René Schnüriger, Sie arbeiten auf der Autobahn. Wie halten Sie die Sommerhitze aus?
Bei 30 Grad muss ich auf die Zähne beissen. Unter der Schutzkleidung und unterm Helm wird es siedend heiss, das verträgt mein Körper schlecht. Abends bin ich total fertig.
Hatten Sie schon einmal einen Sonnenstich?
Mehr als einmal. Dann kriegte ich Migräne und musste erbrechen.
Die Hitze ist ja nicht die einzige Gefahr. Sie arbeiten wenige Meter neben rasenden Autos, nur geschützt durch Absperrwände. Haben Sie Angst?
Angst nicht, aber mir ist stets bewusst, dass ich mein Leben riskiere. Früher dachte ich gar nicht darüber nach, erst seit Juli des letzten Jahres.
Was ist passiert?
Ich war auf dem Pannenstreifen, sass noch im Auto. Da fuhr ein Lastwagen direkt auf mich zu. Im letzten Moment sah er mich, wich aus und streifte mein Auto.
Waren Sie verletzt?
Nein, aber ich hatte einen Schock. Nachher fürchtete ich mich, wenn ich wieder auf die gleiche Baustelle musste. Dann verfolgte mich das schrammende Geräusch im Ohr, als Blech auf Blech traf. Das war schon das zweite Mal, dass ich dem Tod nahe kam.
Was geschah beim ersten Mal?
Es war nachts. Wir hatten eine Fahrspur mit orangen Kegeln abgesperrt, um Verkehrstafeln zu montieren. Ich stand auf der gesperrten Spur, als plötzlich ein Autofahrer mitten durch die Kegel raste. Er fuhr haarscharf an mir vorbei.
Haben diese Ereignisse Sie danach verfolgt?
Ja. Ich malte mir aus, was hätte passieren können. Zum Beispiel, wie meine Knochen gebrochen wären, wenn er mich überfahren hätte. Wie ich hätte sterben können – und das nur, weil ein Autofahrer Mist macht.
Also hatten Sie doch Angst?
Am Anfang schon. Doch dann sagte ich mir: Es passiert schon nichts.
Und das half?
Ja, zum Glück. Denn mit Angst zu arbeiten, wäre gefährlich, dann ist man unkonzentriert.
Hegen Sie einen Groll gegen Autofahrer?
Früher war ich oft frustriert. Denn wir setzen alles daran, Strassenschäden so schnell wie möglich zu reparieren. Doch manche Autofahrer verstehen das nicht und verabscheuen uns, weil wir sie aufhalten.
Woran merken Sie die Abscheu?
Sie beschimpfen uns durchs offene Fenster. Viele zeigen den Mittelfinger und werfen manchmal sogar mit Äpfeln oder Flaschen nach uns.
Macht Sie das nicht traurig?
Heute lasse ich das nicht mehr an mich ran. Die Leute sind halt auch unter Stress. Vielleicht müssen sie Lieferfristen einhalten oder rechtzeitig an eine Sitzung kommen. Und wenn sie unseretwegen abbremsen müssen, geraten sie in den roten Bereich und werden primitiv.
Zur Person: René Schnüriger
Der Vorarbeiter beim Tiefbauamt des Kantons Zürich repariert sei elf Jahren Strassenbeläge, montiert Verkehrstafeln und Leitschranken. Letztes Jahr war er auf einem Plakat zu sehen, das Autofahrer bei Baustellen zur Rücksichtnahme mahnt.