Rolf Reust aus Zürich ist oft mit dem Velo unterwegs. In jungen Jahren spulte er viele Kilometer auf dem Rennvelo ab. Heute fährt der 70-Jährige mit dem E-Bike oder dem Mountainbike. Vor kurzem strampelte er von Oerlikon ZH auf den Stadlerberg und zurück. Diese Tour will er demnächst mit seiner Pro-Senectute- Velogruppe Zürich Nord unter die Räder nehmen. «Velofahren belastet die Knochen weniger als zum Beispiel Joggen», sagt Reust. Es sei für ihn immer ein guter Ausgleich zum Alltag gewesen.
Ein Problem hat den Velofahrer Reust aber stets begleitet: Zu Beginn der Saison schmerzte meist sein Hintern. «Ich musste zwischendurch auf dem Velo aufstehen und die Muskeln lockern», erzählt er. Deshalb kaufte er vor einem Jahr einen neuen Sattel: Er tauschte sein schmales Modell gegen ein breiteres aus Gel ein.
Doch darauf fühlte er sich ebenfalls nicht wohl. Deshalb liess er sich zum Geburtstag im Dezember einen neuen Sattel schenken – einen, auf den seine Kollegen schwören: Er besteht aus Leder. «Diesen Sattel fahre ich zurzeit ein. Man muss wohl mehrere Hundert Kilometer darauf fahren, bis man so richtig bequem sitzt», sagt Reust. Zudem muss man das Leder regelmässig mit einer Creme einreiben, damit es nicht porös wird.
Wie Rolf Reust haben viele Velofahrer Mühe, einen passenden Sattel zu finden. Die Auswahl an Satteltypen ist gross, wie ein Vergleich des Gesundheitstipp zeigt (Tabelle im PDF). Experten sind sich einig: Man sollte vor dem Kauf verschiedene Sättel ausprobieren. Der Velofachmann Marius Graber vom Magazin «Velojournal» sagt, worauf es beim Kauf ankommt: «Wichtig ist die Form des Sattels. Diese muss zum Fahrer passen.»
Breite der Sitzhöcker bestimmt die Sattelform
Der Grossteil des Gewichts eines Velofahrers lastet auf einer kleinen Fläche des Sattels. Oft spürt man das beim Fahren zuerst an den Sitzbeinhöckern. Durch das Auf und Ab der Beine bewegt sich die Knochenhaut um die Höcker und beginnt bei ungünstiger Belastung zu schmerzen. Die Sitzbeinhöcker sollten so auf dem Sattel zu liegen kommen, dass der Druck möglichst klein ist.
Den Abstand der beiden Sitzhöcker kann man selber messen (siehe «Tipps zum Velosattel»). Marius Graber sagt: «Der Abstand zwischen den Sitzhöckern gibt darüber Auskunft, wie breit der Sattel sein muss.» Je grösser der Abstand, desto breiter sollte auch der Sattel sein.
Entscheidend ist zudem die Position des Oberkörpers auf dem Fahrrad. Das hängt nicht zuletzt vom Velotyp ab. Auf einem Citybike etwa sitzt man aufrecht und belastet das Sitzbein. Markus Graber: «Bei solchen Velos empfiehlt sich ein breiter Sattel.» Auf einem Rennvelo oder Mountainbike ist der Oberkörper hingegen stark nach vorn geneigt. Das belastet den Damm- und den Schambeinbereich. «Bei solchen Velos bietet sich ein schmaler Sattel an», sagt Marius Graber.
Je länger die Strecke, desto härter der Sattel
Viele Velofahrer glauben, dass sie auf einem weichen Sattel bequemer sitzen als auf einem harten Modell. Doch das ist oft eine Fehleinschätzung, wie der deutsche Sportwissenschafter Ingo Froböse sagt. Sein Tipp: «Der Sattel sollte auf keinen Fall zu weich sein.» Denn auf weichen Sätteln sinke der Körper ein. Die Folge: Die Position auf dem Velo wird instabil, und die Muskulatur muss zu viel arbeiten. Das könne zu Schmerzen führen. Generell gilt deshalb laut Marius Graber: «Je längere Strecken man fährt, desto härter sollte der Sattel sein.»
Für Leute, die Beschwerden am Steissbein haben, kommt laut den Experten ein Sattel mit einem langen, unter Umständen durchgehenden Spalt infrage. Wer Probleme mit dem Dammbereich hat, zum Beispiel nach einer Prostataoperation, sollte einen Sattel mit einem Loch wählen. Marius Graber: «Das kann helfen, den Dammbereich zu entlasten.» Ein Loch im Sattel kann Männer zudem vor Taubheitsgefühlen und Potenzproblemen schützen. Eine Studie in der Zeitschrift «Sexual Medicine Reviews» zeigte: Das Risiko, impotent zu werden, ist bei Leuten, die regelmässig und intensiv Velo fahren, deutlich erhöht.
Tipps zum Velosattel
- Messen Sie den Abstand Ihrer Sitzhöcker am Gesäss. Legen Sie ein Stück Wellkarton auf einen Stuhl, und setzen Sie sich aufrecht hin. Die Abdrücke im Wellkarton zeigen Ihr Poprofil und geben Auskunft über die passende Sattelbreite.
- Testen Sie im Laden verschiedene Satteltypen.
- Wählen Sie keinen allzu weichen Sattel aus.
- Richten Sie den Sattel am Velo waagrecht aus.
- Wechseln Sie auf dem Velo die Sitzposition, und fahren Sie zwischendurch im Stehen.
- Fahren Sie einen neuen Sattel vor einer längeren Velotour ein.
- Für lange Touren empfiehlt sich eine gepolsterte Velohose, allenfalls auch eine Sitzcreme. Das reduziert die Reibung.
Umfrage: Haben Sie Probleme mit Ihrem Velosattel?
Sarah Fischer, 30, Zürich
«Nein. Ich bin mit meinem Velosattel zufrieden. Ich hatte nicht mal Probleme, als ich mit dem Velo bis nach Barcelona fuhr. Zusätzlich habe ich mir eine gefederte Sattelstütze gekauft. Das erhöht den Komfort.»
Jürg Zollinger, 65, Stäfa ZH
«Meistens nicht. Aber wenn ich im Frühling mein Rennvelo hervorhole, dauert es ein bis zwei Tage, bis ich mich wieder an den Sattel gewöhnt habe. Er hat einen Schlitz – das entlastet.»
Lea Aeschlimann, 34, Zürich
«Mein Ledersattel von Brooks fühlte sich nach dem Kauf sehr hart an, aber er passte sich mit der Zeit dem Hintern an. Jetzt sitzt er bequem. Zwischendurch muss ich ihn mit einem Lederpflegemittel behandeln.»