Stugeron ist ein Reisemedikament: Es schützt vor Übelkeit im Auto, im Car oder im Flugzeug. Der Wirkstoff verbessert die Durchblutung im Innenohr, wo sich das Gleichgewichtsorgan befindet. So wird es Reisenden weniger schwindlig und schlecht.
Doch Stugeron hat Nebenwirkungen: Es macht schläfrig. Damit steigt das Unfallrisiko, wenn man ein Auto lenkt. Zudem reagiert es mit anderen Medikamenten und kann etwa Schlaf- oder Beruhigungsmittel verstärken. Deshalb bekommt man Stugeron neu nicht mehr ohne Weiteres in Apotheken. Sie dürfen es zwar noch ohne Rezept verkaufen, müssen aber die Personalien aufnehmen und Kunden beraten: Sie sollten über Nebenwirkungen aufklären und fragen, ob man andere Medikamente nimmt. Dafür dürfen Apotheker eine Gebühr verlangen.
Zwar kassieren fast alle Apotheken gerne die Pauschale von rund 7 Franken, doch die Beratung ist oft mangelhaft. Das zeigt eine Stichprobe des Gesundheitstipp. Testkunden kauften Stugeron in sechs Apotheken in Basel, Bern und Zürich. Die Testteams gingen drei Mal in jede Apotheke. Am besten schnitt noch die Amavita-Apotheke im Hauptbahnhof Zürich ab. Doch auch sie erreichte nur 7 von 12 möglichen Punkten (siehe Tabelle im PDF).
Nur eine Mitarbeiterin in der City Apotheke Basel warnte vor Schläfrigkeit und riet vom Autofahren ab. Bei allen anderen Testkäufen gaben die Angestellten das Medikament ab, ohne das zu erwähnen. Der Berner Pharmakologe Bernhard Lauterberg kritisiert: «Wenn man Stugeron gegen Reisekrankheit nehmen will, muss die Apotheke vom Autofahren abraten.» Auch die Frage, ob der Kunde andere Medikamente nehme, stellten nicht alle, auch Mitarbeiterinnen der Berner Apotheke Dr. Noyer sowie der beiden Basler Apotheken nicht.
Apotheker müssten persönlich informieren
Das Heilmittelgesetz sieht bei der Abgabe einen «direkten Kontakt» der Apothekerin mit dem Kunden vor. Das geschah aber nur in vier Apotheken – zumindest teilweise. Meistens machten Pharma-Assistentinnen die Beratung und informierten danach die Apotheker, ohne dass diese in Erscheinung traten.
«Das genügt nicht», sagt Lukas Jaggi von der Schweizer Heilmittelbehörde Swissmedic: «Der Apotheker muss das Präparat persönlich abgeben und dies dokumentieren.» Auch Bernhard Lauterburg bemängelt: «Es macht nicht viel Sinn, wenn der Apotheker erst im Nachhinein orientiert wird.» Einzelne Mitarbeiterinnen der Bellevue Apotheke in Zürich, der Dr. Noyer Apotheke in Bern und der Toppharm Apotheke Health & go gaben Stugeron sogar heraus, ohne den Apotheker zu informieren.
Apotheken müssen auch die Personalien der Kunden aufnehmen. Das versäumte die Zürcher Bellevue Apotheke bei einem Testkauf.
Alternative Mittel gegen Reiseübelkeit
Das ganze Prozedere wegen Stugeron kann man sich sparen: Auch andere Mittel helfen gegen Reiseübelkeit. Zum Beispiel Itinerol oder Trawell: Beide bekommt man in der Apotheke ohne Weiteres. Doch auch sie können müde machen. Gesundheitstipp-Ärztin Stephanie Wolff empfiehlt Ingwer: «Das hat sich sehr bewährt gegen Übelkeit», sagt sie. Man kann ein Ingwerbonbon lutschen, ein Stück frischen Ingwer kauen oder einen Tee daraus machen. Als fertiges Präparat gibt es die Ingwerkapseln Zintona.
Wer etwas Homöopathisches versuchen möchte, kann Cocculine ausprobieren. Es enthält Extrakte aus Scheinmyrte, der Tabakpflanze und der Gewöhnlichen Brechnuss. Oft hilft es auch, wenn man mit den Augen ein unbewegliches Objekt fixiert und den Kopf gegen die Kopfstütze presst.
Alle Apotheken schreiben, sie werden das Personal darauf hinweisen, künftig auf die Nebenwirkungen von Stugeron aufmerksam zu machen. Die Berner Apotheke Dr. Noyer und die Zürcher Bellevue Apotheke versprechen, sie würden das Team bezüglich Abgabe von Medikamenten wie Stugeron nachschulen. Es sei jedoch erlaubt, dass auch andere Mitarbeiter als die Apotheker beraten; dies liege im Ermessen des Apothekers.
Die Zürcher Amavita Bahnhof Apotheke und die Berner Apotheke Coop Vitality schreiben, dies ermögliche einen effizienten Service. Sie berufen sich dabei auf eine Empfehlung der Vereinigung der Kantonalapotheker.
Bei diesen Pillen fallen neu Gebühren an
Mit der Revision des Heilmittelgesetzes wurde die bisherige Abgabekategorie C aufgehoben. Damit braucht man für zahlreiche Medikamente ein Rezept, zum Beispiel für Stugeron gegen Reisekrankheit, Domperidon und Motilium gegen Erbrechen oder Escotussin gegen Husten (Gesundheitstipp 1/2019). Die Apotheken dürfen die Mittel aber auch ohne Rezept abgeben. Sie müssen dazu die Personalien der Kunden aufnehmen und sie beraten. Dafür verlangen sie eine Gebühr, in der Regel um 7 Franken. Die Stiftung für Konsumentenschutz listet auf ihrer Website 180 Apotheken auf, die freiwillig auf die Gebühr verzichten: Konsumentenschutz.ch/online-ratgeber/medikamente-kaufen
Gratis-Merkblatt: «Reiseapotheke»
Das Merkblatt lässt sich hier herunterladen.