Bis zu 6 Kilo Gewichtsverlust und 5 Zentimeter weniger Bauchumfang in zehn Tagen.» Das verspricht Sportfasten, ein Trainingsprogramm der extremen Art: Strikte Diät kombiniert man mit Ausdauersport. Die Idee stammt von einem Arzt aus Holland. Auch in Deutschland ist das Programm bereits verbreitet. Jetzt bieten es die ersten Fitnessberater in der Schweiz an. Eine von ihnen ist Silvia Butti, Fitnessberaterin und medizinische Masseurin aus Herdern im Kanton Thurgau.
Die Muskeln sollen Fett statt Zucker verbrennen
In der Praxis sieht Sportfasten so aus: Während der ersten drei Tage isst man Obst, Salat und Gemüse sowie ein Minimum an Kohlenhydraten. Danach folgen drei Fastentage, an denen nur Fruchtsäfte und Wasser auf dem Speiseplan stehen. An den letzten vier Tagen darf man wieder essen – hauptsächlich Obst, Salat und Gemüse. Zugleich nimmt man Nahrungsergänzungsmittel zu sich, etwa Kalzium, Magnesium und Zink. So komme es nicht zu einer «Unterversorgung von Mineralien» im Körper, sagt Butti. Pro Tag soll man zudem 30 Minuten intensiv einen Ausdauersport, wie Velofahren oder Joggen, betreiben.
Das Ziel von Sportfasten ist der «Metabolic Switch»: Die Muskeln sollen Fett statt Zucker verbrennen, um überflüssige Kohlenhydrat-Reserven abzubauen.
Zwei bis vier Stunden Sport pro Tag
Ein ähnliches Programm bietet auch das Kur- und Ferienhaus St. Otmar in Weggis LU an. Teilnehmer machen pro Tag zwei bis vier Stunden Sport, zum Beispiel Joggen, Wandern oder E-Biken. Zugleich nehmen sie die ganze Woche nur Wasser, Tee, Bouillon, Gemüse- und Fruchtsäfte sowie Molkedrinks zu sich. Insgesamt mindestens 3 Liter pro Tag, wovon die Hälfte Wasser sein sollte. Eine solche Kurwoche kostet für eine Einzelperson 370 bis 1000 Franken.
Bei Gesundheitsfachleuten lassen solche Programme die Alarmglocken klingeln. Ulrich Keller, emeritierter Professor für Endokrinologie und Diabetologie an der Universität Basel, sagt, dieses Diätprogramm könne sich negativ auf die Gesundheit auswirken. Die Kombination von Sport und mangelhafter Zufuhr von Kohlenhydraten könne zu Unterzuckerung, Schwankungen des Blutdrucks und Blutdruckabfall bis hin zum Kollaps führen – insbesondere bei Personen mit «labilem Kreislauf». Und der rasche Gewichtsverlust sei vor allem die Folge des Verlusts an Körperwasser. Zugleich sei der JoJo-Effekt programmiert, sobald man das Fasten einstelle. «Mir käme es nicht im Traum in den Sinn, für so etwas Geld auszugeben», sagt Keller.
Jojo-Effekt ist «sehr wahrscheinlich»
Ähnlich kritisch äussert sich Renward Hauser, Arzt und Spezialist für klinische Ernährung in Zürich. Die Versprechen von Fitnessberaterin Butti etwa hält er für «überhebliche Anmassungen». Der Muskelaufbau zum Beispiel benötige eine längere Aufbauarbeit als einige wenige Tage. Hausers Fazit: «Viel warme Luft und süffige Marketing-Begriffe.»
Die Zürcher Jugendpsychiaterin Dagmar Pauli warnt gar vor einer Essstörung: «Gerade für junge Menschen ist das Programm riskant.» Viele könnten bei solch extremen Methoden nicht mehr mit dem Abnehmen aufhören. Zudem hält auch Pauli den JoJo-Effekt für «sehr wahrscheinlich». Pauli: «Ein radikales Umstellen der Ernährung klappt aus psychologischen Gründen nicht.» Wenn man sich selber etwas eine Zeit lang verbiete, wolle man es später umso mehr. Und wissenschaftliche Belege, dass Sportfasten wirke, gebe es nicht.
Silvia Butti weist die Kritik zurück. Von ihren Teilnehmern sei noch nie jemand kollabiert. Es könne zwar sein, dass jemandem während des Sports schwindlig werde. Ein Problem sei das aber nicht. Denn dann würde sie «sofort die Intensität verringern». «Die Leute walken dann anstatt zu joggen.» Und wenn man nach den zehn Tagen auf die Ernährung achte und nicht zu viele Kohlenhydrate esse, gebe es auch keinen JoJo-Effekt.
Maya Bachmann-Krapf vom Kurhaus St. Otmar, sagt: «Bei uns ist Abnehmen nicht primär das Ziel.» Das könne ein «schöner Nebeneffekt» sein. Und zur Gefahr eines Kollapses sagt sie: «Ich behaupte nicht, dass das nicht passieren kann.» Im Kurhaus, wo eine fachlich ausgebildete Begleitung gewährleistet ist, sei das aber noch nie vorgekommen. Wenn jemand unter einem zu tiefen Blutdruck leide oder das komplette Fasten für ihn zu viel sei, könne man die Kur anpassen. Beispielsweise, indem man ein «Suppen- oder Basenfasten» mache.
Beim Ausdauersport sollte man schwitzen
Eine Kombination aus Sport und Diät ist natürlich nicht per se schlecht. «Wer abnehmen will, darf ruhig etwas weniger essen», sagt Fritz Bebie, Fitnessberater aus Erlenbach ZH. Sein Tipp: Bei jeder Mahlzeit nur so viel auf den Teller laden, dass man das Gefühl hat, es sei knapp genug. Aufs Nachschöpfen verzichtet man besser.
Am Morgen empfiehlt Bebie Müesli oder Joghurt. Auch Brot, Käse und Konfitüre seien in Ordnung. Auf Butter und Eier mit Speck solle man aber verzichten. Am Mittag setzt man Kohlenhydrate auf den Menüplan – etwa ein Risotto oder Teigwaren mit Gemüse. Nicht aber fürs Abendessen. Bebie: «Besser ist es, Poulet, Fleisch oder Fisch mit Gemüse zu essen.» Wer sich am Tag jedoch viel bewegt habe, dürfe sich dazu auch einmal ein Stück Brot oder zwei kleine Kartoffeln gönnen.
Sport treiben solle man zwei-, besser dreimal pro Woche, jeweils mindestens eine halbe Stunde. Ob man Velo fahre, schwimme, jogge oder wandere, spiele nicht so eine grosse Rolle. «Wichtig ist, dass es ein Ausdauersport ist, bei dem man ins Schwitzen kommt und der Puls erhöht ist.»
So nehmen Sie nachhaltig ab
- Machen Sie keine extreme Diät.
- Stellen Sie Ihre Ernährung langfristig um. Essen Sie viel Gemüse und Obst und nur wenig Wurst, Käse, Pasta und Süsses.
- Essen Sie nicht zwischen den Mahlzeiten.
- Wenn Sie nicht auf Snacks zwischendurch verzichten können, essen Sie Gemüse oder Früchte.
- Trinken Sie Wasser oder ungesüssten Tee statt Süssgetränke und Fruchtsäfte.
- Bewegen Sie sich zwei-bis dreimal pro Woche eine halbe Stunde, sodass der Puls leicht erhöht ist.
- Integrieren Sie Bewegung in den Alltag. Fahren Sie z. B. per Velo zur Arbeit oder steigen Sie eine Busstation früher aus.