Es passierte an einem strahlenden Wintertag. Fabienne Hofmann sass auf einem Holzschlitten. Sie sah bereits die Talstation des Berner Hausbergs Gurten. Mit den Füssen stiess sie sich ab, der Schlitten nahm Fahrt auf. Dann sah sie vor sich ein Kind. Sie bremste, wich an den Rand der Piste aus – und geriet auf eine vereiste Schanze. «Der Schlitten rutschte unter meinem Po weg – ich landete mit Schwung auf dem Rücken», erinnert sich die heute 31-jährige Baslerin. «Ich schrie vor Schmerzen.» Kein Wunder: Im Spital stellten die Ärzte fest, dass sie einen Lendenwirbel gebrochen hatte.
Hofmann ist kein Einzelfall: In der Schweiz verunfallen jedes Jahr rund 7000 Menschen beim Schlitteln. Das sind Zahlen der Beratungsstelle für Unfallverhütung (BfU). Einer der Gründe: Nicht alle Schlittelstrecken sind sicher. Das zeigte ein Test des Gesundheitstipp. Er prüfte sechs Bahnen in den Kantonen Bern, Graubünden, Obwalden und Uri (Tabelle im PDF). Expertin war Sarina Buser vom Bundesamt für Sport. Sie ist Verantwortliche für Sicherheit und Unfallprävention bei Jugend + Sport. Buser beurteilte den Zustand der Mietschlitten, die Informationen über die Strecken sowie die Sicherheit der sechs Pisten.
Kreuzung: Beinahe mit Skifahrerin kollidiert
Am schlechtesten schnitt die Schlittelbahn auf dem Männlichen im Berner Oberland ab. Kurz nach dem Start hat Sarina Buser plötzlich eine gefährliche Kreuzung vor sich: Zwei Skipisten kommen zusammen, der Schlittelweg führt mitten hindurch. Es braucht Tempo, um es über die steile, vereiste Stelle zu schaffen. Die Skifahrer sind zum Teil unsicher, zum Teil sehr schnell unterwegs. Fachfrau Buser wartet, bis die Bahn frei wird, dann fährt sie los. Es geht gut – doch im letzten Moment schiesst eine Skifahrerin von der Seite auf sie zu. Buser schafft es gerade noch, die Skifahrerin kreuzt die Schlittelpiste lediglich einen Meter hinter ihr. «Das war knapp», sagt die Expertin. Für sie ist klar: «Diese Kreuzung ist viel zu gefährlich gemacht.» Skifahrer hätten auf einer Schlittelbahn nichts zu suchen.
Auch in Tschiertschen GR ist der Schlittelspass schon früh getrübt: Einer der beiden Mietschlitten hat einen Drall nach rechts. Der Grund: Eine Querstrebe des Holzschlittens ist angebrochen, eine Schraube fehlt – die äusserste Latte hängt lose. Buser: «Bei Buckeln und Schlägen könnte dieser Schlitten brechen.» Dann könnte man sich an der Latte verletzen. Einen defekten Schlitten erhalten Buser und der Gesundheitstipp auch in Andermatt UR. Der Riemen hält nur auf der rechten Seite. Zudem riskiert man, auf den Schlittelwegen dieser beiden Orte Skifahrer oder Spaziergänger anzutreffen.
Auf der Schlittelbahn Ristis in Engelberg OW fällt eine heikle Stelle auf: Unmittelbar nach der ersten, engen und steilen Rechtskurve stehen mehrere Zaunpfosten knapp unterhalb des Wegrands. Sie sollten das Fangnetz sichern. Statt mit professionellen Schutzmatten sind sie mit Schaumstoff und alten Bettmatratzen umwickelt. «Das sieht gebastelt aus», sagt Buser. Zudem sind unterhalb des Netzes kaputte Drahtgitter zu sehen – ein erhebliches Verletzungsrisiko für Schlittler, die vom Weg abkommen.
«Buckel auf der Piste sollte man signalisieren»
Die Expertin testete auch die Schlittelbahn Leiterli-Pöschenried in Lenk BE. Im unteren Teil ist die Piste plötzlich bucklig. «Das sollte man signalisieren», sagt Buser. «Wer ungebremst hineinfährt, kann die Kontrolle verlieren.» Ansonsten war die Bahn in einem guten Zustand. Doch auch auf sicheren Wegen müssen Schlittler aufpassen. Die wichtigste Regel ist, das Tempo dem Können und den Verhältnissen anzupassen. Buser: «Man sollte auf Sichtweite bremsen können und vorausschauend fahren.»
«Abgrund müsste man viel besser sichern»
Szenenwechsel: Auf dem Rinerhorn in Davos GR ist die Abfahrt rasant. Frühmorgens, wenn der Schnee noch gefroren ist, ist sie ein Übungsplatz für Sportrodler. Auch Buser erreicht ein hohes Tempo. Vor einer Kurve bremst sie und folgt einer Spur: Der Schlittler hatte offenbar die Kurve nicht geschafft, sondern war über den kleinen Schneewall gefahren. «Hier müsste man den Abgrund viel besser sichern, etwa mit Netzen», sagt die Expertin. Tatsächlich: Ein paar Schritte weiter fällt der Hang steil ab zu einem Bach. Hier könnten Schlittler einige Meter nach unten stürzen. Ansonsten ist die Bahn jedoch sehr gut gesichert. Besonders positiv fielen die gut ausgerüstete Mietstation und das kompetente Personal auf.
Lenk Bergbahnen schreibt zur Kritik, eine Signalisation sei nicht nötig. Bei den Brunni-Bahnen Engelberg heissts, der Schnee sei aktuell knapp. Daher sei die Schlittelbahn mit Holzpfählen, Zaun und «behelfsmässigen Schutzmatten» geschützt. Andermatt gibt an, die Schlitten würden regelmässig überprüft. Und die Bergbahnen Tschiertschen wollen die defekten Schlitten nun aussortieren. Die Gondelbahn Grindelwald Männlichen schreibt, trotz der Pistenkreuzungen gebe es «nur einzelne Unfälle mit Skifahrern». Der Schlittelweg sei grundsätzlich ungefährlich, was die Statistik des Rettungsdiensts belege.
Tipps: Schuhe mit gutem Profil tragen
- Wählen Sie die richtige Kleidung: Thermowäsche, Faserpelzjacke, Schneehose, Winterjacke und Handschuhe.
- Tragen Sie einen Helm und Skibrille.
- Tragen Sie hohe, feste Schuhe mit gutem Profil. Nur dann können Sie gut bremsen.
- Wenn es eisig ist, hilft eine zusätzliche Bremshilfe an den Schuhen.
- Fahren Sie nur so schnell, dass Sie auf Sichtweite bremsen können.
- Bremsen Sie, indem Sie beide Füsse fest in den Boden drücken und eventuell den -Schlitten vorne hochziehen. Strecken Sie die Beine dabei nicht durch.
- Gehen Sie mit dem Schlitten sofort an den Wegrand, wenn Sie anhalten oder stürzen.