Seit über zwei Jahren sind Luisa Heintz und ihre Hündin Zuri ein Team. Heute geniessen sie die gemeinsame Zeit. Doch die ersten Wochen waren für die 30-Jährige aus Schiers GR schwierig: «Ich konnte es nicht richtig geniessen.» Sie litt unter Stress, Ängsten und Überforderung: «Ich hatte mehr als einen Heulanfall.» Sie habe ständig befürchtet, dass dem Welpen der Rasse Rhodesian Ridgeback etwas passiert.
Luisa Heintz ist kein Einzelfall. Wer sich einen Welpen anschafft, gerät in den ersten Wochen oft in eine Krise. Das zeigt eine Studie der Universität Helsinki (Finnland) mit 2000 Hundebesitzern. Fast die Hälfte von ihnen berichtete von «negativen Gefühlen» in der Welpenzeit. Häufig kam es zu Schlafmangel und Erschöpfung. Hinzu kamen Ängste, zu versagen oder dem Welpen ungewollt zu schaden.
Daten des Tierstatistikportals Identitas zeigen: Während der Coronapandemie stieg die Zahl der Hundebesitzer in der Schweiz deutlich an. Anfang 2024 waren es über 450'000. Talina Caviezel, Hundetrainerin und Psychotherapeutin aus Winterthur ZH, sagt: «Viele Leute unterschätzen, wie aufwendig es ist, einen Welpen zu erziehen.» Er ist noch nicht stubenrein und muss auch nachts immer wieder nach draussen. Man kann ihn nicht allein lassen, er zerstört Möbel und frisst alles Mögliche.
Der Hund bestimme die Tagesstruktur und schränke die Freiheit stark ein, sagt Caviezel. «Das kann psychisch überfordern.» Diese Erfahrung machte auch M.U. aus Winterthur. «Ich war nur noch am Weinen», erzählt sie über die erste Zeit mit ihrem Welpen. Dabei hatte sie sich akribisch auf den Hund vorbereitet. Doch dann kamen die Ängste. Es begann beim Abholen des Welpen und wurde zu Hause noch schlimmer: «Sobald ich mit ihm allein war, hatte ich Angst, ihm nicht gerecht zu werden.»
M.U. schlief kaum noch. Schliesslich musste sie den Hund an die Züchterin zurückgeben. Die finnische Forscherin Aada Ståhl vergleicht das Phänomen mit dem Babyblues – der depressiven Verstimmung, die manche Mütter nach einer Geburt befällt. Sie spricht daher vom «Welpenblues». Talina Caviezel: «Die Beschwerden sind vergleichbar.» Es handle sich um eine Reaktion auf die neue Lebenssituation, den Stress und das Gefühl, überfordert zu sein.
«Beschwerden lassen oft nach, wenn der Welpe älter wird»
Besonders anfällig auf den «Welpenblues» sind Leute, die ein starkes Bedürfnis nach Kontrolle haben. Caviezel: «Sie fühlen sich schnell überfordert, wenn die Realität nicht den Erwartungen entspricht.» Die gute Nachricht: «Die Beschwerden lassen meist nach, wenn der Welpe älter wird und man sich an die neue Rolle gewöhnt hat.» Auch Luisa Heintz half die Zeit: Mit zunehmender Erfahrung im Umgang mit Hündin Zuri habe sie Vertrauen gewonnen. Auch der Austausch mit dem Trainer im Welpenkurs und anderen Hundebesitzern habe geholfen.