Für Senioren, die nicht mehr selbst kochen möchten, gibt es eine Lösung: Mahlzeitendienste. Casa Gusto, ein Angebot von Pro Senectute Zürich und Migros, verspricht «schön angerichtete Teller wie im Restaurant». Der Lieferdienst Care-4you.ch bietet auf seiner Website «feines und gesundes Essen, auf Wunsch 7 Tage die Woche». Und der Mahlzeitendienst von Pro Senectute Luzern verspricht «gesunde und abwechslungsreiche» Kost.
Der Gesundheitstipp liess zwölf Menüs in einem Labor untersuchen, darunter fünf vegetarische. Experten prüften, wie viel Kalorien, Kohlenhydrate, Ballaststoffe, Eiweiss oder Fett die Mahlzeiten enthielten. Das Labor mass auch die Qualität der Fette (siehe Tabelle im PDF). Ernährungsberaterin Ruth Ellenberger vom Zürcher Ernährungszentrum hat zudem die angerichteten Menüs begutachtet und verkostet.
Resultat: Sieben von zwölf Mahlzeiten schnitten ungenügend ab. Sie enthielten zu viele Kalorien oder zu viel Fett. Schlecht waren die «Grünkernbratlinge mit Pilzrahmsauce» von Pro Senectute Luzern. Das Menü enthielt wenig Ballaststoffe und Eiweiss, dafür viel Fett und Kalorien: 569. Das ist zu viel. Ernährungsfachleute empfehlen maximal 500 Kalorien für einen 65-jährigen, leicht aktiven Senior – davon ausgehend, dass man zum Essen noch eine Frucht, ein Stück Schokolade oder ein paar Nüsse isst.
Der «Ofenfleischkäse an Pilzrahmsauce mit Ebly und Trockentomaten und Brokkoli» von Pro Senectute Luzern enthielt sogar fast 610 Kalorien, das Menü «Quorn-Geschnetzeltes, Züri-Art» von Gourmet Domizil mit rund 670 Kalorien noch mehr.
Nur eine Mahlzeit erhielt die Note «gut»: das Menü «Gambas con arroz» von Casa Gusto, also Crevetten mit Reis. Es enthielt nicht zu viele Kalorien und nicht zu viel Fett. Auch Ruth Ellenberger überzeugte das Menü: «Das ist eine schöne, ausgewogene Mahlzeit.»
Energiebedarf sinkt mit zunehmendem Alter
Zu viele Kalorien sind ein Problem. Der Altersmediziner Reto W. Kressig von der Universität Basel sagt: «Senioren brauchen weniger Energie als jüngere Menschen.» Ab 60 sinkt der tägliche Verbrauch jedes Jahr um rund 1 Prozent – unabhängig davon, wie viel man sich bewegt. Das haben Forscher der Duke University in North Carolina (USA) herausgefunden (Gesundheitstipp 10/2021).
Zahlen aus der Schweiz zeigen: 51 Prozent der Schweizer Männer sind zu dick, bei den Frauen ist es ein Drittel. Am häufigsten leiden 65- bis 74-Jährige unter Übergewicht. Zu diesem Schluss kommt das Bundesamt für Statistik.
Ein Grund für die vielen Kalorien in den Menüs ist das Fett. Die Mehrheit der Menüs enthielt zu viel davon. Ernährungsberaterin Beatrice Fischer aus Meiringen BE empfiehlt pro Hauptmahlzeit maximal 22 Gramm. Der «Fleischkäse mit Kartoffelgratin» von Casa Gusto enthielt 34 Gramm Fett. Vegetarische Menüs schnitten nicht besser ab. Das «Quorn-Geschnetzelte» von Gourmet Domizil enthielt fast 36 Gramm Fett. Auch Ruth Ellenberger fand die Menüs bei der Degustation zu schwer: «Insgesamt sind die Menüs zu fettig.»
Sieben von zwölf Menüs enthielten auch zu viel ungesunde Fette. Gesättigte Fettsäuren etwa sollte man möglichst wenig zu sich nehmen. Grund: Sie erhöhen das Risiko für Herz-Kreislauf-Krankheiten. Die Schweizerische Gesellschaft für Ernährung rät, pro Tag nicht mehr als 20 Gramm gesättigte Fette zu sich zu nehmen. Umgerechnet ergibt das ungefähr 6 Gramm pro Hauptmahlzeit. Im «Haferbraten Burgunder Art» von Domicil Bern steckten 14 Gramm.
Fünf von zwölf Menüs enthielten zudem zu wenig Eiweiss. Reto W. Kressig sagt: «Eine Hauptmahlzeit sollte mindestens 25 Gramm enthalten.» Die «Orientalische Falafel-Pfanne» von Casa Gusto etwa enthielt gerade mal 17 Gramm Eiweiss. Besser schnitt das Menü «Trutensaltimbocca» von Gourmet Domizil mit 41 Gramm Eiweiss ab.
Nährstoffe sind im Alter wichtiger als Energie
Was auffiel: Kaum ein Teller war zur Hälfte mit Gemüse gefüllt, so wie es Ernährungsfachleute empfehlen. Beispiel: «Gebackener Fleischkäse mit Ratatouille» von Domicil Bern. Das Menü enthielt einen Viertel Ratatouille. Ruth Ellenberger sagt: «Das ist zu wenig.»
Wissenschafter der Harvard-Universität (USA) haben berechnet, wie man den Teller füllt, ohne zuzunehmen. Ihre Regel ist ganz einfach: Man füllt den halben Teller mit Gemüse oder Salat, einen Viertel mit Stärkebeilagen wie Teigwaren, Kartoffeln oder Reis und den Rest mit Fleisch, Fisch oder anderen eiweissreichen Nahrungsmitteln (Gesundheitstipp 10/2019).
Gerade im Alter ist Gemüse wichtig. Der Körper braucht dann zwar weniger Energie, aber genauso viele Nährstoffe. Diese stecken in Gemüse: Es enthält zahlreiche Vitamine, Mineral- und Ballaststoffe und auch viele gesunde Pflanzenstoffe. Kressig bestätigt: «Ältere Menschen müssen darauf achten, dass sie Speisen mit möglichst vielen Nährstoffen essen.»
Domicil Bern hält fest, man koche nach den Empfehlungen der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung. Bei der Berechnung der Nährwerte würde man sich nicht an einzelnen Mahlzeiten orientieren. Es sei die Gesamtmenge, die ausschlaggebend sei. Daher könne es vorkommen, dass ein Menü mehr gesättigte Fettsäuren enthalte als empfohlen.
Gourmet Domizil schreibt, bei manchen ihrer Kunden sei der Kalorienbedarf höher als bei einer Person, die im Rollstuhl sitze. Es sei daher schwierig, für jeden Kunden die geeignete Menge und Zusammenstellung zu bieten. Ausserdem gebe es Lebensmittel, die von Natur aus mehr Fett oder Eiweiss enthielten.
Care-4you.ch schreibt, jährlich koche der Verein mehr als 100 verschiedene Menüs. Man nehme die Gesundheit der Kunden sehr ernst und bemühe sich stets, ausgewogen und gesund zu kochen. Kunden würden neben dem Menü einen Salat oder eine Suppe und ein Dessert erhalten. Als gemeinnütziger Verein verfüge man nicht über die Mittel, einen Ernährungsberater zu beschäftigen, der das Team täglich unterstützen könne. Man bilde sich intern aber immer weiter.
Pro Senectute Luzern schreibt, ihre Mahlzeiten seien als Tagesration für eine ältere Person gedacht. Viele ältere Personen würden die Mahlzeiten für das Mittag- und das Nachtessen aufteilen. Man biete immer auch ein leichteres mediterranes Menü an. Wenn man aber die Mahlzeiten einer ganzen Woche betrachte, seien die Werte ihrer Inhaltsstoffe im Durchschnitt gut.