Herr Stalder, wenn es schneit, räumen Sie nachts die Strassen frei. Wann schlafen Sie?
Am frühen Abend lege ich mich für ein paar Stunden hin. Aber wenn wir viel Schnee haben, sind meine Männer und ich manchmal vier Nächte hintereinander unterwegs. Und das 12 bis 13 Stunden am Stück. Das hängt an.
Wann müssen Sie denn raus?
Als Einsatzleiter habe ich Pikett. Ist Schnee angesagt, stelle ich den Wecker auf Viertel nach drei. Nach einer Runde durchs Dorf entscheide ich, wie viele Männer ich brauche, damit die Strassen am Morgen frei sind. Gibts viel Schnee, rufe ich die Kollegen vor 4 Uhr an. Dann pflügen wir bis Mitte Nachmittag. Doch wenn es gefriert, müssen wir noch salzen. Das dauert bis am frühen Abend.
Dann schlafen Sie sehr wenig. Wie stehen Sie das durch?
Mehr als fünf Stunden Schlaf kriege ich dann selten. Und hin und wieder komme ich an den Anschlag. Die Müdigkeit schlägt mir auf das Gemüt. Vor allem, wenn die Leute reklamieren.
Weshalb klagen die Leute?
Manchmal klart der Himmel am Morgen auf. Dann schicke ich nach dem Pflügen alle zum Frühstück. Doch plötzlich schneit es wieder – eine Stunde später liegen 15 Zentimeter Schnee. Sofort rufen Autofahrer an und fragen, ob wir verschlafen hätten. Oder sie tippen sich mit dem Zeigefinger an die Stirn, weil ihre Einfahrt oder die Strasse voll Schnee ist.
Geht Ihnen das unter die Haut?
Wenn ich übermüdet bin, macht es mich fertig. Meine Männer und ich rackern uns ab und als Dankeschön gibts eins aufs Dach. Wir sind doch keine Zauberer: Wenn es einen zünftigen «Chlapf» Schnee gibt, haben wir manchmal schlicht keine andere Wahl, als ihn auch vor den Einfahrten liegen zu lassen.
Verstehen die Leute das nicht?
Die wenigsten. Die meisten fordern beim grössten Schnee noch schwarze Strassen, weil sie in aller Herrgottsfrühe im Büro antreten müssen. Früher hatten die Leute weniger Stress und warteten, bis die Schneeräumer fertig waren – oder sie montierten Schneeketten.
Das klingt wirklich stressig.
Mein Bauch kribbelt manchmal schon ein wenig, weil ich nervös bin.
Warum werden Sie nervös?
Weil ich Nacht für Nacht entscheide, ob ich meine Männer aus dem Bett klingeln muss. Wir sind ein Team von neun Männern. Wenn es schneit, brauche ich jeden. Doch ich muss auch schauen, dass sie zu ihrem Schlaf kommen, damit sie die Saison durchhalten. Das sind schwierige Entscheidungen. Doch ich bin gelassener als früher.
Kommt das mit der Erfahrung?
Ja, es gibt schon Routine. Meine Frau geht zweimal pro Woche singen am Abend, und die Kinder kann ich heute auch mal alleine lassen. Früher war ich gestresst, wenn es dann zu schneien begann. Ich musste schnell einen Babysitter finden. Und die Kinder weinten und fragten: «Weshalb musst du schon wieder raus?» Meine Frau hätte mich natürlich gerne öfters daheim.
Zur Person
Armin Stalder
Der 51-Jährige leitet seit 13 Jahren den Werkdienst in Weggis LU. Im Winter koordiniert er das Schneeräumen und pflügt selber Nacht für Nacht die Strassen frei.