Der Gedanke an Weihnachten bedrückt mich. Gerne würde ich meinen Urlaub dann beziehen, um zu Hause mit meiner Familie feiern zu können. Aber meine Frau muss arbeiten, und deshalb werde ich diesen Tag im Gefängnis verbringen. Das macht mich traurig.
Erst im Gefängnis wurde mir bewusst, wie stark ich früher meine Familie vernachlässigt hatte. Ich lebte für meinen Beruf und war ständig unterwegs. Das bereue ich. Lieber verzichte ich bis ans Ende meines Lebens auf Erfolg, wenn ich dafür eine gute Beziehung zu meiner Familie haben kann. Meine Frau und unsere drei kleinen Kinder leiden am meisten unter der jetzigen Situation. Meine Frau muss die Kinderbetreuung zurzeit allein organisieren. Die Kinder sind jetzt sechs, acht und zehn Jahre alt.
Angefangen hat es im Januar 2018: Es klingelte an unserer Haustür. Als meine Frau öffnete, standen acht Polizisten vor ihr. Sie zeigten Formulare und durchsuchten unser Haus. Der Grund: Meine Schwester hatte mich wegen ungetreuer Geschäftsführung und Kreditbetrug angezeigt. Es traf mich völlig unvorbereitet.
Die Fehler in der Buchhaltung meiner Firma sind Tatsache. Die Staatsanwältin sagte, es handle sich um Steuerbetrug und Urkundenfälschung. Im Juni 2019 folgte eine zweite Hausdurchsuchung. Die Beamten nahmen mich gleich mit zur Einvernahme. Danach brachten sie mich sofort in Untersuchungshaft, wegen angeblicher Fluchtgefahr. Seither bin ich hier – ohne Anklageschrift und ohne Urteil. Von meiner Familie konnte ich mich nicht einmal verabschieden. Meine Kinder durfte ich während der ganzen sechs Monate Untersuchungshaft nicht sehen. Ich durfte auch nicht mit ihnen telefonieren, nicht einmal zu Weihnachten.
Danach kam ich für den vorzeitigen Strafvollzug ins Gefängnis Saxerriet SG. Hier darf ich alle zwei Wochen mit anderen Vätern und den Kindern einen Ausflug machen (siehe Kasten). Wir waren bereits im Zoo, im Alpamare und an einem Bastelnachmittag – begleitet von Zivilbeamten. Wegen der Corona-Pandemie ist das zurzeit leider nicht möglich. Das ist schade. Die Beziehung zu meinen Kindern ist momentan sehr herzlich. Aber sie hängt davon ab, wie lange ich noch in Haft sein werde. Die Ungewissheit macht mir zu schaffen.
Ich fühle mich oft hilflos und ausgeliefert – das halte ich manchmal kaum aus. Ich empfinde meinen Fall oft als sehr hart. Ich war schon nahe dran, innerlich einfach aufzugeben. Aber meine Militärkarriere war eine Willensschule, die mir jetzt zugutekommt. Ich schreibe auch Tagebuch. Dadurch wird mir klar, was ich vorher alles in meinem Leben hatte, ohne dass mir das bewusst war. Ich bin sehr froh, dass meine Frau zu mir hält. Gleichzeitig habe ich Angst, dass sie zusammenbricht, wenn sie das alles noch ein weiteres Jahr allein stemmen muss.
Zum Glück kann ich in der Landwirtschaft mithelfen. Die Arbeit mit den Maschinen auf den Feldern ist zwar hart, aber sie lenkt mich ab. Ich bin gespannt, wie es nach der Haft weitergeht. Ich hoffe, dass ich einen Weg finde.
Väter im Gefängnis: Die Kinder leiden stark
Väter, die im Gefängnis sitzen, sind vor allem für ihre Kinder eine schwere Belastung. Besuche sind schwierig, die Anfahrtswege lang, die Umstände ungewohnt. Experten schätzen, dass in der Schweiz gegen 10 000 Kinder von einer solchen Situation betroffen sind. 2017 ergab eine Umfrage der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, dass sich die Gefängnisdirektoren wenig verantwortlich fühlen. Es gibt aber erste Versuche von Gefängnissen, eine Beziehung zwischen eingesperrten Vätern und ihren Kindern zu ermöglichen. So lancierte die St. Galler Strafanstalt Saxerriet ein Vater-Kind-Projekt. Roger Hofer, Autor der Studie: «Inhaftierte, die in ein positives soziales Umfeld eingebettet sind, können sich später besser wieder in die Gesellschaft eingliedern.»
Infos: Angehoerigenarbeit.ch