Anja Lukičič-Berger sitzt im Schneidersitz auf einem Kissen am Boden ihrer Wohnung. Ihre Augen hat sie geschlossen. Es ist still, nur der Luftbefeuchter surrt im Hintergrund. Dann atmet sie hörbar und tief durch die Nase ein. Sie hält die Luft an. Dann folgt ein lautes Ausatmen durch die Nase. Und wieder hält sie die Luft an. Das Ganze wiederholt sie fünfmal. Danach sitzt sie für fünf Minuten fast regungslos da. Nur die Brust bewegt sich leicht im Takt ihres Atems.
Seit zehn Jahren macht die 53-jährige Zürcherin diese Übung – zweimal täglich. Am Morgen, um wach zu werden. Und am Abend, um Stress abzubauen. Sie tut dies mit Erfolg: Vor der Übung zeigte die Pulsuhr an ihrem Handgelenk einen Ruhepuls von 77 an. Danach war er bei 65. «Ich fühle mich jetzt entspannt und gelassen», sagt Anja Lukičič.
Studien belegen den Nutzen
Tiefes Atmen nützt nicht nur gegen Stress, sondern auch gegen verschiedene körperliche Beschwerden. Wer konzentriert atmet, kann Kopfweh oder Asthmaanfälle lindern, den Rücken entspannen, die Konzentration fördern und Ängste lösen. Das belegen verschiedene Studien. So zeigte eine im März 2020 erschienene Studie des unabhängigen wissenschaftlichen Netzwerks Cochrane, dass Atemübungen die Lebensqualität und die Lungenfunktion von Leuten mit moderatem Asthma verbessern.
Diese Erfahrung machte auch Deborah Schöpfer (29) aus Zürich. Seit einem halben Jahr macht sie Atemübungen. Sie sagt: «Dank ihnen brauche ich keinen Asthmaspray.» Ausserdem hilft ihr konzentriertes Atmen beim Einschlafen. Dabei hält sie ihr rechtes Nasenloch zu und atmet ein bis zwei Minuten lang nur durch das linke Nasenloch ein und aus.
Die Zürcher Atemtherapeutin Barbara Lemberger erklärt: «Bei körperlichen Beschwerden verändert sich der Rhythmus der Atmung. Er beginnt zu stocken.» Dann helfen Atemübungen, den Rhythmus zu verbessern. Dadurch versorgt man den Körper mit zusätzlichem Sauerstoff. Das hilft gegen Kopfschmerzen und Muskelkrämpfe oder verbessert die Konzentration.
Barbara Lemberger hat für die Gesundheitstipp-Leser acht Atemübungen für zu Hause zusammengestellt (siehe Kasten). Eine davon ist die Übung «Armschwingen». Dabei hebt und senkt man die Arme seitwärts. Der Atem gibt den Takt vor. Auf diese Weise dehnt man das Zwerchfell, vergrössert das Lungenvolumen, baut Stress ab und senkt den Blutdruck.
Lemberger sagt: «Zu Beginn ist es wichtig, den Atem ein paar Züge lang zu beobachten und dabei den eigenen Rhythmus zu erkennen.» So könne man ihn mit den Übungen besser steuern. Ausserdem rät sie, vorwiegend durch die Nase einzuatmen: «Die feinen Härchen und die Schleimhäute filtern die Luft, feuchten sie an und wärmen sie für die Lungen vor.»
Atemübung «Armschwingen»
Die Übung «Armschwingen/Vogelschwingen» hilft bei hohem Blutdruck und Stress. Stellen Sie sich hüftbreit hin und strecken Sie die Arme seitlich auf Schulterhöhe aus, die Handflächen zeigen nach unten. Atmen Sie durch die Nase tief ein. Gleichzeitig heben Sie Ihre Arme nach oben. Atmen Sie durch die Nase oder den Mund aus und senken Sie die Arme wieder. Wiederholen Sie die Übung während einer Minute.
Weitere Beispiele im Gratis-Merkblatt «Atemübungen»
Zum Herunterladen unter www.gesundheitstipp.ch oder zu bestellen bei: Gesundheitstipp, «Atemübungen», Postfach, 8024 Zürich.