Für Marlis Huber aus Rüti ZH ist klar: «Seit ich vegan esse, stehe ich länger in der Küche.» Sie koche häufiger nach Rezept. Marlis Huber nimmt an der «Aktion Fleischlos» des Gesundheitstipp teil. Dabei verzichten drei Leserinnen mehrere Monate lang ganz auf tierische Produkte und berichten über ihre Erfahrungen (siehe Kasten).
Gemüse rüsten, Hülsenfrüchte einkochen – wer vegan essen will, braucht in der Tat mehr Zeit zum Kochen. Nichts geht schneller, als ein Kotelett in die Pfanne zu hauen. Doch die Lebensmittelindustrie bietet eine vermeintliche Lösung für die schnelle vegane Küche: Fertigprodukte in allen Variationen. Bei Coop gibt es zum Beispiel eine vegane Bratwurst der Marke Délicorn. Sie sieht aus wie eine normale Bratwurst, besteht aber aus Weizenprotein, Tofu und weiteren Zutaten. Eine Wurst à 100 Gramm enthält 239 Kalorien – fast ein Fünftel davon ist Fett.
«Je mehr Zusatzstoffe, umso ungesünder»
Experten raten von solchen Produkten ab. Denn ungesund ist nicht nur das viele Fett – auch die vielen anderen Zutaten sind es. Die deutsche Ernährungswissenschafterin Lioba Hofmann sagt: «Je länger die Zutatenliste, umso ungesünder ist ein Fertigprodukt.» Zum Beispiel steckt im veganen Aufschnitt aus dem Coop Carrageen. Dieses Verdickungsmittel kann Blähungen, Allergien und Darmentzündungen fördern (Gesundheitstipp 3/2020).
Dazu kommt: Manche vegane Fertigprodukte enthalten industrielle Aromen aus dem Labor. Der deutsche Ernährungsexperte Hans-
Ulrich Grimm warnt: «Wenn der Geschmack künstlicher Produkte noch künstlich verändert werden muss, ist höchster Argwohn angebracht.» Denn das Produkt gaukle dem Körper etwas vor. So nehme er mehr davon auf, als ihm guttut.
Zudem sind die Produkte teuer. Für eine Packung mit zwei falschen Bratwürsten zahlt man bei Coop Fr. 5.50. Zum Vergleich: Eine Prix-Garantie-Bratwurst ist zwei Drittel günstiger. 80 Gramm veganer Aufschnitt kosten Fr. 3.95. Normalen Lyoner-Aufschnitt gibts für fast die Hälfte dieses Preises. Die Migros verkauft 400 Gramm vegane Würstchen für satte Fr. 14.95.
Vorrat anlegen, vorkochen, aufwärmen
Die gute Nachricht: Veganes Essen kann schnell, gesund und günstig sein. Am besten legt man einen kleinen Vorrat an: Sojasauce, Tomatenpüree, Kokosmilch, Currypaste und Tofu. Den Tofu kann man klein würfeln, kurz anbraten und über Salate streuen – schon hat man eine Tagesration Eiweiss. Gekochte Hülsenfrüchte lassen sich gut mehrere Tage im Kühlschrank aufbewahren. Wer am Wochenende einen Topf Linsen kocht, wärmt sie durch die Woche portionenweise wieder auf.
Ernährungsberaterin Erica Bänziger aus Tegna TI rät, Gemüse wie Zucchetti oder Blumenkohlröschen kurz im Wok oder in einer grossen Bratpfanne anzubraten. Anschliessend verfeinert man sie mit Curry, Sojasauce oder Kokosmilch. Erica Bänziger: «Zusammen mit Hülsenfrüchten ergibt das eine vollwertige Mahlzeit.»
Auch Gemüsesuppen sind rasch zubereitet: mit Zucchini, Bärlauch oder Kürbis und Linsen. Eine schnelle Tomatensuppe kocht man mit Pelati aus der Dose, die man mit Zwiebeln, Basilikum, etwas Bouillon und vorbereiteten Linsen ergänzt.
Kartoffeln und Gemüse garen auf dem Blech im Backofen ohne weiteres Zutun. Als Dip serviert man Nussmus mit etwas Knoblauch, Kräutern und Bouillon. Oder man zerdrückt eine reife Avocado und würzt sie mit etwas Zitronensaft, Salz und Pfeffer. Couscous muss nur wenige Minuten quellen. Mit Tomaten, Gurken, Oliven und Pfefferminze gibt das einen frischen Salat. Auch ein Birchermüesli aus Haferflocken, Nüssen, geriebenem Apfel, Beeren, etwas Zitronensaft und Hafermilch ist ein gesundes veganes Gericht.
Coop schreibt, die Délicorn-Bratwurst enthalte mit 1,4 Gramm nur wenige gesättigte Fettsäuren sowie natürliche Aromen. Coop verzichte «wo immer möglich» auf Zusatzstoffe. Veganz, Hersteller des veganen Coop-Aufschnitts, sagt, Carrageen sei deklariert. Es gebe kein Gesundheitsrisiko.
Aufruf: Haben Sie Ideen für schnelle vegane Menüs?
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«Aktion Fleischlos»: Das sagen die Teilnehmerinnen zu Fertigprodukten
Die Teilnehmerinnen der «Aktion Fleischlos» des Gesundheitstipp haben die Umstellung auf die vegane Ernährung geschafft (Gesundheitstipp 3/20). Drei Monate lang wollen sie jetzt vegan essen. Nur Evelyn Dubs hat vorzeitig aufgegeben. Marlis Huber aus Rüti ZH hat zu viele Kilos, Gertraud Müllauer aus Untersiggenthal AG einen zu hohen Blutdruck. Manuela Leimgruber aus Altbüron LU hat gesunde Werte.
Der Gesundheitstipp wollte von den Teilnehmerinnen wissen: Wie halten sie es mit veganen Fertigprodukten?
Marlis Huber, 52
«Kürzlich kaufte ich einen ‹geräucherten Stick›, der an einen Landjäger erinnerte. Er schmeckte gut, aber ich kaufe solche Produkte trotzdem nur selten. Ich koche lieber frisch.»
Manuela Leimgruber, 46
«Ich probierte ‹Wilmersburger Scheiben› als Ersatz für Scheibenkäse. Roh schmeckten sie mir überhaupt nicht. Dann probierte ich sie noch warm über einer Rösti. Das war aber auch nicht besser.»
Gertraud Müllauer, 74
«Veganen Käse oder veganen Rahm finde ich zu exotisch. Ich verwende aber zum Beispiel einen Frischkäse aus Sojabohnen. Kürzlich habe ich damit
einen veganen Flammkuchen gemacht.»