Ein leichter Duft von Sellerie und frischem Basilikum schwebt in der Küche von Cettina Vicenzino. Die 49-Jährige Kochbuchautorin dünstet zuerst Auberginenstücke kurz in Olivenöl, danach das andere Gemüse und die Kartoffeln. Vicenzino bereitet ein süsssaures Gemüsegericht zu: sizilianische Caponata. Das Wichtigste dabei, so die gebürtige Sizilianerin: «Man sollte jedes Gemüse einzeln anbraten.» Nun kommen Kapern, Oliven, Peperoncino und Stangensellerie in die Pfanne, dann die Tomaten und Kartoffeln. Sie brauchen länger, bis sie gar sind.
Erst dann gibt Vicenzino alles Gemüse in die gleiche Pfanne und fügt etwas Zucker und Weissweinessig bei. Dann kocht sie das Gericht nochmals kurz auf und nimmt es vom Herd. «Die Caponata lasse ich nun abkühlen und ziehen.» Das sei wichtig: «So können sich ihre Aromen besser entfalten.»
Die süsssaure Caponata gehört zu den wichtigsten Gemüsegerichten der sizilianischen Küche. Sie lässt sich als kalte Vorspeise auftischen oder beispielsweise mit Tintenfisch und Kartoffeln als lauwarmes oder heisses Hauptgericht. Vicenzino: «Jede Familie kocht die Caponata wieder anders.» Der sizilianische Küchenchef Antonio Sturiale vom Restaurant La Zagra in Zürich: «In Palermo prägt der Stangensellerie das Aroma, in Catania sind es Peperoni, in Messina wiederum Oliven.»
Die sizilianische Küche ist eine der vielseitigsten im Mittelmeerraum. Grund sind die verschiedenen Besatzer aus frühen Zeiten: Griechen brachten Oliven, Ricotta und Honig, Araber Gewürze, Reis, Zitrusfrüchte, Mandeln und Marzipan. So gehören typische Gerichte wie das Fischcouscous oder die Arancini – frittierte, mit Hackfleisch gefüllte Reisbällchen – zum arabischen Erbe.
Die Normannen liessen Rezepte für Stockfisch zurück und die Spanier führten Gemüse auf der Insel ein, etwa Tomaten und Auberginen. Dazu kommen die eigenen Produkte der Insel, wilder Fenchel oder Artischocken, aber auch der Fang aus dem Meer: Thunfisch, Schwertfisch, Tintenfisch, Sardinen und Muscheln. Koch Sturiale: «Fisch spielt auf Sizilien eine viel grössere Rolle als Fleisch.»
«Eine der gesündesten Küchen überhaupt»
Kein Wunder, kommen auch Fachleute ins Schwärmen. David Fäh von der Berner Fachhochschule sagt: «Die traditionelle sizilianische Küche gehört wahrscheinlich zu den gesündesten überhaupt.» Nicht zuletzt auch, weil die Insel über lange Zeit von schnellen, industriellen Entwicklungen verschont wurde – und sich damit die Essgewohnheiten nur wenig änderten.
Innerhalb der mediterranen Küche nimmt sie deshalb noch immer eine Sonderstellung ein. Vicenzino: «Sie unterscheidet sich deutlich von der italienischen Allerweltsküche mit Pizza und Pasta.»
Der viele Fisch, Olivenöle, Pinienkerne oder Mandeln enthalten wertvolle Fettsäuren, die das Herz schützen. Der Gemüseanteil ist bei vielen Speisen überdurchschnittlich gross und damit der Gehalt an Vitaminen und Ballaststoffen. Vicenzino: «Selbst bei vielen Hauptgerichten ist Gemüse die Basis, zum Beispiel beim Auberginenauflauf.»
Mehr gesunde Stoffe und Fette dank des Klimas
Das Klima der Insel trägt dazu bei, dass sizilianisches Gemüse besonders gesund ist. Vom Meer geht es zuweilen steil ins bergige Hinterland, der Vulkan Ätna ist über 3000 Meter hoch. Die Folge: Grosse Temperaturunterschiede und intensive Sonnenstrahlen. Ernährungsfachmann Fäh: «Bei diesen Bedingungen enthalten Oliven mehr gesunde Fette, Gemüse mehr gesunde Stoffe.» Kommt dazu: Aufgrund des milden Klimas im Winter sind Gemüse wie Artischocken oder Tomaten praktisch das ganze Jahr über erhältlich.
Für schmackhafte sizilianische Gerichte braucht man kein Meisterkoch zu sein. Der Gesundheitstipp hat für seine Leserinnen und Leser die wichtigsten Rezepte zusammengetragen (siehe Merkblatt). Mit Ausnahme von Schwert- und Thunfisch, die hier teurer sind, ist die sizilianische Küche günstig. Der Zürcher Koch Sturiale spricht gar von einer «Küche für arme Leute». Das heisst aber nicht, dass sie deswegen bei Feinschmeckern nicht ankommt. Sturiale hat dieses Jahr bei Gault Millau immerhin 15 Punkte erreicht. Tobias Frey
Rezept: Sizilianische Caponata (Für 2 Personen als Hauptgericht)
- 1 Aubergine
- Salz
- 3 Kartoffeln, geschält
- 3 kleine Peperoni, entkernt
- Olivenöl
- 1 Zwiebel, grob gehackt
- 2 EL Kapern
- 10 grüne Oliven
- 1 Peperoncino, gehackt
- 1 Stangensellerie, in kleine Stücke geschnitten
- 400 g Tomaten
- 0,8 dl Weissweinessig
- evtl. 1 EL Zucker
- 1 EL Basilikum, gehackt
Auberginen in Stücke schneiden, mit Salz bestreuen, 30 Minuten stehen lassen. Salz mit Wasser abspülen, Auberginen mit Küchenpapier trocken tupfen. Kartoffeln und Peperoni in Stücke schneiden. Jede Gemüsesorte separat in Öl anbraten, bis sie halb gar ist, dann beiseitestellen.
Zwiebeln, Kapern, Oliven, Peperoncini und Sellerie in Öl anbraten. Tomaten enthäuten, in Würfel schneiden und dazugeben, etwas einkochen lassen. Essig und Zucker unterrühren. Kartoffeln hinzufügen und garen, evtl. etwas Wasser dazugeben. Wenn die Kartoffeln gar sind, Auberginen, Peperoni und Basilikum dazugeben, salzen, einige Minuten weiterköcheln lassen, vom Feuer nehmen und etwas ziehen lassen.
Quelle: «Italia! Das Beste aus allen Regionen», von Cettina Vicenzino, Christian Verlag, Fr. 42.90. Siehe auch www.cettinavicenzino.blogspot.com. Rezept leicht abgeändert.