Nur zwei von fünfzig Frauen in der Schweiz bringen ihr Kind zu Hause zur Welt. Warum sind es so wenige?
Viele Frauen wissen gar nicht, dass man auch daheim gebären kann. Ausserdem gibt es nicht mehr viele Hebammen, die Hausgeburten begleiten. Solche Geburten sind zeitintensiv, und auch der Pikettdienst ist nicht attraktiv. Kommt ein Kind zum Beispiel an Weihnachten auf die Welt, muss ich auf die Familienfeier verzichten.
Ist es nicht eher so, dass vielen Frauen eine Hausgeburt zu riskant ist?
Ja, das glauben manche Leute. Verläuft eine Schwangerschaft normal, kommt es bei einer Hausgeburt jedoch äusserst selten zu Komplikationen. Das belegen Studien. In den Niederlanden zum Beispiel wird jedes fünfte Kind zu Hause geboren.
Warum ist das Risiko klein?
Bei einer Hausgeburt gibt man den Frauen keine Wehenmittel, und die Fruchtblase wird nicht geöffnet. Diese Eingriffe macht man normalerweise, um die Geburt zu beschleunigen. Sie sind aber oft unnötig und führen regelmässig zu Komplikationen. Bei einer Hausgeburt gibt man dem normalen Geburtsverlauf die Zeit, die es braucht. Solche Eingriffe sind kein Thema.
Auch bei Ihnen kann eine Situation aus dem Ruder laufen.
Selbstverständlich gibt es im Leben keine totale Sicherheit. Trotzdem habe ich bei einer Hausgeburt noch nie die Kontrolle über die Situation verloren. Mir ist bewusst: Kommt es irgendwo auf dem Land zu einem Notfall, bin ich mit der Frau erst in einer halben Stunde im Spital. Ich muss vorausschauend arbeiten. Was ebenfalls wichtig ist: Ich muss einer Frau, die ich begleite, vertrauen können. Sonst kann es gefährlich werden.
Wie meinen Sie das?
Einmal sah ich nach einer Geburt, dass die Plazenta völlig verkalkt war. Das geschieht, wenn Frauen in der Schwangerschaft rauchen. Die Frau hatte mir versichert, dass sie damit aufgehört habe. Am Ende verlief die Geburt zwar gut. Ein ungutes Gefühl blieb aber zurück, denn ich hätte die Frau nicht bei einer Hausgeburt begleitet, wenn ich gewusst hätte, dass sie immer noch raucht.
Warum?
Rauchen führt oft zu Problemen mit den Blutgefässen. Das birgt die Gefahr, dass das Kind am Ende des Geburtsvorgangs nicht mit genug Nährstoffen versorgt wird. Darum ist in solchen Fällen eine Geburt im Spital nötig. Dort kann man auf mögliche Probleme besser reagieren. Das gilt auch für Schwangere mit Bluthochdruck oder Diabetes.
Was für Frauen kommen zu Ihnen?
Frauen, die das Gebären als etwas Natürliches und Normales ansehen. Sie wollen die Geburt in gewohnter Umgebung und mit vertrauten Menschen erleben. Ihnen ist wichtig, dass sie durch die ganze Schwangerschaft von der gleichen Hebamme begleitet werden.
Warum ist das so wichtig?
Kenne ich die Frau gut, kann ich ihre Wehen und das Schmerzempfinden richtig interpretieren. Das hilft, passende Anweisungen zu geben. Bei meiner Arbeit halte ich mich aber grundsätzlich an das, was ich als junge Hebamme in Afrika gelernt habe: Je weniger man sich bei einer Geburt einmischt, desto besser kommt es.
Zur Person
Sandra Egli-Berger ist als freie Hebamme mit eigener Praxis tätig. Sie gehört zu den rund 230 Hebammen in der Schweiz, die Hausgeburten durchführen. Auf diese Weise begleitete sie bereits über 500 Frauen. Sie lebt mit ihrer Familie in Schönholzerswilen TG.