Simone Bonito sitzt auf einer Holzbank an der Limmat bei Baden AG. «Das Flussgeräusch entspannt mich. Deshalb eignet sich dieser Platz gut zum Meditieren», sagt sie.
Die 55-Jährige hat mehrere Tiefschläge mit Hilfe der Meditation überstanden – auch ein Burnout. «Das war eine schwierige Zeit, geprägt von Ängsten, Ohnmacht und dem Gefühl, versagt zu haben», erzählt die alleinerziehende Mutter von drei Kindern.
Mit Meditationen in einer Gruppe und allein in der Natur habe sie gelernt, ihre Gedanken und Gefühle aus der Distanz zu beobachten und diese anzunehmen, sagt Bonito. «Dadurch fand ich innere Ruhe und Gelassenheit.» Die Meditation habe sie widerstandsfähiger gemacht. «Ich bin ausgeglichener und kann besser mit Stress und depressiven Phasen umgehen.»
Um zu meditieren, müsse man nicht spirituell sein oder im Schneidersitz verharren, sagt die Aargauerin. Sie verbindet die Meditation mit vielen positiven Gefühlen. Zudem ist sie ein Arbeitsmittel in ihrem Beruf: «Ich meditiere oft im Zug, auf dem Weg zur Arbeit.»
Beim Meditieren entspannen sich Körper und Psyche
Ulrich Ott, Psychologe, Meditationsforscher und Dozent an der Justus-Liebig-Universität Giessen in Deutschland, erklärt den Effekt der Meditation auf den Körper wie folgt: «Der Atem verlangsamt und vertieft sich. Das Herz schlägt langsamer, der Blutdruck sinkt, die Muskeln lockern sich, und die Aktivität der Schweissdrüsen lässt nach.» Die Folge: Körper und Psyche entspannen sich.
Forscher der renommierten USamerikanischen Harvard-Universität in Cambridge (Massachusetts) untersuchten, wie die Meditationstechnik MBSR – die Abkürzung steht für «mindfulness-based stress reduction» – auf das Gehirn wirkt. Das Ergebnis: Bereits nach acht Wochen Meditationstraining von etwa 30 Minuten pro Tag hatten sich bei den Studienteilnehmern bestimmte Hirnregionen verändert, die wichtig sind für die Aufmerksamkeit, das Gedächtnis und die Emotionen.
Studien zeigten zudem, dass sich Meditation posiiv auf Stress, Angstzustände und Depressionen auswirken kann. Das kommt unter anderem auch Krebskranken zugute. «Die Meditation hilft ihnen im Umgang mit Schmerzen, Ängsten und Depressionen», sagt Ulrich Ott. Der Abbau von Stress führe zudem dazu, dass Betroffene ihr Immunsystem stärken und die Müdigkeit, die sich bei Chemotherapien einstellt, reduzieren können. Meditieren hilft auch im Umgang mit Schmerzen.
In einer Studie an der Universität Giessen, bei der Ott beteiligt war, zeigte sich: «Die Teilnehmer nahmen Schmerzen zwar wahr – doch sie konnten besser damit umgehen als Teilnehmer, die nicht meditiert hatten.»
Meditieren ist nicht für alle geeignet
Trotzdem gilt auch bei der Meditation: Die Dosis macht das Gift. «Wenn jemandem 20 Minuten Meditieren am Tag guttun, heisst das nicht, dass vier Stunden Meditation zwölf Mal so gut sind», sagt Experte Ulrich Ott.
Vorsicht ist auch angezeigt bei Leuten, die ein Trauma oder andere starke psychische Belastungen erlebt haben. «Das Risiko ist gross, dass in der Meditation Erinnerungen und Gefühle auftauchen», sagt Ott. Fachleute empfehlen, sich für Meditationen täglich etwa 20 Minuten Zeit zu nehmen.
Der Gesundheitstipp hat einige Tipps für Einsteiger zusammengestellt . Eine Starthilfe können auch Meditations-Apps sein. In einer Untersuchung der deutschen Stiftung Warentest war die App «Headspace» der Testsieger. Deren Angebot ist laut Bewertung wissenschaftlich gut belegt. Die App liefert etwa Entspannungsübungen, die helfen, Stress abzubauen und Ängste zu bewältigen. Wer nicht allein meditieren will, kann sich von einem Meditationslehrer anleiten lassen oder sich einer Gruppe in einem Meditationszentrum anschliessen.
Die Auswahl an Meditationstechniken ist gross: Laut einer Untersuchung der Universität Chemnitz (D) gibt es weit mehr als 50 Methoden. «Man sollte verschiedene Techniken ausprobieren und dann eine wählen, die einem zusagt», rät Ott. Dann sei die Chance am grössten, dass man dranbleibe.
Meditieren: So gelingt der Einstieg
- Ziehen Sie zum Meditieren bequeme Kleider an.
- Wählen Sie einen ruhigen Ort, an dem Sie sich wohlfühlen, im Freien oder zu Hause. • Suchen Sie eine für Sie angenehme Position: Sie können liegen, den Yoga-Lotussitz einnehmen, auf einem Stuhl oder einem Kissen sitzen.
- Wenn Sie sitzen: Tun Sie dies in aufrechter Position. Ziehen Sie das Kinn leicht zur Brust und lassen Sie die Schultern locker fallen. Legen Sie die Hände auf die Knie, den Bauch oder die Oberschenkel. Schliessen Sie dann die Augen.
- Versuchen Sie, Ihren Atem wahrzunehmen, und konzentrieren Sie sich darauf.
- Lassen Sie Gedanken oder Gefühle zu, die aufkommen. Bleiben Sie aber nicht an ihnen hängen – lassen Sie sie wie Wolken weiterziehen.
- Meditieren Sie so lange, wie Sie sich wohlfühlen.
- Nehmen Sie sich nach der Meditation Zeit. Strecken Sie sich und atmen Sie tief durch. Öffnen Sie dann die Augen.