-Gruppe, so Hess: «Wir wollen offen informieren.» Trotzdem gab Hess auf Anfrage nicht bekannt, wer in der Gruppe mitmacht. Sie sei «noch nicht fix konstituiert», so die Begründung.
Abstimmung: Bürgerliche sagten Nein
Im Nationalrat stimmten die Bürgerlichen fast geschlossen gegen Werbebeschränkungen für problematische Nahrungsmittel:
- CVP-EVP: Nein (Ja stimmten Ruth Humbel, Maja Ingold, Jacques Neirynck, Markus Ritter, Marianne Streiff-Feller)
- BDP: Nein (Ja: Bernhard Guhl)
- FDP-Liberale: Nein (Ja: Jacques Bourgeois, Ignazio Cassis, Olivier Français, Hugues Hiltpold, Isabelle Moret)
- SVP: Nein (Ja: Verena Herzog)
- Sozialdemokraten: Ja
- Grüne: Ja
- Grünliberale: Ja